Deutsche WM-Bilanz:Linker Haken

Nordische Ski-WM Seefeld

Gemischter Jubelchor: Markus Eisenbichler, Katharina Althaus, Juliane Seyfarth und Karl Geiger (von links) siegen in Seefeld im Quartett.

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Das Fazit des DSV fällt zwischen Freude und Ernüchterung aus. Die Konzepte beider Sprungteams sind aufgegangen.

Von Volker Kreisl, Seefeld

Will man den deutschen Auftritt bei dieser Weltmeisterschaft in Seefeld durch eine einzige Geste veranschaulichen, so könnte das der linke Haken von Werner Schuster sein. So oft wie diesmal hat der Skisprungtrainer der DSV-Männermannschaft noch nie in die Luft geboxt. Entzückung lag darin, wenn nach Bestweiten immer wieder die Schuster-Faust hochschnellte, und doch wirkte er immer auch etwas ungläubig dabei, als könne er es nicht fassen, dass er dies noch einmal erlebte: nämlich, dass seine Skispringer, wie er sagte, "den Bergisel einreißen".

Schuster verlässt seinen Posten als Cheftrainer zum Saisonende. Am ersten WM-Wochenende hatte sein Quartett, speziell Markus Eisenbichler und Karl Geiger, nun auf der schwierigen Großschanze am Bergisel südlich von Innsbruck zwei Gold- und eine Silbermedaille gewonnen, woraufhin sich auch die restliche deutsche Mannschaft zu beachtlichen Leistungen steigerte. Sechs Goldmedaillen waren es, dazu drei silberne, weshalb die Führung des Deutschen Skiverbandes am Ende entsprechend zufrieden war. "Ich kann ein positives Fazit ziehen", sagte DSV-Präsident Franz Steinle am Sonntag zum Abschluss. "Wir haben es wieder hingekriegt, auf den Punkt die Leistung zu bringen", erklärte Sportdirektorin Karin Orgeldinger.

Das lag auch daran, dass nicht nur die gewohnten Leistungssparten Kombination und Skispringen in Form waren, sondern auch die zwischendurch international abgehängte Abteilung Langlauf. Die ersten Tage zeigten, dass das Aufbautraining, das unter dem neuen Bundestrainer Peter Schlickenrieder langfristig ausgerichtet ist, offenbar funktioniert. Einige WM-Ankünfte unter den besten 20 und auch ein fünfter und neunter Platz von Viktoria Carl entsprechen dem allgemeinen Plan - und der Idee, sich statt Medaillen zunächst realistische Ziele vorzunehmen. "Die Welt ist bunt. Sie ist nicht bloß schwarz und weiß", sagte Schlickenrieder.

Getrübt hat die Grundstimmung und somit auch den Ton allerdings der vergangene Mittwoch, der zwar ein durchschlagender Erfolg wurde, allerdings nicht für die Siegbilanzen der Verbände, sondern für den Anti-Doping-Kampf. Weil das Zentrum des Bebens beim Sportarzt Mark Schmidt in Deutschland liegt, weil Dutzende weitere Täter aus vielen Sportarten nun ermittelbar sind, ist der Verdachtskreis automatisch angewachsen. Steinle erklärte zum Abschluss noch einmal: "Nach unseren Recherchen ist im DSV kein Athlet in irgendeiner Betreuung bei diesem Arzt." Es blieb wie bei allen Föderationen weniger eine Klarstellung als eine Beteuerung, die letztlich auf Sportler-Aussagen beruht.

Dennoch hielt diese WM für die Deutschen insgesamt erstaunlich viele Überraschungen bereit, und das hatte hauptsächlich mit Skispringen zu tun. Einer der intensivsten Momente - auch am ersten Wochenende - war die unerwartete Rückkehr des bis dato schwer im Formtief springenden Rekord-Kombinierers Eric Frenzel. Auch er hatte dabei geholfen, den Bergisel als ewige deutsche Angstaufgabe zu überwinden. Auf einem dicken Luftkissen segelte er weit hinab, lief zu Gold und drei Tage später im Teamsprint zusammen mit Fabian Rießle gleich noch einmal.

Überlagert haben dies dann noch die Sprungspezialisten, die nicht nur Siege feierten, sondern auch die Tatsache untermauerten, dass das Training und das gesamte Konzept in beiden Mannschaften offenbar funktionieren. Zu betrachten war dies am Beispiel von Juliane Seyfarth, 29, und Karl Geiger, 26, jenen Sportlern, die nie als Versprechen für ihre Disziplin galten, schon lange dabei sind und spät nun doch noch in die Weltspitze aufrückten.

Die DSV-Abteilung verfügt im Skispringen über vielfältige Talente bei Frauen und Männern. Und schon die ganze Saison über wurde noch einmal ersichtlich, wie breit auch die A-Kader aufgestellt sind. Bei Schusters Männern sprang zuletzt fast jedes Jahr ein anderer um Titel und Siege mit, als habe er das Rotationsprinzip aus Ballsportarten eingeführt.

Deutlich wurde dies alles noch einmal zum Abschluss der Sprungwettbewerbe, beim Mixed-Springen. Die Oberstdorferin Katharina Althaus, selber Silbergewinnerin im Einzel, und Seyfarth, Eisenbichler und Geiger gewannen deutlich, Frauen-Trainer Andreas Bauer jubelte ausgelassen, auch Schusters linker Haken ging noch ein paarmal hoch.

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