Deutscher Olympischer Sportbund:Brisante Briefe

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Alter und neuer DOSB-Präsident: Thomas Weikert, 61, in Baden-Baden. (Foto: Uli Deck/dpa)

Der wiedergewählte DOSB-Präsident Thomas Weikert verspricht Offenheit und Transparenz. Dabei ist der 61-Jährige zunehmend selbst in Bedrängnis: wegen des Umgang mit anonymen Vorwürfen gegen seine Person und einer kostspieligen Affäre rund um seinen Vorgänger.

Von Johannes Aumüller, Baden-Baden

Kurz nach seiner Wiederwahl stand Thomas Weikert auf und ging von der Bühne noch mal an den Tisch, an dem er auf das Ergebnis der Abstimmung gewartet hatte. Und als der 61-Jährige zurückkam, war er mit ordentlich Marschgepäck beladen. Einen großen orangefarbenen Rucksack schleppte er mit sich, und wie er diesen ans Pult trug, wirkte das recht sinnbildlich für die aktuelle Situation. Denn Weikert wurde bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Baden-Baden zwar mit nur vier Gegenstimmen als Präsident bestätigt - aber seine Position ist spätestens seit diesem Samstag schwer belastet.

Der langjährige Tischtennis-Funktionär war nach der turbulenten Amtszeit von Alfons Hörmann vor einem Jahr angetreten, um den deutschen Sport wieder zu beruhigen. Tatsächlich wird dieser neuerlich aufgewühlt. Das liegt am Umgang der neuen Führung mit einer kostspieligen Affäre der Vergangenheit, unter die Weikert demonstrativ einen Haken setzt, obwohl viele Sportvertreter darüber empört sind - und am Umgang mit Vorwürfen gegen Weikert selbst. Der verspricht zwar gerne Transparenz, nun aber sieht er sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass es alles andere als offen und transparent zugeht.

Im deutschen Sport spielen anonyme Briefe eine gewichtige Rolle, seit im Mai 2021 ein Schreiben auftauchte, das dem damaligen Boss Hörmann eine "Kultur der Angst" vorwarf und letztlich zu dessen Aus führte. Seit Kurzem gibt es nun erneut anonym verfasste Schriftstücke, die zum Teil Weikert persönlich Fehlverhalten vorwerfen - und auch diese könnten nun wieder folgenreich werden, unabhängig vom Inhalt.

Der Triathlon-Boss verlangt mehr Offenheit bei den Briefen - der DOSB-Präsident geht darauf nicht ein

Der DOSB verweist bei diesem Thema stets darauf, dass die Schreiben zur Prüfung an die Ethikkommission weitergereicht worden seien. Das vom früheren Bundesinnenminister Thomas de Maizière geführte Gremium wiederum kam bei einer Prüfung zum Schluss, dass keine Einwände gegen Weikerts Kandidatur vorlägen. Am Samstag in Baden-Baden rückten diese Schreiben trotzdem in den Fokus, auf öffentlicher Bühne.

Dabei war es zunächst Weikert selbst, der sie thematisierte. Jeder anonyme Brief werde seriös behandelt, versicherte er in seiner Rede. Aber dass jeder anonyme Brief der letzten Zeit "allein das Ziel hatte, Missstände oder Verfehlungen aufzuzeigen, das wage ich sehr zu bezweifeln". Vielmehr erscheine es ihm, dass so "persönliche Interessen befriedigt und vor allem Unruhe in den eingeleiteten Neuaufbau des Verbandes" gebracht werden solle.

Das wollte Martin Engelhardt, der Präsident der deutschen Triathleten, so nicht stehen lassen. In einem ungewöhnlich scharfen Wortbeitrag prangerte er nicht nur das Verhalten der früheren Führung an, sondern erklärte auch, dass er sich eben mehr Transparenz im Umgang mit den aktuellen Briefen wünsche - zumal, hielt er fest, ohnehin der ganze Saal wisse, was drinstehe. Weikert aber ging in seiner Replik auf diesen Aspekt Engelhardts nicht ein; und in der Pressekonferenz später erklärte er auf Nachfrage, er habe dessen Einlassung nicht so empfunden.

Die Verteidigungslinie der neuen DOSB-Führung ist klar: Die Vorwürfe seien Privatsache, die Ethiker seien die richtigen Ansprechpartner dafür - und für die sei ja alles in Ordnung. "Da kann ich aus meiner Sicht ja mehr auch nicht machen", sagte Weikert, der um Verständnis warb, "dass ich dann auch Dinge, die a) nur im anonymen Bereich und b) in der Privatsphäre abspielen, nach außen nicht weiter kommentiere". Auch auf den Vorhalt, dass der Umgang nicht dem versprochenen Gebot der Transparenz entspreche, hielt Weikert fest, dass der Vorgang ausführlich geprüft worden sei.

Tatsächlich ermöglichen die Ethiker dem DOSB durchaus einen anderen Umgang gegenüber den Mitgliedern und der Öffentlichkeit. Man habe "nicht offengelassen oder ausgeschlossen", dass der DOSB den Prüfbericht zu den aktuellen anonymen Briefen veröffentlicht, teilt Ethikchef de Maizière der SZ mit. Man habe nur gesagt, dass seine Kommission von sich aus keine Öffentlichkeitsarbeit machte.

700 000 Euro in der Hörmann-Affäre: Man habe das aufgearbeitet und könne nicht mehr tun, findet Weikert

Die Haltung rund um die Briefe passt zu der zurückhaltenden Positionierung der neuen DOSB-Führung in der Affäre um die Vorgänge unter Ex-Präsident Hörmann. Nach der Publikation des "Kultur der Angst"-Briefes waren aus Hörmanns Beharrungskampf diverse Attacken und juristische Schritte erwachsen - und große Kosten. Laut einer Kommission um den früheren BGH-Richter Clemens Basdorf wurden mehr als 700 000 Euro ausgegeben, die der DOSB so aufschlüsselt: 283 000 Euro für Krisenkommunikation; 63 000 Euro für Medien- und Strafrechtler sowie Sprachgutachten, durch die der Verfasser des anonymen Briefes ausfindig gemacht werden sollte; 40 000 Euro für die IT-Sicherheit; 296 000 Euro für eine Kulturanalyse und ohnehin angedachte Maßnahmen für die Kulturentwicklung.

Die Summen sind beträchtlich. Die Basdorf-Kommission resümierte das Verhalten als fragwürdig, aber strafrechtlich nicht relevant. Und der DOSB? Will den Deckel draufmachen. Weikert findet, man habe das Thema aufgearbeitet, mehr könne man nicht machen. Hörmann verteidigt das Vorgehen ohnehin. Und bei der Entlastung der damaligen Verantwortlichen gab es nun bloß 37 Gegenstimmen.

Aber abgesehen vom Geld geht es ja auch um die tiefen Wunden der damaligen Zeit. Weikert entschuldigte sich nun zwar. Aber wie viel das wert ist, zeigte sich bei der Einlassung von Triathlon-Boss Engelhardt. Der führte noch mal eindrücklich aus, in welchem "erschreckenden Ausmaß" gegen die Werte des Sports verstoßen worden sei. Engelhardt selbst war in der Hörmann-Zeit verklagt worden wegen einer Formulierung in einem Protokoll zu einem Treffen von Hörmann-Kritikern. Nun erinnerte er noch einmal daran, dass die Klage die damalige Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker und der Finanzvorstand Thomas Arnold gezeichnet hätten. Als Weikert entgegnete, dass er sich doch entschuldigt habe und er mehr nicht machen könne, saß in der Reihe hinter dem DOSB-Präsidenten und dessen Rucksack: der Finanzvorstand Arnold, der damals die Klage unterzeichnet hatte.

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