Deutsche U21:Zurück in der Spur

Deutsche U21: Einer der Toschützen: Tom Krauß vom 1. FC Nürnberg.

Einer der Toschützen: Tom Krauß vom 1. FC Nürnberg.

(Foto: Titgemeyer/IMAGO/osnapix)

Nach einem holprigen Start als Nachfolger des erfolgreichen Trainers Stefan Kuntz führt Antonio Di Salvo die deutsche U21 souverän zur EM. Nun hängt viel davon ab, wie viel Spielzeit seine Talente in der Bundesliga bekommen.

Von Ulrich Hartmann

Ansgar Knauff ist 20 Jahre alt. Als junger Fußballprofi lernt er jeden Tag etwas dazu. Es ist zum Beispiel zweieinhalb Wochen her, dass er im Endspiel der Europa League gelernt hat, wie man wichtige, knappe Spiele gewinnt - und wie man anschließend richtig feiert. Mit Eintracht Frankfurt besiegte er die Glasgow Rangers, danach zeigten ihm seine routinierten Kollegen, wie man professionell auf die Pauke haut.

Nationalspieler in der deutschen U21-Auswahl geben relevante Erfahrungen aus dem Verein an ihre jungen Mitspieler weiter. Knauff als Europa-League-Sieger ist dieser Tage ein wichtiger Ansprechpartner für die deutschen Fußballtalente. Wie war das vor zweieinhalb Wochen in Sevilla? Und wie feiert man richtig? Knauff weiß da jetzt Bescheid. Als die U21 am Freitagabend in Osnabrück mit einem 4:0-Sieg gegen Ungarn die Qualifikation für die U21-Europameisterschaft 2023 perfekt gemacht hatte, ging Knauff voran und gab seine Erfahrungen aus Frankfurt weiter. Er sagte mit zunächst noch aller angemessenen Contenance: "Der Trainer hat gesagt: Wer Leistung bringt, darf auch feiern. Also glaube ich, machen wir das jetzt." Und dann feierten sie. Auch das gehört zum Fußball. Der U21-Bundestrainer Antonio Di Salvo sagte: "Sollen sie feiern; heute drücke ich beide Augen zu."

Di Salvo, 42, dürfte von allen am erleichtertsten sein. Er hat das Amt des U21-Bundestrainers vor acht Monaten von Stefan Kuntz übernommen. Kuntz, jetzt A-Nationaltrainer der Türkei, war sehr erfolgreich in diesem Job, er hat die älteste deutsche Nachwuchsauswahl drei Mal ins EM-Endspiel und zwei Mal zum Titel geführt. Di Salvo wurde nach Kuntzens Fortgang vom Assistenten zum Cheftrainer befördert und muss nun beweisen, dass er es genauso gut machen kann wie Kuntz.

Der Start verlief holprig. Im ersten Qualifikationsspiel unter Di Salvo ausgerechnet in seiner Heimatstadt Paderborn lag die deutsche Mannschaft gegen Israel bis zur 88. Minute 1:2 zurück. Dann drehten Kevin Schade (Freiburg) und Jonathan Burkardt (Mainz) mit zwei Treffern das Spiel binnen drei Minuten. Di Salvo war erleichtert, die U21 gewann das nächste Spiel 5:1 in Ungarn, doch schon einen Monat später erlitt sie Mitte November in Großaspach bei einer 0:4-Niederlage gegen Polen ein Debakel. Die Qualifikation für die EM geriet in Gefahr, und dies wäre das Schlimmste gewesen für die U21: zum ersten Mal seit 2011 (damals unter dem Trainer Rainer Adrion) wieder die Teilnahme an der EM zu verpassen.

Doch Di Salvo brachte seine Schützlinge zurück in die Spur. Es folgten vier Siege ohne jegliches Gegentor: 4:0 gegen San Marino, 4:0 gegen Lettland, 1:0 in Israel und am Freitagabend in Osnabrück das 4:0 gegen Ungarn durch Treffer von Youssoufa Moukoko (Dortmund), Jonathan Burkardt (Mainz), Tom Krauß (Leipzig) und Lazar Samardzic (Udine). "Ich bin sehr zufrieden mit dem Auftritt der Mannschaft", sagte Di Salvo, "unser großes Ziel war die Qualifikation für die EM." Insofern hat der neue U21-Bundestrainer zunächst alles erreicht, was nötig war. Die nächste noch wichtigere Prüfung erfolgt erst in einem Jahr, im Juni 2023 bei der EM in Rumänien und Georgien.

Zwölf Monate hat Di Salvo jetzt Zeit, seinen EM-Kader zu sichten und zu komponieren. Viel Einfluss auf die Leistungen der potenziellen Spieler hat er nicht, denn das ist davon abhängig, wie viel Gestaltungsspielraum diese Spieler in ihren Klubs bekommen. Insofern hofft der U21-Bundestrainer vor allem, dass möglichst viele Spieler möglichst viel Spielzeit erhalten. Knauff, Burkardt, Armel Bella Kotchap (Bochum), Luca Netz (Mönchengladbach) oder auch Jamie Leweling (Fürth, demnächst Union Berlin) sind da gute Beispiele. Sie haben in der vergangenen Saison viel gespielt. Dies in der kommenden Saison zu bestätigen, wird eine Herausforderung.

Für Leweling begann der Sommer am Freitagabend denkbar schlecht, er zog sich in der 9. Minute eine Knöchelverletzung zu. Im schlimmsten Fall ist ihm das Außenband gerissen. Eigentlich ist die Saison ja schon zu Ende, doch weil die WM in diesem Jahr erst im November in Katar losgeht, wurden die letzten U21-EM-Qualifikationsspiele vom Herbst auf jetzt vorgezogen. Ihr finales Spiel bestreitet die deutsche Mannschaft am Dienstag in Lodz gegen Polen. Es geht dort um nichts mehr. Entsprechend vorsichtig werden sie zu Werke gehen.

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