Deutsche Staffel gewinnt WM-Gold:"Egal, die Mädels waren super"

Kurioser Auftritt der deutschen Biathlon-Frauen: Miriam Gössner stürzt, Magdalena Neuner muss in die Strafrunde - am Ende siegt die deutsche Staffel trotzdem vor Frankreich und Norwegen. Diesmal sind es jedoch Neuners Kolleginnen, die das Gold sichern.

Carsten Eberts, Ruhpolding

Ein wenig hatte die deutsche Staffel-Aufstellung vor dem Start verwundert. Magdalena Neuner war dabei, natürlich, aber warum bereits an Position zwei? Die WM-Staffel 2011 in Chanty Mansijsk hatte sie noch als Schlussläuferin zu Gold geführt, diesmal verfolgten die Bundestrainer eine andere Taktik: Als Zweite sollte Neuner das deutsche Quartett komfortabel in Führung laufen - damit Andrea Henkel als Schlussläuferin die Gold-Medaille nur noch absichern muss.

IBU Biathlon World Championships - Women's Relay

Der bisherige Höhepunkt der WM: Neuner und Gössner holen Gold mit der Staffel

(Foto: Bongarts/Getty Images,)

Das Konzept ging nicht auf, überhaupt nicht - es reichte trotzdem zum erneuten Titelgewinn: Nach einem kuriosen Auftritt mit elf Schießfehlern und gar einer Strafrunde von Magdalena Neuner holte das deutsche Quartett das ersehnte Staffel-Gold. Und ließ sich von den 28.000 Fans in der Ruhpoldinger Arena allerkräftigst feiern.

"Magdalena Neuner hat schon so viele Staffeln für uns gewonnen, heute haben es eben die anderen für sie gewonnen", jubilierte Bundestrainer Uwe Müssiggang nach der eher durchwachsenen Leistung seiner besten Athletin, "das macht uns viel Mut für die Zukunft." Zweite wurden die Französinnen, Rang drei ging an Norwegen.

Bis zu diesem Rennen war der deutsche Staffelwinter ja sehr deprimierend verlaufen. Nicht ein einziges Mal schafften es Neuner und Co. aufs Podest, vermasselten eine Staffel nach der anderen. Woran es lag, konnte niemand genau benennen. Nun aber die WM-Staffel, die all die anderen unglücklichen Auftritte vergessen machen konnte.

Es begann Tina Bachmann, für die diese WM bislang auch noch nicht nach Wunsch verlaufen war. Doch Bachmann lieferte ihr bestes Rennen der vergangenen anderthalb Wochen ab: Liegend mit nur einem Nachlader, stehend gar ohne Fehler übergab Bachmann als Zweite, nur 0,6 Sekunden hinter den Französinnen, auf Neuner. "Ich bin stolz auf mich, wie ruhig ich beim Stehendanschlag geblieben bin", sagte Bachmann im Ziel.

Neuner schaffte es gleich, über fünf Sekunden zwischen sie und die Französin Sophie Boilley zu legen. Die deutsche Taktik ging also auf - bis zum ersten Schießen: Nicht die Konkurrenten, sondern Neuner selbst geriet unter Druck, brauchte alle drei Nachlader, ging mit einem Rückstand von 9,8 Sekunden auf die Slowakin Anastasia Kuzmina zurück auf die Strecke.

"Alles oder nichts" von Gössner

Kuzmina hatte Neuner kurz darauf freilich wieder gestellt, es kam zum zweiten Schießen. Dort vergab Neuner die gute deutsche Ausgangsposition endgültig, als sie vier Schüsse daneben setzte, in die Strafrunde musste und schließlich mit 10,4 Sekunden Rückstand auf Frankreich an Miriam Gössner übergab. "Es ist einfach komisch, weil ich bei dieser WM im Training noch keinen einzigen Schießfehler hatte", zeigte sich Neuner ratlos. Sollte ihre Schießleistung der Staffel die erhoffte Titelverteidigung kaputt machen?

Der seltsame Auftritt der Deutschen setzte sich zunächst nahtlos fort. Gössner lief zwar stark, brauchte beim ersten Schießen jedoch zwei Nachlader, stürzte dann auf der Strecke, verhedderte sich mit dem Ski in einer Werbebande, verlor wiederum einige Sekunden.

Völlig unter Adrenalin kam Gössner zum Stehendschießen - und lieferte ihre beste Nervenleistung bei dieser WM: Sie brauchte nur sechs Versuche für fünf Scheiben, ging als Erste aus dem Schießstand, Deutschland führte wieder. "Ich dachte mir heute: alles oder nichts", erklärte Gössner hinterher gelöst, "das ist mir ganz gut gelungen."

Es war also an Schlussläuferin Andrea Henkel, den Vorsprung von 17,5 Sekunden ins Ziel zu bringen. Henkel, die mit ihrer WM bislang ebenfalls kaum zufrieden sein konnte, löste ihre Aufgabe bravourös: Im Liegen blieb sie fehlerlos, im Stehen ebenfalls. "Ich habe unterwegs schon das ein oder andere mal gelächelt", sagte Henkel über ihre letzten Meter. Mit wehender Deutschland-Fahne fuhr sie über die Ziellinie.

Über ihre eigene Leistung wollte Neuner nach dem Rennen gar nicht lamentieren. "Vollkommen egal", sagte sie und schickte einen Dank hinterher: "Die Mädels waren super. Wir haben zusammen Gold geholt." Henkel als Schlussläuferin zu nominieren war demnach die absolut richtige Entscheidung der deutschen Trainerschaft.

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