Deutsche Nationalmannschaft:Podolski und Gomez, wiedererstarkt in der Türkei

Die beiden Angreifer galten einmal als die Zukunft der Nationalelf. Dann kamen ihre Karrieren ins Schwanken. Vor der EM haben sie wieder zu sich gefunden.

Von Benedikt Warmbrunn, Ascona

Leider hat niemand Paule gefragt, was er von dieser ganzen Angelegenheit hält. Paule ist ein Adler, als solcher ist er sehr stolz, daran ändert auch nichts, dass er von seinem Ausstatter lediglich mit einem Trikot ohne die dazugehörige Hose in die Welt geschickt wird. Paule, daran muss in diesen Tagen erinnert werden, ist das Maskottchen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Ein jugendlicher Typ, immer gut gelaunt, von allen geliebt. Aber zuletzt hat niemand mehr nach Paule gefragt, niemand hat an ihn gedacht.

Mittwochmittag, Pressekonferenz der Nationalmannschaft. Auf dem Podium sitzt ein jugendlicher Typ, immer gut gelaunt, von allen geliebt, und er muss jetzt etwas klarstellen: "Als Maskottchen bin ich nicht hierhergekommen", sagt der jugendliche Typ, er ist jetzt ausnahmsweise mal nicht so gut gelaunt.

Podolski, der Unbekümmerte, und Gomez, der Sensible

Den Mittwoch haben sie beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu einem Themenmittag genutzt. Auf dem Podium sitzen zwei Spieler, die in den vergangenen Jahren um ihren Status kämpfen mussten, die teilweise nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert worden waren, die sich zwischendurch von einem Maskottchen wie dem stolzen Adler Paule im Wesentlichen dadurch unterschieden hatten, dass sie vom Ausstatter auch eine Hose, Socken und Schuhe bekommen hatten. Und die beide ihrer Karriere neuen Schwung geben konnten, indem sie in eine Liga gewechselt sind, auf die auch ein Maskottchen wie Paule nicht sofort gekommen wäre. Auf dem Podium sitzen Mario Gomez und Lukas Podolski, die beiden Nationalspieler aus der türkischen Süper Lig.

Es gab Zeiten, sie sind noch gar nicht so lange her, da waren Gomez und Podolski - beide geboren im Sommer 1985 - das Versprechen auf eine offensive Zukunft der Nationalmannschaft. Der unbekümmerte Podolski mit seinem Witz und seinem knallharten Schuss. Und der sensible Gomez, der zwar regelmäßig ins Tor traf, es aber nie allen recht machen konnte.

Beide waren schon einmal in Ascona, während der EM 2008, bei der Podolski den sogenannten silbernen Schuh als bester Torschütze gewann. Bei Gomez kam damals die Karriere erstmals ins Wanken, gegen Österreich traf er aus einer kaum noch messbaren Distanz nicht ins leere Tor; vier Jahre später allerdings gewann er bei der EM den sogenannten silbernen Schuh.

Beide spielten irgendwann beim FC Bayern, wurden dort nicht glücklich, und so gingen sie auf eine Wanderschaft, bei der sie erst in der Türkei wieder zu jener Stärke zurückfanden, die sie einmal, es ist noch gar nicht so lange her, zum Versprechen auf eine offensive Zukunft gemacht hatte. Podolski traf für Galatasaray Istanbul in der Liga zuletzt 13 Mal, in der vergangenen Woche erzielte er das einzige Tor im türkischen Pokalfinale. Gomez erzielte für Besiktas Istanbul 26 Treffer, er wurde Torschützenkönig und türkischer Meister.

Selbstfindung in der Türkei

Dass sie beide zum EM-Kader gehören, blieb trotz der Saison im türkischen Karrierejungbrunnen nicht undiskutiert, und so wehrt sich der fast immer gut gelaunte Podolski gegen so manche Beschreibung seiner Rolle beim DFB: "Ich finde das total respektlos. Ich finde das unverschämt, das habe ich nicht verdient. Das Wort ,Maskottchen' gehört da nicht rein."

Beim Themenmittag am Mittwoch präsentieren sich die Angreifer in all ihrer routinierten Souveränität, sie wissen, dass sie bei dieser EM viel gewinnen und nur wenig verlieren können. Sie sind keine natürlichen Stammspieler, kommen aber nach dieser Saison mit so viel Selbstvertrauen zum DFB, dass sie sich durchaus auch eine tragende Rolle vorstellen können. Dieses Entspannte, diese Gewissheit der eigenen Stärke zeigt sich auch auf dem Podium im Pressezelt.

Gomez versucht, "ein bisschen planlos zu sein"

Im einen Moment sprechen sie über neue fußballerische Qualitäten (seine Kopfballstärke, erzählt Podolski, komme von "türkischer Luft und türkischem Essen"), im nächsten Moment über das Leben im Angesicht der Terrorgefahr; sie waren während der Anschläge in Istanbul in den vergangenen Monaten in der Stadt, sie kennen daher das Leben mit einer latenten Bedrohung, wie es auch für die EM gilt, bei der es stärker als bei früheren Turnieren auch um die Sicherheit geht. Gomez sagt: "Ich glaube, dass wir nicht ständig darüber reden sollten. Wir sollten nicht immer an das Schlechte denken."

In ihrer routinierten Souveränität demonstrieren die beiden auch, wie sie in der Türkei wieder zu sich gefunden haben. Gomez hat in seiner tiefen Nachdenklichkeit einen gelassenen Blick auf seinen Werdegang gefunden: "Ich habe, Stand heute, nicht mehr meine Karriere im Blick." Als er 2013 von München nach Florenz gewechselt war, dachte er an die WM und daran, dass er ein paar Jahre später ja nach Spanien wechseln könnte. Während der WM war er dann nur Zuschauer am Fernseher, statt nach Spanien ging es eben in die Türkei. Heute, sagt er daher, "versuche ich, ein bisschen planlos zu sein".

Podolski ist dagegen wieder ganz Kumpeltyp: "Die Liebe zum Fußball", sagt er zum Beispiel, "ist wie die Liebe zu Frau und Familie: Sie ist immer da." Dazu grinste er. Sollte er es sich doch anders überlegen, er müsste sich nicht verstecken vor Maskottchen wie dem stolzen Adler Paule.

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