Deutsche Sportpolitik:Keks, Kuchen oder 55 Millionen

13. Mitgliederversammlung DOSB

Wo bleibt das Geld? DOSB-Chef Hörmann beim Konvent am Samstag.

(Foto: Peter Gercke/dpa)

Der DOSB stimmt der Reform für den Leistungssport zu - sogleich erklingen Forderungen nach mehr Geld. Doch das Innenministerium bremst.

Von Johannes Aumüller, Magdeburg

Als das wichtigste Thema des Tages anstand, präsentierte Ole Bischof seine "Cappuccino-Rechnung". Die ging im Kern so: Angesichts einer Bevölkerung von 80 Millionen Euro betrage die aktuelle Unterstützung des Spitzensports ungefähr ein solches Kaffeegetränk pro Bundesbürger. Und jetzt, so der Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), solle eben noch ein kleiner Keks zur weiteren Unterstützung obendrauf.

Mit deutlicher Mehrheit (98,6 Prozent) beschloss der deutsche Sport am Samstag bei seinem Konvent in Magdeburg das zuletzt viel kritisierte Konzept zur Leistungssportreform. DOSB und Bundesinnenministerium (BMI) haben dieses ausgetüftelt und erhoffen sich davon mehr Medaillen. Aber trotz der Zustimmungsrate kam das Votum nicht gerade begeistert daher und bedeutet noch nicht viel Konkretes. Erst jetzt beginnen die konkrete Umsetzung und die Zerreißprobe im Sport. Und vor allem der Kampf ums Geld.

Mit der Aussicht auf mehr finanzielle Unterstützung aus dem BMI (bisher 160 Millionen Euro) wurden die Verbände gelockt - oder erpresst, wie es manche formulieren. Zwar betragen die Zuwendungen aus dem Bund zirka 300 Millionen Euro, aber das Innenministerium ist der Hauptgeldgeber. Und bei einem Nein zum Konzept hätte es sicher keine Erhöhung des Budgets gegeben. Wie viel es nun wird? Innenminister Thomas de Maizière und an dessen Seite auch DOSB-Chef Alfons Hörmann hatten stets betont, erst müsse das Konzept kommen, dann sei eine konkrete Kalkulation drin. Jetzt schwirren die Zahlen nur so umher. DOSB-Vize Bischof verkündete in seiner Cappuccino-Keks-Rechnung, dass ein Aufwuchs von 20 Millionen Euro schön wäre. Hinterher versuchte er die Summe BMI-Staatssekretär Hans-Georg Engelke, der in Magdeburg seinen aus privaten Gründen verhinderten Minister vertrat, in den Mund zu legen; doch der erwähnte bloß, dass der Spitzensport-Etat in der aktuellen Legislaturperiode um diese Summe aufgestockt worden war. Der neue Turn-Präsident Alfons Hölzl nahm den Ansatz gleich auf und bekannte: Ein Keks reiche ihm nicht, es dürfe schon ein ganzes Stück Kuchen sein. Im DOSB-Beschluss selbst ist von "signifikant" mehr Geld die Rede. Hinter den Kulissen machte die Runde, dass eine aktuelle interne Auflistung einen Mehrbedarf von 55 Millionen Euro ergeben habe. Hörmann selbst wollte keine konkrete Zahl nennen und sagte allgemein: "Die Befragungen, die an der einen oder anderen Stelle eigeninitiativ umgesetzt werden", seien sicher gut gemeint, aber nicht entscheidend.

Unabhängig von der konkreten Summe geht es um etwas Grundsätzliches. Zwar stellte de Maizière substanziell mehr Geld in Aussicht, aber wann genau das fließen soll, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Der Sport sagt im Kern: Wir haben am Samstag grundsätzlich zugestimmt, jetzt muss das Ministerium mehr Geld bereitstellen. Das BMI sieht das so: Der Sport hat zwar zugestimmt, aber jetzt müssen erst klare Reformschritte und konkrete Umsetzungen kommen, und danach kann es mehr Geld geben. "Der Bundesminister ist nicht jemand, der mit einem großen Sack Geld herumläuft und das nach Belieben verteilen kann", sagte BMI-Mann Engelke: "Wir brauchen ein System, in dem transparent nachvollzogen werden kann, wofür das Geld ausgegeben wird."

Konkret bedeutet das: Wenn im März die Regierung die Eckwerte fürs folgende Haushaltsjahr aufstellt, dürfte sich am Etatvorschlag für den Spitzensport noch nicht viel verändern. Gemeinhin stehen im November die parlamentarischen Beratungen an, aber wegen der Bundestagswahl können sich die üblichen Abläufe verzögern. Außerdem wäre selbst bei einer neuerlichen großen Koalition mehr als ungewiss, ob de Maizière weiter Innenminister und für den Sport zuständig bleibt. Der CDU-Politiker gibt zwar gegenüber dem Sport eine klare Linie vor, aber eine grundsätzliche Sympathie, insbesondere auch zu DOSB-Boss Hörmann persönlich, sind unverkennbar. Welche Konsequenz ein Wechsel auf dem Ministerposten für den Sport hätte, ist völlig unklar.

In jedem Fall kann die Situation eintreten, dass Ende 2017 beim nächsten DOSB-Konvent in Koblenz weder Keks noch Kuchen und schon gar keine 55 Millionen Euro mehr im Haushaltsplan des Innenministeriums vermerkt sind, sondern nur ein paar Krümelchen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein komplizierter Satz, den der DOSB im Beschluss unterbrachte. Er besagt, dass es beim Konzept "einer Fortschreibung der Inhalte sowie einer Weiterentwicklung und Spezifizierung der Maßnahmen" bedürfe. Mit anderen Worten: Wir sagen ja zu den Eckpunkten, aber wir haben noch einige Erwartungen und wollen noch einige Dinge verändern. Das dient zwar einerseits als Beruhigungspille an die verängstigten und zuletzt merklich mosernden Verbände, aber andererseits ist dies für manchen Delegierten auch eine "Zustimmung unter Vorbehalt".

Die Verbände wissen jedenfalls: Wenn die Reform so kommt, wie sie angedacht worden ist, dann dürfte es zwar bald einen größeren Gesamttopf geben. Aber dieses Geld soll zum Großteil in die Sportarten mit großen Medaillenaussichten fließen. Die schwachen Disziplinen hingegen können bestenfalls mit einer Basisförderung rechnen und müssen um einen Fortbestand in der jetzigen Form bangen.

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