Deutscher Eishockey-Bund:Checks und Dysbalancen

Rene FASEL (SUI / Präsident IIHF, re.) mit Franz REINDL ( GER / DEB Sportdirektor und Generalskretär), Eröffnungspiel:; x

Gute Freunde: DEB-Präsident Franz Reindl, links, und René Fasel, Präsident des Weltverbands IIHF, beim Eröffnungsspiel der WM 2010 in der Fußball-Arena auf Schalke. Im Rennen um die Nachfolge Fasels scheiterte Reindl kürzlich an dem Franzosen Luc Tardif.

(Foto: Sven Simon/Imago)

Mehrere Landesverbände werfen dem DEB-Präsidenten Franz Reindl schwere Amtsverfehlungen vor. Es geht um mögliche verdeckte Zahlungen durch den Vermarkter Infront. Die Ethik-Kommission des DOSB sieht dringenden Klärungsbedarf.

Von Johannes Schnitzler, München

Wie schnell man vom Favoriten zum Wahlverlierer abrutschen kann, darüber könnte sich Armin Laschet einmal mit Franz Reindl austauschen. Wobei: Laschet hat noch eine Minimalchance, Bundeskanzler zu werden. Reindls Option auf die Präsidentschaft in der Internationalen Eishockey-Föderation (IIHF) ist dagegen passé. Beide zogen am letzten September-Wochenende den Kürzeren: Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), einen Tag vor der Bundestagswahl, bei der Laschet und die Union ein historisches Stimmentief hinnehmen mussten. Grund für Reindls Niederlage gegen den Franzosen Luc Tardif war aber kein falsch gesetztes Lachen im Flutgebiet oder ein Youtube-Video à la Rezo, das die Vernichtung des DEB propagiert hätte. Sondern, wie Reindl es formulierte, "verbotene Checks von hinten". Reindl meinte jene Vorwürfe aus den Landes-Eissportverbänden, die seit Juni gegen ihn im Raum stehen.

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Es geht um mögliche Interessenkonflikte als ehrenamtlicher DEB-Präsident einerseits und bezahlter Geschäftsführer der DEB GmbH andererseits, um eventuell unerlaubte Vorteilsnahme und das womöglich allzu enge Verhältnis zum Schweizer Sportrechte-Vermarkter Infront Sports & Media, das wiederum gegen Statuten der IIHF verstoßen könnte. Nun hat die Ethik-Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auf entsprechenden Hinweise reagiert. In einer Stellungnahme an das DEB-Präsidium und die Landes-Eissportverbände, die der SZ vorliegt, schreibt der Vorsitzende Thomas de Maizière, die Kommission rate "dringend" dazu, den Sachverhalt "im DEB umfassend und unabhängig zu prüfen". Es müsse geklärt werden, so der ehemalige Bundesinnenminister, "ob eine verdeckte Finanzierung der ehrenamtlichen Funktion des Präsidenten vorliegt".

Erstmals hatten der Spiegel und die Augsburger Allgemeine Anfang Juni über mögliche verdeckte Einkünfte Reindls berichtet. Pikanterweise, während die Weltmeisterschaft in Lettland lief, und just an dem Tag, als Reindl seine Kandidatur für das IIHF-Präsidentenamt bekannt gab. Unter anderem ging es um ein Monatsgehalt von 7500 Euro, das Reindl als Geschäftsführer der DEB GmbH kassiert haben und das sich durch Zusatz- und Nachzahlungen auf 9000 Euro summiert haben soll. Seit 1994 führte Reindl, 66, die Geschäfte der DEB-Tochter, die vor allem für die Organisation der Heim-Weltmeisterschaften 2001, 2010 und 2017 zuständig war. Alles bekannt, verteidigte sich Reindl, seit 2014 Präsident des DEB. Die Tätigkeit als Geschäftsführer der DEB GmbH sei sein Job gewesen: "Damit habe ich mein Geld verdient. Für meine Arbeit als Präsident gab es nie einen einzigen Cent."

Vermarkter Infront war zu 50 Prozent an der DEB GmbH beteiligt - und finanzierte damit Reindls Gehalt

Die Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein richteten hingegen ein Auskunftsbegehren an den DEB. Gegenstand war unter anderem die Rolle von Infront. Die Schweizer waren zwischen 2013 und 2018 neben dem DEB mit 50 Prozent als Gesellschafter an der DEB GmbH beteiligt - und finanzierten somit Reindls Geschäftsführer-Gehalt mit. Die Landesverbände wollten unter anderem erklärt haben, wie Reindl als DEB-Präsident mit dem Geschäftspartner Infront verhandeln und gleichzeitig als Geschäftsführer der DEB GmbH die Interessen von Infront gegenüber dem DEB vertreten könne, ohne sich in einen Interessenkonflikt zu verstricken.

Überdies soll Infront die defizitäre GmbH, die nie einen Gewinn an den DEB abgeführt habe, finanziell gestützt und vor der Insolvenz bewahrt haben - etwa als Infront 2018 auf die Rückzahlung eines 300 000-Euro-Darlehens verzichtet habe. Dafür habe Infront über Jahre exklusiv zu stabilen Konditionen die Vermarktungsrechte an der Nationalmannschaft erhalten, obwohl diese spätestens mit der Ausrichtung der Heim-WM 2017 erheblich höhere Erträge hätten abwerfen können. Die Nationalmannschaft, das muss man wissen, ist im Grunde der einzige Bereich, mit dem der DEB Geld verdient, über die Teilnahme an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sowie den Deutschland Cup. Geld, das wiederum die Landesverbände - zumal nach eineinhalb Jahren Pandemie - brauchen, um Nachwuchs auszubilden und die Basis für künftige Nationalspieler-Generationen zu legen.

Reindl sagte damals im Juni, "mit rudimentärem Insiderwissen" und "teilweise falsch dargestellten Zahlen" werde gezielt versucht, "transparente und bekannte Geschäftsvorgänge zu verdrehen, um den Verband und einzelne Personen zu beschädigen". Seit dem Vertragsende zum 31. Juli 2020 führe er auch seine Tätigkeit bei der DEB GmbH als "administrativer Geschäftsführer" aus - ehrenamtlich also. Das Präsidium, ließ Reindl mitteilen, werde dem berechtigten Auskunftsbegehren dreier "eher kleinerer Landes-Eissportverbände" dennoch "im Rahmen der Informationsverpflichtungen" nachkommen. Zugleich verbreitete der DEB ein Schreiben, in dem sich zwölf der 15 Landesverbände von den anderen drei distanzierten und sich mit Reindl solidarisch erklärten.

Unter seiner Führung habe sich der Verband "sportlich, wirtschaftlich und organisatorisch konsolidiert", verteidigt sich Reindl

Reindls Hinweis auf die "kleineren Verbände" verstanden jene offenbar als Geringschätzung. Nach SZ-Informationen sollen außerdem mehrere Landesverbände ihre Solidaritätserklärung später zurückgezogen haben. Die von Reindl stets beschworene Transparenz habe es nicht gegeben. So seien etwa, anders als von Reindl dargestellt, Einlagen von Infront in die DEB GmbH nicht oder nicht vollständig in Mitgliederversammlungen offengelegt worden. Die Verlängerung des eigentlich bis 2018 befristeten Geschäftsführervertrags Reindls bis Ende Juli 2020 erscheint den verbandsinternen Kritikern wie eine Art Überbrückungsgeld bis zum möglichen Renteneintritt Reindls. Dieser begründete die Fortführung der bezahlten GmbH-Tätigkeit mit der Abwicklung der Heim-WM 2017 und Konzepten für weitere WM-Bewerbungen.

Ist dem Verband durch die persönliche Nähe Reindls zu Infront womöglich ein Vermögensnachteil entstanden? Infront-Präsident Philippe Blatter, ein Neffe des ehemaligen Fifa-Chefs Sepp Blatter, engagierte sich 2014 in der DEB-Mitgliederversammlung als Fürsprecher des Präsidentschaftskandidaten Reindl, ebenso der damalige IIHF-Präsident René Fasel. Der Schweizer, der nun nach 27 Jahren sein Amt niedergelegt hat, machte nie ein großes Geheimnis daraus, dass Reindl sein Wunschnachfolger wäre. Dieser trat mit dem Slogan "Coordination and balance" an, was ungefähr so klingt wie "Checks and Balances", das in USA geübte System zur Kontrolle staatlicher Gewaltenteilung. Bei der IIHF-Wahl im September scheiterte Reindl indes im vierten Wahlgang mit 39:67 Stimmen deutlich an dem in Kanada geborenen Franzosen Luc Tardif.

Dabei könnte auch eine Rolle gespielt haben, dass Reindl, seit 2016 Mitglied im IIHF-Council, dem obersten Gremium des Weltverbands, als bezahlter Geschäftsführer der bis 2018 von Infront als "beherrschendem Gesellschafter" gestützten DEB GmbH gegen IIHF-Statuten verstoßen habe könnte: Die IIHF untersagt Council-Mitgliedern eine bezahlte Anstellung bei einem kommerziellen Geschäftspartner. Auch die IIHF und Infront sind Kooperationspartner, der aktuelle Vertrag bringt dem Weltverband bis 2033 insgesamt rund 450 Millionen Euro - ausgehandelt unter anderen von Franz Reindl.

Reindl, noch im Mai als Favorit für die Fasel-Nachfolge hoch im Kurs, sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Vor dem IIHF-Wahlkongress sagte er der SZ, der DEB habe sich unter seiner Führung "sportlich, wirtschaftlich und organisatorisch konsolidiert". Der sportliche Aufschwung mit Olympia-Silber 2018, WM-Halbfinale 2021 und dem Aufrücken in der Weltrangliste auf Platz fünf habe dem deutschen Eishockey international hohes Ansehen eingetragen. Gleichzeitig bietet der DEB das Bild eines gespaltenen Verbandes. Mitglieder berichten, sie würden vom Präsidium unter Druck gesetzt. Die Kassandrarufe mehrerer Landesverbände, das deutsche Eishockey steuere auf einen "handfesten Skandal" zu, hätten "sicher einen negativen Einfluss auf die Wahl gehabt", sagte Reindl.

Marcel GOC links GER mit der Silbermedaille Umarmung mit Franz REINDL Praesident DEB 2 Platz; Eishockey

Höhepunkt einer Funktionärskarriere: Franz Reindl gratuliert Kapitän Marcel Goc 2018 zum Gewinn der olympischen Silbermedaille. Das deutsche Team führte gegen das Team der Olympischen Athleten aus Russland 55 Sekunden vor Schluss sensationell 3:2 und unterlag erst nach Verlängerung 3:4. Es war der größte Erfolg für das deutsche Eishockey. 1976, als Deutschland Bronze gewann, stand Reindl selbst auf dem Eis.

(Foto: Anke Waelischmiller/Sven Simon/Imago)

Welche Folgen die Vorwürfe für Reindl und den DEB noch haben, ist fraglich. Sowohl Thomas de Maizière als auch Felix Rettenmaier, Ombudsmann beim DOSB, betonen, dass der Dachverband für den Sachverhalt grundsätzlich nicht zuständig sei. Die Ethik-Kommission sieht laut de Maizière aber "die Klärung innerhalb der DEB-Strukturen als erforderlichen und wichtigen Schritt an". Für die verbandsinterne Bewertung müsse "die Frage der transparenten Offenlegung und Kommunikation der Konstruktion zwischen dem ehrenamtlichen Präsidentenamt und der Tochtergesellschaft sowie die Berücksichtigung des Willens der Mitglieder des DEB von Bedeutung sein". Dies werde "selbstverständlich" geschehen, teilte dazu der DEB mit.

Hier beißt sich die Katze allerdings in den Schwanz. In einem vertraulichen Vorbericht an die Ethik-Kommission, der der SZ ebenfalls vorliegt, schreibt Rechtsanwalt Rettenmaier: Der Hinweisgeber habe "glaubhaft versichert, innerhalb des DEB keinen adäquaten Ansprechpartner zu haben, der seinen Hinweisen neutral, transparent und im Rahmen eines fairen Verfahrens nachgeht". Eine "abschließende Beurteilung einer möglichen Strafbarkeit des Herrn Reindl wegen Untreue oder Bestechlichkeit" sei ohne eine "vertiefende gesellschaftsrechtliche Prüfung" nicht möglich. Gleichwohl bestünden "in einigen Punkten zureichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Missbrauchs der Vermögensbetreuungspflicht durch Herrn Reindl", so dass "ein Anfangsverdacht (...) für eine Straftat" vorliege.

"Es gibt kein Verfahren gegen den DEB, Präsidium oder den Präsidenten", stellt der DEB dazu fest. Gegen den vom DOSB erwähnten Hinweisgeber seien rechtliche Schritte eingeleitet worden.

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