Partie gegen Frankreich:Eine Art Endspiel für Joachim Löw

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Joachim Löw in Amsterdam. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Zukunft des Bundestrainers ist stark vom Ergebnis gegen Frankreich abhängig. Er macht den Eindruck, als würde er aus Trotz und Sturheit die Rufe nach einer Erneuerung der Nationalelf überhören.

Kommentar von Philipp Selldorf

Joachim Löw war sich bisher mit Recht zu fein dafür, seine Spieler zu belästigen, indem er sie zum Grasfressen aufforderte. Er hat auch noch nie von ihnen verlangt, im nächsten Spiel bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen oder wenigstens bis zur letzten Patrone. Diese Phrasen des Fußballs waren ihm nicht nur wegen ihrer Diktion immer fremd, weshalb man es für alarmierend halten muss, dass er nach dem 0:3 gegen Holland vorhersagte, jetzt würden seine Mannschaft und er "auf die Fresse kriegen".

Es war nicht der einzige Moment, in dem sich der vor ein paar Monaten noch unantastbare Weltmeistercoach Löw anhörte wie ein sehr gewöhnlicher Bundesligatrainer, der soeben noch ein Stück tiefer in den Abstiegskampf verstrickt wurde. Es gab in Amsterdam auch die Frage eines niederländischen Reporters an ihn, ob diese Partie womöglich eine seiner letzten als DFB-Trainer gewesen sei. Darauf pflegen Bundesligatrainer zu antworten: Da bin ich der falsche Ansprechpartner. Löw erwiderte: "Da müsste man einen anderen Verantwortlichen holen, der die Frage beantwortet." Dies sei jetzt nicht mehr seine Entscheidung.

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Die internationalen Medien bescheinigen Deutschland nach dem 0:3 gegen die Niederlande eine tiefe Krise - und empfehlen Löw, Marc-André ter Stegen eine Chance zu geben.

Selbstredend wird Löw am Dienstagabend in Paris das Nations-League-Spiel gegen Frankreich coachen. Aber es ist keine Dramatisierung der Lage, diese Partie als eine Art Endspiel einzuordnen. Der DFB will Löw nicht kündigen, das will er schon alleine deswegen nicht, weil der Präsident Reinhard Grindel vor der WM den Vertrag des Bundestrainers bis 2022 verlängert hat und weil er nach der vollendet missratenen WM an dieser Vereinbarung festgehalten hat, und zwar unter ausdrücklichem Verzicht auf eine inhaltliche Debatte. Inzwischen ist es jedoch nicht mehr auszuschließen, dass sich der DFB zum Eingreifen genötigt fühlt.

Die Niederlage in Amsterdam, die zum Schluss wie der Untergang eines Imperiums aussah, verstärkt den Druck, doch vor allem ist es Löw selbst, der durch sein störrisches Handeln Zweifel weckt. Er macht den Eindruck, dass er aus Trotz und Sturheit beschlossen hat, die Rufe nach einer Erneuerung der Nationalelf zu überhören, so wählt er seine Spieler aus, und so stellt er sie in den Spielen auf. Sein Pech ist, dass ihm die neu geschaffene Nations League keine Zeit lässt, um die Kritiker zu beschwichtigen. Die blanken Ergebnisse sind es, die jetzt zählen, wie bei einem gewöhnlichen Bundesligatrainer, der sich nach dem schlechten Saisonstart für Platz 18 rechtfertigen muss. Es nützt ihm nichts, dass er fest davon überzeugt ist, dort nicht hinzugehören, es nützt ihm nicht mal, dass sein Team ihn dabei aufrichtig unterstützt. "Logischerweise ist ein Abstieg aus der Nations League nicht wünschenswert", sagte er am Samstag.

Das war die alte Löw-Diktion. Aber zur falschen Zeit am falschen Ort.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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