Deutsche Nationalmannschaft:Und wer wird jetzt neuer Kapitän?

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Wer trägt in Zukunft die Kapitänsbinde? (Foto: dpa)

Nach Schweinsteigers Rücktritt muss Löw einen Spielführer finden und das Zentrum der DFB-Elf neu gestalten. Für beide Positionen gibt es klare Favoriten.

Von Christof Kneer

Es gibt jetzt wieder diese Bilder von Joachim Löw. Löw-Bilder aus dem Sardinien-Urlaub sehen zwar seit Jahren gleich aus (Löw mit und ohne Espresso, Löw mit und ohne Sonnenbrille, Löw mit und ohne Strand), dennoch werden sie seit Jahren als heiße Ware präsentiert. Versehen sind diese Bilder immer mit recht originellen Bildzeilen, in denen meistens bis immer das Wort "cool" vorkommt. Gegen diese Art der Heldenverehrung ist natürlich nichts einzuwenden, außer vielleicht, dass der Held deutlich zu schlecht wegkommt. Wenn er wollte, könnte Löw eine Gegendarstellung einklagen: Es ist keineswegs so, dass er seine Urlaubstage nur mit Espresso, Sonnenbrille und Strand füllt. Er muss nämlich auch immer ganz viel denken.

Aktuell muss Löw sich etwa überlegen, wie seine neueste Entscheidung das Volk erreichen soll. Soll er mit der Verkündung seines künftigen Kapitäns bis zum ersten Testspiel der neuen Saison am 31.8. in Mönchengladbach gegen Finnland warten? Soll er die Frage dort in einer Pressekonferenz beantworten, oder soll er den DFB-Pressestab schon vorher eine Mitteilung aufsetzen lassen, damit das Thema beim Saisonauftakt kein Thema mehr ist? Und soll er bei diesem Anlass noch mal vom verflossenen Kapitän Bastian Schweinsteiger schwärmen, oder wäre das zu viel Last auf den Schultern des Nachfolgers?

So sieht's nämlich aus. So viel zum Thema Bundestrainer und Urlaub.

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Nach Lage der Dinge muss man sich trotzdem keine Sorgen um den Bundestrainer machen. Löw hat mit den Jahren eine gewisse Sommer-Routine entwickelt, er kann das inzwischen ganz ordentlich: sich vom Erlebten erholen und das Kommende vorbereiten. Wer Löw kennt, weiß ohnehin, dass der DFB-Rücktritt von Bastian Schweinsteiger in ihm andere Assoziationsketten auslöst als in der Öffentlichkeit. Die populäre "Und-wer-wird-jetzt-neuer-Kapitän?"-Frage muss Löw kraft Amtes zwar beschäftigen, aber sie treibt ihn weniger um als die Öffentlichkeit. Dieses Amt hat für Löw nicht mehr den heiligen Anstrich wie früher. Auch bei der EM hat er es so oft wiederholt, dass man es am Ende kaum mehr hören konnte: dass das Kapitänsamt im modernen Fußball überbewertet wird, dass er lieber auf die Kraft seines Spielerrates vertraut. Die Kapitänsbinde hat Löw am Ende dieser Ausführungen dann stets an Manuel Neuer überreicht - der Torwart gilt auch jetzt als Favorit auf die Schweinsteiger-Nachfolge, klar vor Jérôme Boateng, Sami Khedira und Thomas Müller. Er ist der unumstrittenste Stammspieler der Welt und an mannschaftspolitischen Prozessen sehr interessiert. Und als Ratgeber des Trainers ist er, anders als so mancher Feldspieler, über alle egoistischen Motive erhaben: Er spielt ja sowieso.

Löw weiß, dass ein Erfolg beim anstehenden WM-Zyklus nicht von einem Stück Stoff abhängen wird, das einer seiner Spieler am Oberarm trägt. Schweinsteiger war ein großer, ein sehr großer Nationalspieler, aber er war schon deshalb kein großer Kapitän, weil er es viel zu selten war. Erst nach Philipp Lahms Rücktritt im Juli 2014 hat er den Job übernommen, und von den 25 Spielen seitdem hat er nicht mal die Hälfte absolviert (12). Er ist als Kapitän sowieso andauernd vertreten worden, jetzt wird er halt dauerhaft abgelöst.

Die Frage, die Löw viel mehr umtreibt, ist eine andere: Er muss jetzt, da ihn Schweinsteigers Rücktritt aus alten Loyalitätszwängen befreit, die Mitte seiner Mannschaft neu definieren. Er muss nicht mehr zwanghaft eine Planstelle für Schweinsteiger frei halten, er kann den zentralen Platz im Team jetzt neu gestalten.

Rein hierarchisch dürften die Plätze im Maschinenraum nun erst mal Toni Kroos, 26, und Sami Khedira, 29, zufallen, die ein ähnliches Komplementär-Duo abgeben könnten wie zuvor Schweinsteiger und Khedira. Der feine Kroos garantiert Passsicherheit, Spielkultur und ein Höchstmaß an Geborgenheit, weil die Mitspieler wissen, dass sie jeden möglichen und zur Not auch unmöglichen Ball bei ihm abliefern können; der wuchtige Khedira stellt dazu jene Tugenden zur Verfügung, die von Kroos nie zu erwarten sein werden: Temperament, Antriebskraft, Führungswillen.

Allerdings ist Löw nicht entgangen, dass Khedira inzwischen einen Teil seiner Antriebskräfte darauf verwenden muss, den eigenen Körper in Schuss zu halten. Ob Khedira bis zur WM 2018 in Russland ein verlässlicher Faktor bleibt, darauf würde Löw derzeit keinen Sardinien-Urlaub verwetten, und so richten sich die Blicke des Bundestrainers inzwischen vor allem in jene Stadt, in der Schweinsteiger - noch? - als Fußballprofi angestellt ist. So umstritten Schweinsteigers Zukunft bei Manchester United ist, so unumstritten ist die Zukunft von Ilkay Gündogan bei Manchester City. Gündogan, 26, gilt als ausdrücklicher Wunschtransfer des neuen Trainers Pep Guardiola, der auch zu seiner FC-Bayern-Zeit schon begehrliche Blicke auf den damaligen Dortmunder geworfen hatte. Guardiola hat Gündogan trotz dessen schwerer Knieverletzung verpflichten lassen, er sieht in ihm einen etwas kleineren Wiedergänger des großen Xavi. Gündogans Genesung schreitet schneller fort als erwartet, in vier bis sechs Wochen wird seine Rückkehr auf den Rasen erwartet.

Löws Wertschätzung für Gündogan ist ebenso bekannt wie seine Wertschätzung für den Ausbilder Guardiola, und so könnte dies eine Kombination sein, mit der Löw gerade zwischen Espresso, Sonnenbrille und Strand liebäugelt: Das Duo Kroos/Gündogan wäre zwar ein bisschen offensiv veranlagt, aber möglicherweise kann sich das eine Mannschaft leisten, deren zentrale Verteidigung aus Jérôme Boateng, Mats Hummels sowie dem mutmaßlichen neuen Kapitän Manuel Neuer besteht.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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