Süddeutsche Zeitung

Deutscher Olympischer Sportbund:Präsidentschaft auf Probe

Der DOSB muss seinen scheidenden Boss Alfons Hörmann ersetzen. Obwohl nicht mehr viel Zeit bleibt, traut sich noch niemand aus der Deckung - und maßgeblich wird ohnehin, was IOC-Chef Thomas Bach denkt.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

So langsam müssen sich der deutsche Sport und die interessierten Funktionäre sputen. Bereits in zehn Wochen steht in Weimar die nächste Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes an. Der wichtigste Tagesordnungspunkt ist die Wahl eines Nachfolgers von DOSB-Präsident Alfons Hörmann, der nach Kritik an seinem Führungsstil und einer Untersuchung der Ethikkommission seinen Rückzug angekündigt hat. Ein "Zeichen des Aufbruchs" soll die Neuwahl werden nach Jahren voller Grabenkämpfe und Irritationen.

Doch noch hat sich kein Kandidat in die Öffentlichkeit gewagt, und formal steht der Findungsprozess auch erst seit diesem Wochenende. Klar hingegen ist: Die Wahl wird eine Wahl auf Probe sein. Der neue Präsident wird zunächst nur für ein Jahr gekürt, wie die Sprecher der DOSB-Verbändegruppen am Dienstag bekräftigten. Erst im Dezember 2022 steht eine Wahl für eine komplette vierjährige Amtsperiode an.

So mancher einflussreiche Verbandspräsident empfindet das als unglücklich. Bis zuletzt soll es noch Überlegungen gegeben haben, wie sich dies anders handhaben lassen könnte. Aber die Satzung gilt in dieser Frage als eindeutig. Zudem gibt es im DOSB auch einen Präzedenzfall: Als Hörmann 2013 mitten in der Legislaturperiode auf den zum IOC-Präsidenten aufgerückten Thomas Bach folgte, wurde er zunächst auch nur für ein Jahr gewählt.

Formell sieht der Prozess nach langen Beratungen innerhalb der DOSB-Mitgliedsverbände nun so aus, dass zunächst ein Personalberater Vorschläge sammelt. Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach um den Düsseldorfer Headhunter Frank Weingarten, der früher einmal Generalsekretär und Vorstandsvorsitzender beim Deutschen Hockey-Bund (DHB) war - und zuletzt schon die Besetzung verschiedener anderer Positionen im Sport begleitete. Der Personalberater soll die Kandidatennamen an eine achtköpfige Findungskommission unter der Leitung des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) übermitteln, und diese wiederum ein Ranking erstellen, wer denn am besten geeignet sei.

Der Tischtennis-Funktionär Thomas Weikert gilt als Favorit

Bei einer Veranstaltung am Dienstag gaben der Basketball-Präsident Ingo Weiss als Sprecher der Spitzenverbände sowie Jörg Ammon als Vertreter der Landessportbünde zu verstehen, dass es wünschenswert sei, genau eine Persönlichkeit zu finden, die in Weimar zur Wahl steht; allerdings könnten es auch zwei oder drei werden. Eine Kampfkandidatur auf dem DOSB-Konvent ist ohnehin immer und unabhängig vom Votum der Findungskommission möglich. Auch ist nun klar, dass Anfang Dezember nicht nur die Ämter von Hörmann und seinem gleichfalls zurücktretenden Finanz-Vize Kaweh Niroomand neu gewählt werden, sondern alle sechs Präsidiumsposten.

Aber selbstverständlich gibt es abseits des formalen Zeit- und Ablaufplanes in bestimmten Zirkeln schon längst Vorüberlegungen, wer denn Hörmann nachfolgen könnte. Nach SZ-Informationen sollen auch schon bei der zuständigen Stelle konkrete Kandidaturen hinterlegt worden sein. Die Szene beäugt nun insbesondere den Limburger Rechtsanwalt und Tischtennis-Funktionär Thomas Weikert, 59, der noch als Präsident des Tischtennis-Weltverbandes amtiert, diesen Job aber bald aufgibt. Schon vor drei Jahren galt er einem Kreis von Hörmann-kritischen Fachverbänden als Wunschlösung für eine Gegenkandidatur, doch das unternahm er damals nicht. Zu seinen aktuellen Plänen hat er sich öffentlich noch nicht geäußert. Auch der Triathlon-Boss Martin Engelhardt, der nach Weikerts Rückzieher 2018 gegen Hörmann antrat, gilt als möglicher Bewerber.

Doch für die Frage, wer sich durchsetzen kann, ist neben der Meinung der DOSB-Mitglieder ohnehin maßgeblich, wie der mächtigste deutsche Sportfunktionär die Sache sieht: IOC-Präsident Bach. Dass sich Hörmann nach der im Sommer verstärkt vorgetragenen Kritik nicht mehr halten konnte, lag insbesondere auch daran, dass der Oberolympier in Lausanne den Daumen senkte.

Zudem kommt auf den DOSB womöglich noch ein logistisches Thema zu. Normalerweise sind bei den Mitgliederversammlungen einige Hundert Menschen anwesend. Aufgrund der aktuellen Corona-Verordnung dürfen in den Saal in Weimar - die Stadt in Thüringen ist Gastgeber, weil die Ausrichterrolle jährlich zwischen den Landesverbänden rotiert - aber wohl nur etwas mehr als 200 Personen Einlass finden. Deswegen wurden die Mitgliedsverbände schon gebeten, mit weniger Leuten als üblich anzureisen. Es braucht jedoch allein Platz für zirka 175 Anwesende, damit alle Stimmrechte aus den Mitgliedsverbänden wahrgenommen werden können, dazu kommen notwendige DOSB-Mitarbeiter und wichtige Gäste, etwa aus der Politik. Gerade bei dieser Wahl wäre eine Digitalveranstaltung wohl ungünstig. Aber auch so wird es eine besondere Aufgabe, aus einem spärlich besetzten Saal ein Signal des Aufbruchs zu geben.

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