Deutsche Nationalmannschaft:Auch Fußballer um die 30 sind zu gebrauchen

Norway v Germany - 2018 FIFA World Cup Qualifier; Khedria

Sami Khedira im Spiel gegen Norwegen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ralf Rangnick verpflichtet in Leipzig nur Spieler, die maximal 24 Jahre alt sind. Dabei zeigt der Blick auf die Nationalmannschaft: Das sogenannte "beste Fußballeralter" ist zurück.

Kommentar von Philipp Selldorf

Ein norwegischer Kommentator hat am Sonntagabend die hypothetische Frage aufgeworfen, ob einer der in Oslo eingesetzten norwegischen Fußballer gut genug wäre, um in der dritten deutschen Nationalelf einen Platz zu erhalten. Dass der Mann seine Frage mit Nein beantwortete, beruhte vermutlich auf Sarkasmus und Defätismus, fachlich dürfte er freilich richtig liegen. Zurzeit gibt es zwar keine dritte deutsche Nationalelf, aber wenn sich der Bundestrainer in seiner knapp bemessenen Freizeit mal den Spaß machen würde, ein C-Team zu formieren, dann käme er zu einem verheißungsvollen Ergebnis. Einerseits hätte er endlich wieder Verwendung für Marcel Schmelzer, andererseits könnte er außer den monatlich emporschießenden Absolventen der Nachwuchsleistungszentren ein paar etablierte Bundesligaspieler testen, die bisher keine Chance auf die A-Mannschaft hatten, obwohl sie hohe Ansprüche erfüllen. Lars Stindl zum Beispiel oder Daniel Didavi.

Auch Spieler jenseits der 20 sind noch zu gebrauchen

Der Gladbacher Stindl ist vor ein paar Tagen 28 Jahre alt geworden, nach der Ralf-Rangnick-Doktrin käme er somit für einen Wechsel zu RB Leipzig nicht mehr infrage. Rangnick, Sportchef des Aufsteigers, hat bekanntlich festgelegt, dass neue Spieler für RB nicht älter als 23, 24 Jahre alt sein dürfen. Er mag seine Gründe haben, aber in Anbetracht des fortgeschrittenen Jugendwahns in der Branche sollte man darauf hinweisen, dass auch Spieler jenseits der 20 noch zu gebrauchen sind. Stindl etwa hat sich durch sein greisenhaftes Alter nicht davon abhalten lassen, während der vorigen beiden Jahre zu einem herausragenden Bundesligaspieler aufzusteigen.

Dass für Stindl in der A-Nationalelf trotzdem kein Platz frei ist, das liegt vor allem daran, dass Spieler wie Toni Kroos, Mesut Özil oder Sami Khedira ebenfalls auf beeindruckende Weise dem Altersverfall trotzen. Genau besehen ist es so, dass Kroos, 26, der demnächst 28-jährige Özil und der im Januar gar 30 (!) Jahre alt werdende Khedira die traditionelle Weisheit vom "besten Fußballeralter" rehabilitieren.

Vom Mann in den besten Jahren sprach man früher, wenn ein mittelalter bis herbstlich gereifter Profi durch den Zugewinn an Persönlichkeit und Erfahrung seine Möglichkeiten besser zu entfalten wusste. Dieser Prozess ist bei Kroos, Özil und Khedira nun eindeutig zu beobachten; es ist ja kein Zufall, dass Kroos bei Real Madrid und Özil beim FC Arsenal fabelhafte neue Verträge angeboten werden, und dass die italienische Presse Khedira "die Leichtigkeit eines Schmetterlings" nachgesagt hat.

Eine ähnliche Wertsteigerung verzeichnen im Übrigen auch Daheimgebliebene wie Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller. Und was die Aussichten aus deutscher Perspektive verschönert: Der Bundestrainer wird nicht nur um seine fitten Alten beneidet, sondern auch um die vielen Jungen, die ihnen in der A-Elf nacheifern dürfen.

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