Süddeutsche Zeitung

Deutscher Fußball-Bund:Neue juristische Züge

Im Rahmen der Ermittlungen zur Sommermärchen-Affäre der WM 2006 will der frühere DFB-Präsident Zwanziger bei seiner Selbstverteidigung nun selbst klagen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Die Millionen-Schiebereien rund um die Fußball-WM 2006 sind in zwei große strafrechtliche Verfahren gemündet: Eins läuft in Frankfurt wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, eins in Bern wegen des Verdachts auf Betrug. Daneben gibt es in dieser verwinkelten Sommermärchen-Affäre aber noch andere juristische Vorgänge - und nun nach SZ-Recherchen zwei weitere.

Demnach forderte Theo Zwanziger, früher Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und in den Strafverfahren Mitangeklagter, kürzlich zwei Personen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf: den aktuellen DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge sowie den früheren DFB-Funktionär Horst R. Schmidt, ebenfalls Angeklagter in beiden Verfahren. Beide unterschrieben nicht, aber offenkundig geht das Thema weiter. Gegen Osnabrügge will Zwanziger sogar klagen.

Anlass ist ein Satz des Schatzmeisters beim DFB-Bundestag im September. Im Kontext mit der WM-Affäre sagte er in seiner Rede, es sei nicht richtig, den DFB zu bestrafen, "nur weil einzelne Handelnde den moralischen Anforderungen an ihr Amt nicht nachgekommen sind und einen falschen Verwendungszweck für eine Betriebsausgabe angegeben haben".

Zwanziger, im WM-Organisationskomitee (OK) 2006 für Finanzen zuständig, wehrt sich dagegen, einen "falschen Verwendungszweck" angegeben zu haben: "Ich kann immer gut mit Menschen umgehen, die erkennen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Aber wenn das nicht geschieht, muss man die Schritte einleiten, die notwendig sind, um eine Ehrverletzung aus der Welt zu schaffen, also klagen", so Zwanziger nun. Der DFB teilt mit, Osnabrügge habe in Bezug auf Zwanziger gar keine Behauptung aufgestellt. Die tatsächliche Erklärung sei im Konjunktiv gehalten. Es handele sich "eindeutig nicht um das Aufstellen einer Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung bezogen auf eine als möglich dargestellte Sachverhaltskonstellation".

Hintergrund ist die Überweisung des DFB über 6,7 Millionen Euro im April 2005. Drei Jahre zuvor hatte der ehemalige Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus dem deutschen WM-Chef Franz Beckenbauer ein Darlehen über zehn Millionen Schweizer Franken gewährt. Der Zweck ist bis heute unklar. Den anderen WM-Machern Zwanziger, Schmidt und Wolfgang Niersbach war der Kredit bekannt, doch trotz ständiger Forderungen durch Dreyfus ergab sich keine Lösung für die Rückzahlung. Am 8. April 2005 ließ sich das OK von seinem Aufsichtsgremium genehmigen, der Fifa als Beteiligung an der damals geplanten, später abgesagten Eröffnungsgala sieben Millionen Euro zu überweisen. 19 Tage später überwies es 6,7 Millionen, Verwendungszweck "Gala". Die Fifa überwies dieselbe Summe sofort mit anderem Verwendungszweck an Dreyfus. Damit war der Kredit getilgt.

Für die Ermittler liegt eine Täuschung vor. Zwanziger beteuerte stets, er habe niemanden getäuscht: Das Geld des OK sei für die Gala bestimmt gewesen. Er habe erst nach der Überweisung von einem Zusammenhang mit dem Kredit erfahren. Die Ermittler halten dies für unglaubwürdig, wie sie in der Anklage ausführen. Dabei stützen sie sich unter anderem auf eine Aussage Schmidts.

2016 hatte dieser bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt umfangreich erklärt, welche Probleme es bei der Rückzahlung gegeben habe und wie er sich an die Fifa gewandt habe, um mit dieser das Problem zu lösen. Unter anderem sagte Schmidt, Zwanziger und er hätten gewusst, dass die angebliche Beteiligung an der Gala eine Legendierung des eigentlichen Zahlungszwecks gewesen sei.

Inzwischen klingt das aber ganz anders. Wie zunächst dpa berichtete, hielt Schmidt 2017 in einem Memo fest, die 6,7 Millionen hätten nichts mit dem Kredit zu tun; es habe keine Täuschung gegeben. Zudem heißt es in einer Eingabe seines Schweizer Anwaltes, von einer Legendierung könne keine Rede sein.

Das ist also eine Korrektur. Schmidts Frankfurter Anwalt Tilman Reichling sagt dazu: "Der gesamte Vorgang ist geprägt von dem erneuten Versuch eines Beteiligten, sich durch Wortklaubereien und die selektive Streuung von Informationen an die Presse in der Öffentlichkeit zu entlasten." Man werde sich an diesem Spielchen, das für die strafrechtlichen Verfahren keine Relevanz habe, nicht beteiligen. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen seinen Mandanten seien falsch.

Und was bedeutet das für die Unterlassungserklärung, die Zwanziger von Schmidt wollte? Schmidt-Anwalt Reichling findet, es sei ein "wohl einmaliger Vorgang", dass ein Angeklagter auf andere Verfahrensbeteiligte in dieser Form einzuwirken versuche. Zwanziger sagt, inhaltlich sei der Vorgang durch die Korrektur erledigt. Es sei bedauerlich, dass es erst so spät erfolgt sei: "Weshalb seine Anwälte es nicht früher gemacht haben, erschließt sich mir nicht und möchte ich im Moment auch nicht näher bewerten. Jedenfalls ist das Unterlassungsverlangen gerade deshalb noch nicht endgültig vom Tisch."

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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