DFB-Elf in der Einzelkritik:Kroos sprintet und grätscht beim Jubiläum

In seinem 100. Spiel zeigt der Mittelfeldspieler kämpferische Qualitäten. Joshua Kimmich gibt den Wasserträger und Kai Havertz liefert die Einzelleistung des Tages. Die DFB-Elf in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider, Köln

Manuel Neuer

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(Foto: dpa)

Setzte nach dem 0:1 in der fünften Minute einen total angemessenen Was-zur-Hölle-Gesichtsausdruck auf. Konnte nicht glauben, dass er in seiner Karriere noch mal so ein Tor kassiert, bei dem seine Abwehr unkoordiniert und schlafmützig rausrückt - eigentlich ein Amateurfußballfehler. Rettete vorher noch mit seinem eingedrehten Knie gegen Shaqiri. In der 15. Minute sah er sich selbst dem Vorwurf der vorsätzlichen Lässigkeit ausgesetzt: Chippte den Ball Haris Seferovic an den Kopf - der war zu verblüfft, um mehr draus zu machen. Schuldlos an den Gegentoren, oft mit seinem bekannt starken Stellungsspiel.

Lukas Klostermann

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(Foto: AP)

Spielt im Verein selten einen reinen Außenverteidiger, sondern meist innerhalb einer Dreierkette. Man merkte ihm an, dass er oft nicht so genau wusste, wohin er zu laufen hatte. Auch, weil Matthias Ginter oft aufrückte, weswegen Klostermann auch aufrückte, weswegen dann hinten wenige Abwehrspieler übrig waren. Irgendwo müssen die drei Gegentore ja auch herkommen. Keine individuellen Fehler - aber in so einer Abwehr will man nicht Außenverteidiger sein.

Matthias Ginter

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(Foto: AFP)

Einer von zwei Gladbacher Abwehrstrategen auf dem Feld (sein Klub-Kompagnon Nico Elvedi spielte im roten Trikot). Leider war er der Chef der zunächst deutlich zittrigeren Verteidigung. Koordination, Zweikampfhärte - alles Dinge, die man schon gern gesehen hätte bei vielen Schweizer Angriffen. Spielte zwar passsicherer, aber auch offensiver als Nebenmann Rüdiger. Das war angesichts der offensichtlichen Instabilität vielleicht nicht immer die beste Entscheidung.

Antonio Rüdiger

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(Foto: dpa)

Bei Chelsea ausgemustert, bei Löw gesetzter Innenverteidiger. Sah in der Anfangsphase bei einigen Aktionen und bei seinem Klärungsversuch beim 0:2 unglücklich aus - aber das galt für den gesamten Abwehrverbund. Muss in einer Viererkette logischerweise mehr Verantwortung übernehmen als in einer Dreierkette, was gerade im Spielaufbau nicht immer gelang. Zuweilen mit steilen, überraschenden Pässen, zuweilen auch mit wackligem Fuß. In der umkämpfen Schlussphase mit ein paar wichtigen Zweikampfsiegen, in der letzten Szene aber total übermotiviert. Sprang im Schweizer Strafraum mit dem Ellbogen voran in den Gegenspieler Elvedi. Sah zurecht Gelb.

Robin Gosens

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(Foto: Getty Images)

Brüllte nach einer vergebenen Chance in der 35. Minute einen Urschrei heraus, den man auch noch auf der anderen Rheinseite hören konnte. Als Beobachter dachte man sich: endlich mal. Einstellung und Wille sind seine großen Stärken und davon kann die Nationalmannschaft durchaus etwas gebrauchen. Spielt im Klub allerdings selten linker Verteidiger in einer Viererkette - das trug auch zur allgemeinen Abwehr-Konfusion bei. Ging nach 58 Minuten für Marcel Halstenberg.

Joshua Kimmich

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(Foto: Getty Images)

Paketbote des Abends: Musste sich fast jeden Ball hinten abholen und ihn immer und immer wieder nach vorne tragen. Tat dies mit einer beeindruckenden Geduld und erledigte die Schweißarbeit des Teams. Aber wie bei Wasserträgern während der Tour de France gilt: Wer die Arbeit macht, hat keine Kraft mehr für den Schlusssprint. Mitschuldig am 0:1, weil er zu langsam rausrückte - sieht man von ihm auch selten. Kann sich mit dem Gedanken trösten, dass er, wenn er mal 100 Länderspiele hat (siehe Kroos), vielleicht seinen eigenen Kimmich hat, der ihm die Bälle bringt.

Toni Kroos

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(Foto: imago images/Jan Huebner)

Spielte sein 100. Länderspiel und Jubiläen kann man sich nicht aussuchen. Papa Kroos, Frau Kroos und Kind saßen in Decken eingemummelt mit einer Sondererlaubnis auf der Tribüne und sahen ihrem Jubilar dabei zu, wie er mit seinem geschulten Auge die Lücke in der Schweizer Abwehr suchte. Dass ihm das nur ganz selten gelang, lag weniger an ihm als vielmehr am Gegner. Hatte die meisten Ballkontakte und spielte die meisten Pässe - allerdings auch den Fehlpass vorm 0:2. War irgendwann so verzweifelt, dass er sogar mit seinem linken Fuß den Torschuss probierte. Der war gar nicht schlecht, rauschte aber am Tor vorbei. Ein Treffer blieb ihm verwehrt, um sein großes Spiel aber nicht zu verlieren, sprintete er in der zweiten Halbzeit auch mal nach hinten und - Achtung - grätschte erfolgreich.

Leon Goretzka

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(Foto: Getty Images)

Versuchte den Schweizer Abwehrsafe mit Gewalt zu knacken, aber rohe Kraft funktioniert bei Öffnen von Panzerschränken ja selten. Immer mit sehr dynamischen Läufen nach vorne, stand deswegen aber zuweilen dem Kollegen Havertz auf den Füßen. Was Kimmich von hinten her arbeitete, arbeitete er vorne.

Serge Gnabry

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(Foto: imago images/Herbert Bucco)

Die Schweiz hatte offensichtlich ihn als gefährlichsten Teil der deutschen Offensive identifiziert. Immer wenn er an den Ball kam, stürzte quasi seine persönliche Schweizer Garde auf ihn und machte ihm das Leben schwer. Irgendwann sah er nur noch einen Ausweg - und entkam dem Zugriff mit einem Tor per Ferse. Wünschte sich Robert Lewandowski an seine Seite, der beim FC Bayern immer ähnlich bearbeitet wird und Gnabry kann dann frisch, fromm, fröhlich, frei aufs Tor rennen. Versuchte der Bewachung durch Laufarbeit zu entkommen, stand dann aber zu weit weg vorm Tor. Massive Abzüge wegen des Fehlpasses unmittelbar vor dem 0:1 - den darf er so nicht spielen.

Timo Werner

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(Foto: REUTERS)

Hätte sich fast den Preis für die beste Einzelleistung des Tages gesichert - aber dann kam Kai Havertz (siehe dort). Aber vermutlich war sein Treffer mental der wichtigere, weil er direkt nach dem 0:2 einfach die Schweizer Abwehr in einer weiträumigen Kurve umlief und auf eine zarte Art und Weise, mit der der Schweizer Torhüter Yann Sommer niemals rechnete, ins lange Eck schob. Ebenfalls sehenswert: Seine Vorlage für Gnabry zum 3:3. Wahrscheinlich wussten die Schweizer, dass er sehr schnell ist. Aber Wissen und Hinterherlaufen sind ja zwei unterschiedliche Dinge.

Kai Havertz

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(Foto: dpa)

Spielte erst sein zehntes Länderspiel - ist nämlich sonst das prominenteste Opfer, wenn Löw sich für einen zusätzlichen Abwehrspieler entscheidet. In der ersten Halbzeit ein bisschen verloren im Schweizer Gewimmel, in der zweiten Hälfte dann mit der Soloaktion des Spiels: Pflückte einen langen Ball der Schweizer herunter wie ein Edelweiß, rannte los wie der Matterhorn-Express, sagte noch zweimal Grüezi und schoss gegen jedes Neutralitätsgebot das zweite deutsche Tor des Abends. Warum er so oft draußen sitzt, ist Joachim Löws persönliches Bank-Geheimnis.

Marcel Halstenberg, Emre Can und Julian Draxler

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(Foto: Getty Images)

Kamen in ein in der Endphase intensives Spiel. Vor allem Draxler sah, dass er angesichts eines Kai Havertz vor der Nase was zeigen musste. Leichtfüßige Aktion in der 89. Minute - die aber nicht zum Siegtreffer führte. Von Schär noch gelb-rot-würdig gefoult.

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