Deutsche Schwimmer:Amtlich: Schlecht wie zuletzt vor 80 Jahren

Auch am letzten Tag der Schwimm-Wettbewerbe im Aquatics Center schwimmen Britta Steffen und die Lagen-Staffen an den Medaillen vorbei. Zum ersten Mal seit 1932 beenden deutsche Beckenschwimmer die Olympischen Spiele ohne Plakette. Der Verband plant bereits die Zukunft.

Claudio Catuogno, London

Hinterher hat Britta Steffen gesagt, dass sie noch nicht so genau weiß, wie es jetzt weitergeht. Ob sie weiterschwimmt bis zu EM 2014 - oder ob das ihr letztes Rennen war, dieses Finale über 50 Meter Freistil. Wovon wird das abhängen? "Es ist eine Frage der Leidenschaft." Sie will jetzt erst mal in den Urlaub fahren mit ihrem Freund Paul Biedermann und sich alles genau durch den Kopf gehen lassen. "Im Moment kann ich noch keine Tendenz herauslesen."

Olympia 2012: Schwimmen

Ein Abschied vom Schwimmen? Britta Steffen lässt ihre Zukunft noch offen.

(Foto: dapd)

Sehr wahrscheinlich dürfte allerdings sein, dass dieses Finale der Fingerzeig in die Zukunft gewesen ist für die 28 Jahre alte Berlinerin. Britta Steffen wurde Vierte in 24,46 Sekunden. Nicht gut genug, um jetzt zufrieden zu sein mit diesen Olympischen Spielen - "natürlich würde ich Lügen, wenn ich sagen würde, die Platzierung stört mich nicht".

Aber doch immer noch gut genug, als dass sie sich jetzt für nicht mehr konkurrenzfähig halten müsste. Hinter der Siegerin Ranomi Kromowidjojo (24,05) ist es schließlich knapp zugegangen: Aliaksandra Herasimenia wurde Zweite in 24,28 Sekunden, Kromowidjojos Landsfrau Marleen Veldhuis kam auf Rang drei (24,39). Wenn aus auch auf den 50 Metern so gekommen wäre wie auf den 100, wo Steffen im Halbfinale gescheitert war als Olympiasiegerin und Weltrekordhalterin - vermutlich hätte sie jetzt gesagt: Danke, das war's! Aber so? Nachdem sie jetzt noch mal Witterung aufgenommen hat am letzten Tag der Beckenschwimm-Wettbewerbe...

Was spricht fürs Weitermachen? "Dafür spricht, dass ich große Lust habe, und dass die EM 2014 in Berlin stattfindet." Und was spricht dagegen? "Dagegen spricht die Medienlandschaft in Deutschland, in der einige hart mit mir ins Gericht gehen." Britta Steffen hat sich geärgert über die ein oder andere Schlagzeile der letzten Tage, in der es um angeblichen Streit in der Mannschaft (den sie dementiert hat) ging. Und sie ärgert sich, ohne den Namen ausgesprochen zu haben, über die TV-Expertin Franziska van Almsick.

Am wahrscheinlichsten ist wohl dennoch das Szenario, das Britta Steffen bereits kurz vor den Spielen im Interview mit dem SZ-Magazin angekündigt hatte: dass sie sich jetzt noch zwei Jahre lang auf die kurze Sprintstrecke konzentriert, und nebenbei versucht, ins Berufsleben zu starten. Auf den 50 Metern kann man nämlich auch als Halbtagsschwimmerin bestehen. Auf den 100 hingegen "müsste ich jetzt wohl noch mal über meine Grenze gehen im Training". Vier Finals standen am Samstagabend auf dem Programm: Über 1500 Meter Freistil gewann wie erwartet der Chinese Sun Yang (14:31,02 Minuten), er unterbot dabei seinen eigenen Weltrekord aus dem Vorjahr um gut drei Sekunden. Kurios: Beim ersten Startversuch sprang Sun Yang zu früh ins Becken. Das Kampfgericht entschied allerdings, dass der Chinese einem Irrtum aufsaß und ein Geräusch von außen fehl interpretierte. Er durfte noch mal starten.

Neuer Kandidat für den Bundestrainer-Posten

Silber ging an Ryan Cochrane aus Kanada (14:39,63), Bronze an den Tunesier Oussama Mellouli (14:40,31), der wegen einer früheren Dopingsperre unter besonderer Beobachtung steht im Schwimmsport.

Das Quartett der USA siegte dann mit der 4x100-Meter-Lagenstaffel der Frauen, ebenfalls in Weltrekordzeit, vor Australien und Japan. Und im letzten Wettkampf des Abends gab Michael Phelps seinen endgültigen Abschied aus dem Schwimmen, standesgemäß mit einer Goldmedaille. Die US-Lagenstaffel der Männer gewann, ohne Weltrekord, vor Japan und Australien.

Die deutsche Staffel (Helge Meeuw, Christian Vom Lehn, Steffen Deibler, Markus Deibler) kam auf Rang sechs. Und damit hat es der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) jetzt auch amtlich: Erstmals seit 80 Jahren blieben deutsche Beckenschwimmer bei Sommerspielen, an denen Deutschland teilnahm, ohne Medaillen. Diesen Montag wollen sich der Sportdirektor Lutz Buschkow und die DSV-Präsidention Christa Thiel dazu im Deutschen Haus äußern.

Derzeit läuft bereits die Ausschreibung für die unbesetzte Cheftrainerstelle der Schwimmer, und ein Bewerber hat dafür am Wochenende seinen Hut in den Ring geworfen: der Essener Stützpunkt-Trainer Henning Lambertz. "Ich bin Angestellter des DSV, und wenn man mich in dieser Situation gerne sehen würde, würde ich nicht nein sagen", erklärte er im ZDF: "Man bräuchte mal eine Person, die fünf oder sechs Jahre die Richtung vorgeben kann."

Seine Vorläufige Analyse des Londoner Scheiterns lautet: "Wir trainieren zu wenig und nicht hart genug." Das haben aber auch schon vor zehn Jahren die jeweils neuen Schwimm-Bundestrainer gesagt.

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