Deutsche Nationalmannschaft:Löw denkt von Gipfel zu Gipfel

Trainingslager Nationalmannschaft - Training

Bundestrainer Joachim Löw in Eppan.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Bundestrainer Joachim Löw schaltet im Trainingslager in Südtirol in den WM-Modus.
  • Kleinere Schwierigkeiten erklärt er für beendet und sagt: "Wenn's zur WM geht, dann sind alle Spieler unter Strom."
  • Löw denkt sogar schon weiter, an die Titelkämpfe 2022 in Katar.

Von Philipp Selldorf, Eppan

Der Mann in Schwarz erteilte Anweisungen, die kürzer und präziser nicht hätten sein können. "Tak, tak, tak und tak", rief er, um gleich darauf weitere Befehle von ebenso verblüffender Klarheit hinzuzusetzen ("tak, tak und tak"). Die Spieler taten wie geheißen, und der Ausbildungsleiter Joachim Löw, schwarze Schuhe, schwarze Hose, schwarzes T-Shirt, schwarze Haare, zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. Der Ball läuft schon ziemlich rund bei der deutschen Nationalmannschaft, überall machte es am Donnerstagvormittag vorschriftsmäßig tak, tak und tak auf dem perfekt geschorenen Rasen im Südtiroler Trainingslager.

Gelegentlich hörte man aber auch ein metallenes Klonk, dann hatte Mario Gomez aus nächster Nähe bloß den Pfosten des leeren Mini-Tores getroffen, oder Leroy Sané und İlkay Gündoğan feierten im Wettschießen auf die großen Tore Erfolge. Immer wieder erstaunlich: Dass Fußballer im Training aus 20 Metern exakt die anvisierte Latte treffen - während sie dann im Spiel aus der gleichen Entfernung Richtung Eckfahne feuern.

"Die WM ist das allergrößte", sagt Löw

Das Procedere am ersten Tag der Vorbereitung auf die WM 2018 war sowohl von Zwanglosigkeit wie von professioneller Routine bestimmt. Am meisten Zwanglosigkeit und Routine ging vom Bundestrainer persönlich aus. Wie das üblich ist, erschien Löw vor den Medienvertretern zu einer Art Antrittsvorlesung, die selbstverständlich live im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Früher hatte er sich zu diesem Anlass immer eine Art Thesenpapier zurechtgelegt, mit seinen Ratgebern hatte er Themen sondiert und einstudiert, um seiner Rede bleibende Akzente zu geben. Manchmal mahnte und warnte er, manchmal dozierte er, manchmal gab er den Kritikern scharfe Antworten.

Aber am Donnerstag im sogenannten Pressezelt tat er nichts von alledem, was einerseits daran liegt, dass es im Land bis auf Sandro Wagner keine Jogi-Kritiker mehr gibt, und andererseits daran, dass grundlegende Sorgen und Nöte im Berufsleben des Bundestrainers kaum noch vorkommen. Der Stand der Dinge ist folgender: "Die WM ist das allergrößte", sagte Löw, "wenn's zur WM geht, dann sind alle Spieler unter Strom."

Die paar Schwierigkeiten, die sich zuletzt für die WM-Mission ergeben hatten, die hat Löw noch vor der Abreise nach Südtirol abgearbeitet und dann einfach für beendet erklärt. Sandro Wagners Beschwerden nach der Nicht-Nominierung interessieren Löw bereits so wenig, dass er gar nicht weiß, wieso er darüber noch sprechen sollte ("ich wüsste keinen Grund dafür"), und die Irritationen nach Mesut Özils und İlkay Gündoğans Verirrung in die Politik, die sieht er nach dem Besuch beim Bundespräsidenten hinreichend ausgeräumt.

Wird Manuel Neuer wirklich gesund?

Was bleibt, ist die Ungewissheit um Manuel Neuers Gesundheit, doch auch da sieht es dreieinhalb Wochen vor der Turnier-Premiere am 17. Juni beim Spiel gegen Mexiko ziemlich gut aus. Neuer macht offenbar beschleunigt Fortschritte. Beim Training am Donnerstag erinnerte der 32-jährige Torwart des FC Bayern mit seiner Gewandtheit und Geschmeidigkeit an den 22-jährigen Torwart von Schalke 04, der er vor zehn Jahren war. "Er ist voll bei uns eingestiegen und kann alle Belastungen tolerieren, es gibt keinerlei Probleme", berichtete Löw.

Was Neuer also noch zur WM-Teilnahme fehlt? "Er muss das Training so absolvieren, dass er überhaupt keine Probleme hat." Sollte Neuer allerdings nicht voll belastbar sein, dann wird er nicht mit nach Russland fahren, das hat der Bundestrainer festgelegt. Eine Rolle als Kabinen- und Ersatzbank-Kapitän werde es nicht geben, bekräftigte er.

Löw denkt schon an die WM in Katar

Löw ist in seinem 13. Jahr als Hauptverantwortlicher des Nationalteams dazu übergegangen, klare Ansagen zu machen. Inzwischen ist er in der Lage, sich die sentimentalen Anwandlungen und Loyalitätsnöte zu versagen, die ihm früher immer wieder im Wege waren; Mario Götze musste es unlängst erfahren, und notfalls, so sieht es aus, würde der Chef wohl auch den heiligen Manu nicht verschonen. Löws Regierungsstil ist inzwischen fast so pragmatisch wie der seiner zeitgeschichtlichen Weggefährtin Angela Merkel.

Und wie die Bundeskanzlerin hat sich auch Löw angewöhnt, von Gipfel zu Gipfel zu denken. Nach dem Gipfel in Russland ist vor dem Gipfel in Katar. Den Vertrag mit dem DFB hat der 58-Jährige nicht nur deshalb bis 2022 verlängert, weil es "der Wunsch des Präsidenten war, dass die Führungscrew zusammen bleibt", wie er erzählte. Sondern weil sich diese langfristige Verbindung mit seinen eigenen Wünschen deckt.

Diese ominöse WM in der Wüste, die mitten in der Zeit der Weihnachtsmärkte stattfinden soll, die sei "noch mal eine große Motivation", sagte er, obwohl die WM zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Sibirien noch gar nicht begonnen hat. Schon jetzt sieht er aber der Aufgabe entgegen, nach dem Turnier "einen Umbruch einzuleiten" und ein neues Team, "angeführt von Kimmich und Co", an den Persischen Golf zu geleiten. Da grüßte aus Südtirol bereits der ewige Jogi - und beantwortete nebenbei die Kapitänsfrage fürs kommende Jahrzehnt.

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