Deutscher Fußball-Bund:Umbau im Kleinen

Der DFB findet einen neuen Akademie-Chef. Ansonsten sind nach dem Aus bei der Weltmeisterschaft personell noch viele Fragen offen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Tobias Haupt ist niemand, der in der Fußballszene einen üppigen Bekanntheitsgrad besitzt. Der 34-Jährige ist ein Wirtschaftswissenschaftler, ein Vermarkungs- und Digital-Experte. Seit 2014 arbeitet er als Professor bei einer privaten Einrichtung namens "Internationales Fußball-Institut". Und ab dem 1. Oktober soll Haupt nun einen weitaus bekannteren Job übernehmen: die Leitung der neuen Akademie in Frankfurt, dem "Jahrhundertprojekt" des Deutschen Fußball-Bundes.

Haupts Ernennung ist schon deswegen interessant, weil es überhaupt mal eine DFB-Personalmeldung gibt in diesen Tagen, in denen der deutsche Fußball so intensiv über die Konsequenzen aus dem Vorrunden-Scheitern bei der WM in Russland debattiert - und den fragwürdigen Umgang mit den begleitenden Themen wie den Erdoğan-Fotos. Angesichts der schwierigen Situation wären ja eher Wechsel in zentraleren Positionen zu erwarten, aber das bleibt offenkundig aus.

Die drei Hauptverantwortlichen - Bundestrainer Joachim Löw, Nationalelfmanager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Reinhard Grindel - bleiben unverdrossen im Amt, auch wenn für Löw (Länderspiel gegen Weltmeister Frankreich am 6. September) und Grindel (Vergabe der EM 2024 am 27. September) bald neue Termine anstehen, an denen sie im Fall eines Misserfolges unter Druck geraten können. Und auch bei der Mannschaft sieht es nicht nach einem großen Schnitt aus.

Als Löw und Bierhoff in der vergangenen Woche erst bei Vertretern der Liga und am Freitag im DFB-Präsidium zu Gast waren, sollen sie dort keine näheren Angaben über personelle Korrekturen gemacht haben. Nur allgemein sei eine Verkleinerung des umfangreichen Betreuerstabes rund ums Team angekündigt worden, heißt es aus Kreisen der Teilnehmer; die Scouting-Abteilung soll einem Umbau unterzogen werden. Auch ein neuer Sportdirektor soll bald kommen.

Am Mittwoch will Löw in München seinen Kader für die nächsten Spiele gegen Frankreich und Peru (9. September) sowie seine WM-Analyse vorstellen. Es liegt auf der Hand, dass es einige Neulinge und Rückkehrer gibt, und der Trainer entsprechend ein Signal des Aufbruchs inszenieren könnte. Der Leverkusener Kai Havertz und der Augsburger Philipp Max sowie Leroy Sané (Manchester City) zählen zu den Kandidaten. Aber es ist eher fraglich, ob Löw viele seiner arrivierten Teammitglieder verbannen wird. Erster Streichkandidat neben den zurückgetretenen Mesut Özil und Mario Gomez ist Sami Khedira.

Neben dem sportlichen Ressort ging es seit dem Scheitern bei der WM freilich auch um die Positionierung der Nationalelf - und die breite Kritik an den Auswüchsen im Kommerzialisierungs- und Vermarktungsbereich, die sich in dem vor einigen Jahren eingeführten Claim "Die Mannschaft" konzentriert. Nun soll im Präsidium vorgetragen worden sein, dass gemäß einer Umfrage das Image von "Die Mannschaft" gar nicht so negativ sei. Dabei ist ohnehin die Frage, ob es in der Debatte nicht einer schärferen Trennung bedarf: zwischen dem Namen "Die Mannschaft" einerseits und dem Inhalt, der sich in den vergangenen Monaten dahinter verbarg.

Die Bauarbeiten für die Akademie haben immer noch nicht begonnen

In jedem Fall ist es vor diesem Hintergrund bemerkenswert, dass sich Bierhoff - der als DFB-Direktor Leistungssport für die Akademie zuständig ist - just für einen Vermarktungs-Fachmann wie Haupt als neuen Chef entschieden hat. Und nicht für jemandem mit einem sportfachlichen Hintergrund, zumal der frühere Hockey-Bundestrainer Markus Weise schon seit zwei Jahren als Leiter für die Konzeptentwicklung der neuen Akademie arbeitete.

Die Akademie, die auf dem Areal der Frankfurter Galopprennbahn entstehen soll, ist für den Verband ein besonderes Projekt. Zirka 150 Millionen Euro soll sie kosten. Einerseits handelt es sich dabei um den Neubau der Verbandszentrale, andererseits soll es eine Art wissenschaftliches Zentrum sein, mit dem der DFB wieder vorankommen will. Viele der nach dem WM-Aus diskutierten Themen wie eine bessere Nachwuchsarbeit und eine fortschrittlichere Trainerausbildung sollen dort vernetzt und weiterentwickelt werden.

Die Frage ist nur, wann es auch dazu kommt. Seit 2014 gibt es beim Verband den grundsätzlichen Beschluss für das Projekt. Aber nach langen juristischen Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Frankfurt und dem Frankfurter Renn-Klub als bisherigem Nutzer des Areals haben die Bauarbeiten immer noch nicht begonnen. Der Verband ist gerade dabei, einen Generalunternehmer auszusuchen. Ursprünglich sollte der Bezug Ende 2018 erfolgen, inzwischen ist er fürs erste Quartal 2021 avisiert.

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