Deutsche U21-Nationalmannschaft:Konsequenzen aus der Nachwuchs-Pleite

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Raus bei der EM: Kevin Volland und die deutsche U21. (Foto: Getty Images)

Das Scheitern der deutschen U21 und U19 entfacht beim DFB die Nachwuchs-Debatte. Dringender als zuvor wird ein neuer Sportdirektor gesucht - einer, der jenen roten Faden weiter knüpft, den Matthias Sammer und Robin Dutt einst fallen ließen.

Von Christof Kneer

Berti Vogts hat mal wieder was gesagt. Das ist interessant, weil man jetzt weiß, dass es ihn immer noch gibt. Eine Weile hat er sich ja geradezu ins Bild gedrängt, er hat es auf mysteriöse Art und Weise immer geschafft, dass seine Mannschaften in deutsche Qualifikationsgruppen gelost werden. Mit Schottland war das so, mit Aserbaidschan, aber zuletzt war er doch akut von der Vergessenheit bedroht.

Allerdings wird Berti Vogts auf mindestens ebenso mysteriöse Art und Weise immer noch als Experte konsultiert, wenn es die deutsche Nachwuchsarbeit zu hinterfragen gilt. Vogts gilt vielen hierzulande immer noch als Jugendminister, als einer, der Mitte der Neunzigerjahre packende Nachwuchskonzepte in der Schublade hatte, die nur leider nie jemand sehen wollte. Beim Verband dagegen wird zwar nicht direkt die Existenz von Berti Vogts, aber doch die Existenz der Schublade bezweifelt.

Am Dienstag sprach also Berti Vogts: "Man muss in der heutigen Zeit viel mehr Druck auf die Spieler ausüben. Die Spieler üben schon in jungen Jahren mit ihren Beratern Druck auf die Vereine aus, da darf man erwarten, dass etwas zurückkommt."

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Das ist nur einer der zahlreichen Ratschläge, die dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) gerade aufgedrängt werden. Den Ratschlag von Berti Vogts wird er eher nicht befolgen, aber die Inflation der Wortmeldungen ist kein gutes Zeichen. Nachdem der deutschen U21 bei der EM in Israel in zwei Spielen nur zwei Niederlagen gelungen sind, ist am Montagabend auch noch die deutsche U19 ausgeschieden, nach einem 0:1 gegen die Niederlande. Sie hat es nicht mal bis zum EM-Turnier geschafft, sie ist im Qualifikationsturnier hängengeblieben, als Gruppendritter, hinter den Niederländern und Norwegen. Und die U17 hat ihre EM bereits im März verpasst.

Man kann es - je nach Neigung - für bedauerlich oder für erholsam halten, dass Matthias Sammer nicht mehr Sportdirektor beim DFB ist. Er hätte für solche Fälle sicher ein paar todschicke Brandreden vorbereitet. Inzwischen ist aber auch schon Sammers Nachfolger Robin Dutt nicht mehr im Amt, weshalb es zurzeit keine zuständige Stimme im Verband mehr gibt, außer jener von Wolfgang Niersbach, der als Präsident für alles zuständig ist. Man dürfe sich nicht "auf dem ausruhen, was wir erreicht haben", ließ Niersbach vom U21-Turnier in Israel übermitteln, "und das tun wir auch nicht. Wir stellen gerade neben den rund 1000 von uns bezahlten Trainern noch mal 300 neue Honorartrainer ein." Das ist verdienstvoll, allerdings ist die Arbeit an der Basis offenkundig nicht das Problem.

Die deutschen Nachwuchstrainer Rainer Adrion (U21) und Christian Ziege (U19) sind keineswegs mit schlechten Mannschaften auf Reisen gegangen, und sie können auch mildernde Umstände in Anrechnung bringen. Sie haben beide bei ihren Turnieren schwere Gruppen erwischt, und sie haben beide auf ein paar zentrale Spieler verzichten müssen. Aber jenseits der Tagesaktualität holen den DFB nun offenbar die Spätfolgen aus jener Zeit ein, in der sich zwei Verbandsfraktionen in solider Abneigung verbunden waren.

Die Niederlagen der vergangenen Tage ändern nichts am hohen Niveau der deutschen Nachwuchsarbeit, dennoch hat das komprimierte Scheitern von U21 und U19 ein Problem anschaulich gemacht: Die langjährige Spaltung zwischen der A-Elf-Fraktion (Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff) und der ehemaligen Nachwuchsfraktion (Sammer) hat die Verwirklichung eines zentralen Anliegens verhindert.

"Was nach wie vor fehlt, ist eine einheitliche Spielphilosophie, die sich von der A-Mannschaft bis zu den Juniorenteams durchzieht", sagt Löws Assistent Hansi Flick, der zu jener DFB-Delegation zählt, die die U21 nach Israel begleitet. "Die Spanier oder Holländer könnte man in neutrale Trikots stecken, man würde am Spielstil immer erkennen: Aha, hier spielen die Spanier oder die Holländer", sagt Flick. "In beiden Ländern lehren sie in der U14 dieselben Positionsspiele wie bei den Profis."

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Diese Art von "Wiedererkennbarkeit" (Flick) ist längst auch das erklärte Ziel beim DFB, aber sie ist im Zuge der lauteren und leiseren Kampfhandlungen der Löw-Sammer-Kontroverse irgendwann auf der Strecke geblieben. Am Ende gab es ein paar Nachwuchstrainer, die sich dem Sammer-Lager zugehörig fühlten, es gab welche, die Löw durchgesetzt hatte (Adrion), sie alle haben ihren Job nach bestem Wissen und Gewissen und zum Teil sehr erfolgreich erledigt, wie die drei EM-Titel von U17, U19 und U21 in den Jahren 2007 und 2009 belegen. Aber einen konstruktiven strategischen Austausch zwischen dem A- und dem U-Lager gab es viel zu selten; die Sammer-Partei hat der Löw-Partei immer unterstellt, dass ihr Ausbildung wichtiger sei als Titel, während die Löw-Partie der Sammer-Partei immer unterstellte, ihr seien Titel wichtiger als Ausbildung.

Tatsächlich haben die deutschen Juniorenteams zuletzt quer durch die Altersklassen alle Arten von Spielen abgeliefert, sie spielten mal gut, mal weniger gut. Aber sie sahen einander nicht wirklich ähnlich.

Dieser Befund macht die aktuelle Personaldebatte im Verband noch aktueller. "Wir arbeiten daran, das richtige Anforderungsprofil für einen Sportdirektor zu erstellen", sagte Präsident Niersbach am Dienstag, "aber wir werden nicht unter Zeitdruck jemanden präsentieren." Unstrittig ist, dass jemand kommen muss, der jenen roten Faden wieder aufnimmt, den Sammer und Dutt aus unterschiedlichen Gründen fallen ließen; strittig ist, ob wieder ein Promi von außen kommt oder ob der Verband eine bereits angestellte Fachkraft wie Frank Wormuth, Horst Hrubesch oder Hansi Flick bestimmt, um die Aktivitäten der A- und U-Ressorts zu koordinieren und den Bundestrainer Löw womöglich zu noch größerer Anteilnahme an den Juniorenteams zu ermuntern.

Zwei Tendenzen deuten sich bereits an: Berti Vogts würde es bestimmt machen. Aber sie werden ihn eher nicht fragen.

© SZ vom 12.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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