Süddeutsche Zeitung

Deutsche Nationalmannschaft:Warum Götze nicht Poldi wird

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Der WM-Torschütze gibt sein Comeback in der Nationalelf - doch in Russland ist Götze womöglich nicht dabei. Der Bundestrainer hat diesmal keine Plätze für "Maskottchen" zu verschenken.

Kommentar von Philipp Selldorf

Einfühlsam erkundigte sich die Fernsehreporterin bei Mario Götze, ob er denn Worte für sein Glück habe, nach einem Jahr Abwesenheit wieder in einem Länderspiel gespielt zu haben, woraufhin Götze erklärte, es sei "natürlich schwierig, so unmittelbar nach dem Spiel", das Passende zu sagen. Was Mario Götze nicht wusste: dass auf die freundliche Eröffnung eine weniger freundliche Fortsetzung folgen würde. Als Nächstes fragte die TV-Frau nämlich, ob er "noch was bringen" könne. "Wem?", entgegnete Götze irritiert. Darauf die Reporterin: "Der (National-)Mannschaft". "Warum nicht?", antwortete der Nationalspieler.

Was Götze der Mannschaft "bringen" kann, das sah man kurz vor Schluss, als er Lars Stindl gedankenschnell das 2:2 vorlegte, aber die Grundsatzfrage war dennoch mit Recht gestellt worden.

Als Poldi hat Götze in der Nationalmannschaft eher keine Zukunft

Mancher kritische Beobachter empfand Götzes Einladung ins Nationalteam eher als moralische Geste der Verbundenheit denn als sportliche Auswahl-Entscheidung. Seitdem er aus dem Krankenstand zurückgekehrt ist, kommt Götze bei Borussia Dortmund zwar regelmäßig zu seinen Einsätzen, die Meinungen über seine Leistungen gehen jedoch weit auseinander. Die einen sehen ihn auf dem Weg der Besserung und zurück zu alten Stärken, die anderen finden, dass diese Einschätzung mehr auf Wohlwollen als auf Tatsachen beruht.

Wohlwollen war sicherlich auch dabei, als der Bundestrainer Götze nominierte, vor ein paar Jahren hat der mittlerweile 25-Jährige immerhin ein nicht unwichtiges Tor fürs Nationalteam geschossen. Wohlwollen und Rücksicht auf alte Verdienste aber sollten nicht ausreichen, wenn Joachim Löw Ende Mai seinen Kader für die Weltmeisterschaft melden lässt. Als vor der EM 2016 im deutschen Kader der Name Lukas Podolski auftauchte, sah sich Löw dem Vorwurf ausgesetzt, aus Loyalität und Sympathie entschieden zu haben. Diese Einwände ärgerten ihn sehr, umso mehr, wenn es hieß, "Poldi" sei bloß aus Gründen seiner angenehmen Geselligkeit mitgereist. Podolskis Turnierbilanz gab den Kritikern allerdings tendenziell recht.

Als Poldi hat Götze in der Nationalmannschaft jedoch keine Zukunft, so lässt sich das jetzt zugespitzt sagen. Die Frage ist also, wo er sich sportlich hervortun könnte. Bei der Borussia hat er sich aus der ersten Angriffslinie in die nächste Mittelfeldreihe zurückgezogen, dort ist die Konkurrenz im DFB-Team allerdings erdrückend groß und ihm zurzeit auch deutlich voraus. Und seine alte Rolle als falsche Neun ist inzwischen ohnehin aus dem Programm gestrichen.

Löw bleibt bei solchen Fragen wie üblich gelassen, es ist noch viel Zeit bis Mai. Eines aber dürfte Löw klar sein: 2018 sind die Verhältnisse anders als 2016 oder 2014. Die Auswahl für seinen Kader ist vielfältig und reizvoll wie nie zuvor, da hat er keinen Platz zu verschenken.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2017
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