Süddeutsche Zeitung

DFB-Team:Mal ein Spiel zu gewinnen, würde nicht schaden

Seit sechs Partien wartet die deutsche Nationalmannschaft in der Nations League auf einen Sieg. So langsam gibt das zu denken - selbst wenn der Bundestrainer darauf verweist, auf die großen Zusammenhänge zu achten.

Kommentar von Philipp Selldorf

Liga D der Nations League ist die Zwergenabteilung des europäischen Fußballs. Dort bekämpfen sich unter anderem San Marino, Andorra, die Färöer und Liechtenstein, und speziell für die Färöer sieht es nach zwei Startsiegen ziemlich gut aus, der Aufstieg in Kaste C winkt. Vielleicht gibt es dann bald in der windzerzausten Hafenhauptstadt Torshavn ein Wiedersehen mit Deutschland - wenn nämlich die Deutschen auch endlich in Europas dritter Liga angelangt sind, weil sie in diesem Wettbewerb partout kein Spiel zu gewinnen vermögen. Das 1:1 gegen die Schweiz stellte den insgesamt sechsten vergeblichen Versuch dar, in einer Partie der Nations League als Sieger vom Platz zu gehen. Gibraltar, Färöer, Kasachstan, sie alle haben schon Erfolge gefeiert, der Riese Deutschland noch nicht.

Am Montag meldete sich prompt der DFB-Manager Oliver Bierhoff mit einer Wir-haben-verstanden-Botschaft, um den Ausflug nach Basel gegen Vorwürfe zu verteidigen. "Wir können die kritischen Stimmen nachvollziehen und nehmen die entstandene Diskussion zum Anlass, uns zu hinterfragen", teilte Bierhoff mit, und das klang zwar ziemlich glattpoliert und künstlich, aber auch angemessen demutsvoll. Allerdings ging es nicht um die sportliche, sondern um die CO₂-Bilanz der Nationalelf. Die kritischen Stimmen richteten sich gegen das umweltschädliche Transportmittel, das der DFB frequentiert hatte: Die Mannschaft war am Samstag mit einem Charterflugzeug von Stuttgart nach Basel gereist anstatt mit Bus oder Bahn.

Für dieses Vorgehen wussten der Manager Bierhoff und andere Verbandsvertreter Argumente zu nennen, unter anderem handelten diese von den Vorsorge-Geboten zur Vermeidung von Infektionen und von den empfindlichen Muskeln der Profis, denen langes Sitzen im Bus nicht gut bekäme. Dass der DFB perfekte Fürsorge für die Spieler schafft, das gehört seit jeher zum Standardprogramm beim Nationalteam. Darüber mag gespottet werden, aber es ist eben auch zu bedenken, dass der DFB die Fußballer nur gemietet hat, und dass er einigen Ärger erwarten darf, wenn er das entliehene Betriebskapital beschädigt an die Vereine zurückgibt.

Auch der Bundestrainer Joachim Löw kannte viele Gründe, und diese handelten tatsächlich davon, warum sein Team wieder nicht gewonnen hatte. Obenan stand dieser dumme zweite eigene Treffer, der wie schon gegen Spanien einfach nicht hatte fallen wollen. Hätte man gegen Spanien und in der Schweiz erst mal 2:0 geführt, dann, so Löws Beweisführung, "glaube ich nicht, dass unsere Gegner noch mal ins Spiel zurückgekommen wären". Klar: Hätte man bei der WM 2018 gegen Mexiko noch den Ausgleich geschossen und gegen Korea das 1:0 - dann wäre man bestimmt wieder Weltmeister geworden.

Doch auch Löw hatte mindestens zum Teil recht: Es stand nicht die erste Besetzung auf dem Platz, und diese Länderspiele fanden unter vielerlei schrägen Bedingungen statt. Dem Bundestrainer ist außerdem schwerlich zu widersprechen, wenn er die unbedingte Wichtigkeit des Wettbewerbs Nations League in Frage stellt. Löw sagt, er plane mit Blick auf die großen Turniere in Zyklen und großen Zusammenhängen. Richtig so. Ab und zu ein Spiel zu gewinnen, wäre dabei aber auch nicht verkehrt.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2020/schm
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