Deutsche Nationalmannschaft:Klose muss seinen eigenen Nachfolger finden

Mit Miroslav Klose verschwindet die Gattung Mittelstürmer beim DFB. Wenn er nun Bundestrainer Löws Praktikant wird, ist sein Auftrag klar.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Falls von irgendwelchen Kulturpessimisten mal wieder festgestellt werden sollte, dass der Fußball zu nix nutze sei, kann man diesen zumindest eines entgegenhalten: Der Fußball ist unverzichtbar dafür, dass im ewigen Vorabend-Fernseh-Quiz von Bommes und Pilawa niemals die Fragen ausgehen. Einen reizvollen, wie auch vermeintlich leichten Einstieg böte zum Beispiel jene Frage: Wer ist der erfolgreichste deutsche Länderspieltorschütze?

Gut, die Jüngeren werden womöglich Mario Götze nennen, weil für sie die Länderspielhistorie erst mit Götzes Finaltor von Rio gegen Argentinien beginnt. Oder auch, weil Götze vor wenigen Wochen, in der Aufstellung zum Duell gegen Tschechien (3:0), von Bundestrainer Löw dorthin geschoben wurde, wo einst der Müller Gerd, der Miroslav Klose, der Völler oder der Seeler ihr Revier hatten. Götze war zentral vorne aufgelistet, auf der klassischen Mittelstürmerposition, aus einem einfachen Grund: Es ist kein anderer mehr da! Götze war quasi ein Strafraum-Stellvertreter für eine Spezies, die es nicht mehr gibt.

Jedenfalls nicht hierzulande, wo jene, die sich Mittelstürmer nennen durften, nun spätestens mit Kloses verkündetem Rücktritt so ausgestorben sind wie Plateosaurus, der Saurier, oder Archaeopteryx, der Urvogel, die auch schon mal im Einzugsgebiet des Deutschen Fußball-Bundes hausten.

Gomez fehlte bei der EM der wichtigste Kollege

Aus der Nationalelf hatte sich Klose nach der WM in Brasilien zurückgezogen, aber er geisterte halt so rum, wie es ein Torjäger tut - keiner sieht ihn, plötzlich ist er dort, wo es wehtut. Schmerzhaft waren für die Löw-Auswahl im Sommer 2016 die Debatten nach dem Halbfinal-K.-o. gegen Frankreich. In der Spielanlage, hieß es, hätten sich die Deutschen zwischen WM und EM sogar verbessert, doch den Strafraum, die Herdplatte des Fußballs, bekamen sie nicht heiß. Kloses Name tauchte in den Analysen auf, als Phantom, das vermisst wurde - zwar gab Mario Gomez ein erstaunliches Comeback, aber der wichtigste Kollege, Thomas Müller, fand nie ins Turnier.

Womit die Quiz-Lösung zur Torjäger-Frage vorgegeben ist: Götze steht derzeit bei 17 Länderspiel-Treffern, Thomas Müller bei 36, mit Oliver Bierhoff (37) beginnen die Top Ten. In absoluten Zahlen zog Klose (72 in 137 Länderspielen) an Gerd Müller (68 in 62) vorbei, beide sind, so sieht es heute aus, auf ewig nicht mehr einzuholen. Warum? Weil beide diese verlorene Gabe hatten, den Fußball, dieses exzessiv überinterpretierte Spiel, auf seinen Wesenskern zu reduzieren.

Klose sagte: "Mir ist egal, wie ich die Tore mache, ob mit dem Helm oder mit dem Fuß." Müller meinte: "Am schönsten ist ein Schuss ins leere Tor." Wenn Klose jetzt als Praktikant zu Löw geht, um dort eine Trainerlaufbahn zu starten, so ist der Auftrag klar: Er muss seinen eigenen Nachfolger finden, jemanden, der Spaß daran hat, mit Helm am Herd in ein leeres Tor zu treffen.

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