Deutsche Nationalmannschaft:Flick tickt, wie ein Bundestrainer ticken sollte

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Der Elfte für die Nationalelf: DFB-Auswahltrainer Hansi Flick. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Aus Assistenten werden Chefs: Hansi Flick passt beim DFB in ein historisches Muster, das Jürgen Klinsmann einst unfreiwillig erneuert hat.

Kommentar von Christof Kneer, München

Es ist immer gut, Thesen aufzustellen, die niemand widerlegen kann. Also, These: Hansi Flick wäre nicht der neue Bundestrainer, wenn sich Franz Beckenbauer damals durchgesetzt hätte. Im Jahr 2004 beschloss der Fußballkaiser, dass man dem sehr unerfahrenen Teamchef Jürgen Klinsmann unbedingt einen erfahrenen Assistenten an die Seite stellen müsse. Holger Osieck fiel dem Kaiser ein, der hatte sich schon zu Beckenbauers Teamchef-Zeit als seriöser Helfershelfer bewährt, unter anderem durch fundierte Halbzeitanalysen im Fernsehen ("wir wechseln").

Osieck hatte allerdings den Nachteil, aus dem Laden zu stammen, den Klinsmann auseinandernehmen wollte. Klinsmann hat den kaiserlichen Beschluss also solide ignoriert und stattdessen die Handynummer eines Joachim Löw gewählt, den er auf einer Mountainbike-Tour im Schwarzwald erwischte. Ob Löw "der Job interessiert mi scho au" sagte, weiß man nicht genau. Andererseits: Die Geschichte lehrt, dass es so war.

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Klinsmann hatte damals große Pläne, aber das hatte er wahrscheinlich nicht im Sinn: dass er hier eine Tradition erneuern würde, die er eigentlich gerade abgeschafft hatte. Jahrzehntelang hatte sich der Deutsche Fußball-Bund bei der Auswahl seiner Bundestrainer aus sich selbst ernährt, jahrzehntelang wurde der Assistent des Chefs später selber Chef. Das galt für Sepp Herberger, Helmut Schön und Jupp Derwall, auch Berti Vogts stammte aus dem betriebseigenen Trainerstab. Dieses rührend altmodische Prinzip verlor seine Gültigkeit, als rasend komische Trainerfindungskommissionen über Paul Breitner nachdachten und bei Erich Ribbeck und später bei Rudi Völler landeten. Bei Völler geht die Geschichte so, dass er in einer dieser rasend komischen Sitzungen im falschen Moment den Kopf hob.

Hansi Flick tickt, wie ein Bundestrainer ticken sollte

Klinsmanns notorischer Fluchtreflex hat die Geschichte unfreiwillig wieder in Gang gesetzt, auf Klinsmann folgte Löw, und mit einem kleinen, aparten Schlenker passt nun auch Hansi Flick ins historische Muster. Er hat halt zwischen der Co-Trainer- und der Bundestrainer-Zeit mal kurz sieben Titel mit dem FC Bayern gewonnen.

Flick kommt als Vereinstrainer in dieses hohe Amt, dennoch darf er - nicht nur wegen seiner DFB-Sozialisation - als klassischer Bundestrainer gelten. Er tickt, wie ein Bundestrainer ticken sollte. Flick ist nicht, wie Ottmar Hitzfeld sein konnte, der im Training Konkurrenzkämpfe provozierte, um die Spannung hochzuhalten und die Spieler auch mal gegeneinander ausspielte. Der Kollege Thomas Tuchel hat die neuneinhalb Monate, die Flick in München von seiner Amtsübernahme bis zum Champions-League-Sieg brauchte, mal bewundernd "das längste Turnier der Welt" genannt. Tatsächlich hat es Flick geschafft, mit Klarheit und ruhiger Hand einen Turnierspirit zu erschaffen, der die Elf durch den Alltag trug und eine Weile unschlagbar erscheinen ließ.

Nostalgiker dürfen Flicks Aufstieg vom DFB-Assistenten zum Bundestrainer für eine gute Geschichte halten. Sie sollten sich nur nicht darauf verlassen, dass anschließend Marcus Sorg, Danny Röhl oder der Freistoßtrainer Mads Buttgereit das Amt übernehmen.

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