Deutscher Schwimm-Verband:"Versuch, mich abzusägen"

Schwimmen: Weltmeisterschaft

"Extremer Rückhalt durch die Präsidentin": Henning Lambertz, 46, der Chefbundestrainer des DSV, will seinen Weg unbeirrt fortsetzen.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Chef-Bundestrainer Henning Lambertz wehrt sich gegen seine Kritiker. Er spüre einen "extremen Rückhalt durch die Präsidentin". Der 46-Jährige gibt sich in Budapest nach vielen Enttäuschungen kämpferisch und will seinen umstrittenen Weg unbeirrt fortsetzen.

Von Claudio Catuogno, Budapest

Jacob Heidtmann über 400 Meter Lagen und die Lagenstaffel der Männer waren am Sonntagmorgen die letzten deutschen Starter bei der Schwimm-WM. Heidtmann verpasste als 13. das Finale, die Staffel ebenfalls. Dann war es vorbei. Es gab einige Lichtblicke aus deutscher Sicht, vor allem Silber über 200 Meter Schmetterling für Franziska Hentke sowie zwei deutsche Rekorde über 50 Meter Schmetterling durch Aliena Schmidtke. Hentke zählt seit Jahren zur Weltspitze, ihr fehlte dafür nur noch die Bestätigung durch ein Stück Edelmetall um den Hals. Schmidtke, die in den USA lebt und trainiert, war das frische Gesicht. Und sonst?

Die Form von Marco Koch, dem Weltmeister von 2015 über 200 Meter Brust, gibt Rätsel auf (Rang elf). Von den Nachwuchsschwimmern, die der Chef-Bundestrainer Henning Lambertz über weichere U23-Normen an den Start brachte, machten Celine Rieder, 16, und Fabian Wellbrock, 19, auf den langen Freistilstrecken Hoffnung auf mehr. Andere aus dem nur 14-köpfigen Team blieben deutlich über ihren Bestzeiten. "Natürlich wünscht man sich von dem ein oder anderen einen Tick mehr. Aber im Grunde genommen wurden die Erwartungen erfüllt. Von daher ist alles erst mal so in Ordnung", sagte Lambertz.

Ohnehin hatte sich Lambertz abseits des Beckenrands die viel größeren Brandherde eingebrockt. So fand am Freitag eine Aussprache mit Philip Heintz, 26, aus Heidelberg statt, der nach Rang sieben über 200 Meter Lagen eine Wutrede gehalten hatte. Er hatte sich über die zeitlichen Planungen des DSV und mangelndes Vertrauen des Cheftrainers beklagt. "Es war ein freundschaftliches, ruhiges Gespräch in intimer Atmosphäre", berichtete Lambertz am Samstag: "Philip hat sich am Ende entschuldigt und einsichtig gezeigt."

Doch über allem hing auch in Budapest die Frage, warum so wenige im deutschen Schwimmen Lambertz' zum Teil radikalen Konzepten folgen wollen. Die SZ hatte am Samstag aus einem Brief zitiert, den Jürgen Küchler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leipziger Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT), im November an die DSV-Präsidentin Gabi Dörries geschrieben hatte. Darin hatte er Lambertz so harsch kritisiert, dass der am Samstag mutmaßte: "Das ist ein Versuch, mich abzusägen." Er müsse "hilflos zusehen, wie in kurzer Zeit das zugrunde gerichtet wird, was wir über lange Jahre mühevoll am Laufen gehalten haben", hatte Küchler geschrieben; Lambertz fahre das Schwimmen "in die Grube". Lambertz kannte den Brief bisher nicht, besorgte ihn sich nun allerdings bei Dörries - und las.

Das IAT sei ein wichtiger Partner, sagte Lambertz dann: "Nur dieser eine Mitarbeiter ist vor ein paar Jahren stehen geblieben. Er sucht die große Bühne der WM und nimmt denen, die jetzt eigentlich da hingehören, das Rampenlicht." Dabei hat sich Küchler, der am IAT seit 25 Jahren für den Schwimmsport zuständig ist, noch nie in den Vordergrund gedrängt. Auch den Brief, auf den nie eine Antwort kam, hatte er nicht an die Öffentlichkeit gegeben. Er hatte dann aber, mit dem Inhalt konfrontiert, beschlossen, dass er zu seiner Kritik stehen will. "Wenn es um Dinge geht, die seinen Vorstellungen nicht zu 100 Prozent entsprechen, ist er beratungsresistent", sagte Küchler also auch auf Anfrage des Sportinformationsdiensts über Lambertz.

Lambertz treffe zu viele Aussagen "nach Gefühl" statt aufgrund erhobener Daten, er versammele "Seher" und "innovative Macher" um sich, hatte Küchler der DSV-Präsidentin geschrieben. Teile des inzwischen berühmten Kraftkonzepts, das Lambertz als wichtigen Beitrag sieht, um bis Olympia 2020 Leistungssprünge bei den Schwimmern zu erreichen, hält Küchler für kontraproduktiv. Lambertz brachte deshalb am Samstag in Budapest seinen eigenen trainingswissenschaftlichen Mitarbeiter mit: Stefan Fuhrmann vom Olympiastützpunkt Hamburg. Er ist einer der Verfasser des 110-seitigen Konzepts und betonte nun: "Das ist definitiv kein Bauchgefühl oder eine Kurzschlussreaktion von einigen Leuten, sondern ein fundierter und datenbasierter Rahmentrainingsplan." 350 wissenschaftliche Quellen seien eingeflossen. Lambertz wiederum stellte klar, dass er sich nicht von seinem Weg abbringen lassen will. Er fühle "extremen Rückhalt durch die Präsidentin".

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