Deutsche Nationalelf:Schattenbild einer Mannschaft

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Joachim Löw will mit einer halbwegs vorzeigbaren Mannschaft nach Kopenhagen zur Begegnung mit Dänemark reisen, verzichtet aber auf einen Großteil seines WM-Kaders.

Philipp Selldorf

Beschwerden über den in der kommenden Woche anstehenden Länderspieltermin gehörten in den vergangenen Tagen zum Pflichtprogramm und Standardrepertoire der Bundesligatrainer. "Für diesen Termin hat kein Trainer das geringste Verständnis", stellte HSV-Trainer Armin Veh im Namen der Gemeinde fest. "Was soll denn da großartig ausprobiert werden?", gab der Bremer Thomas Schaaf zu bedenken, während der Mönchengladbacher Michael Frontzeck die Festsetzung im Veranstaltungskalender des Weltverbandes als "Witz" bezeichnete. Sogar der schweigsame Kölner Zvonimir Soldo hat darüber Unmut geäußert ("hat keinen Sinn"), weniger stille Fachleute wie Louis van Gaal ("lächerlich") und Felix Magath ("riesiges Ärgernis") haben das sowieso.

In Dänemark dabei: Toni Kroos und Mario Gomez vom FC Bayern. (Foto: dpa)

Joachim Löw musste sich also ziemlich anstrengen, als er jetzt bei den Kollegen um Wohlwollen und Bereitschaft zur Zusammenarbeit geworben hat. Für den Bundestrainer geht es darum, mit einer halbwegs vorzeigbaren Mannschaft nach Kopenhagen zur Begegnung mit Dänemark am 11. August (20.30 Uhr) zu reisen - ohne dabei einen gewaltigen Konflikt mit den führenden Klubs der Bundesliga zu provozieren.

Mit dem Münchner van Gaal handelte Löw einen Kompromiss aus, der es dem Niederländer schwer macht, das Niveau seines Ärgers zu halten und weiterhin auf die "unglaublichen" Zustände zu schimpfen. Lediglich zwei Münchner Profis sollen sich am Montag am Treffpunkt in Frankfurt der Reisegruppe anschließen: Angreifer Mario Gomez ist der eine, Mittelfeldspieler Toni Kroos der andere. Auf die während der WM dauerhaft beanspruchten Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller verzichtet Löw, obwohl er zumindest gemäß den Fifa-Statuten einen Anspruch darauf hätte, seine Vorzugsmannschaft zu nominieren.

Aber auf diesen Konflikt lässt er sich vernünftigerweise nicht ein, weshalb er auch auf die Bedürfnisse der Klubs Rücksicht nehmen wird, die vor dem Bundesligastart ihre Pflichten im Europacup erfüllen müssen. Das gilt vor allem für Werder Bremen, das um den Einzug in die Champions League kämpft, aber auch für Dortmund, Leverkusen und Stuttgart, die sich um das Erreichen der Gruppenphase in der Europa-League bemühen.

Im Hinblick auf diese Aufgaben können drei, vier Trainingstage von beachtlicher Bedeutung sein, besonders für die WM-Teilnehmer, die just erst ihre Ferien beendet haben und wieder in den Betrieb eingestiegen sind. Mit Stammkräften wie Per Mertesacker, Mesut Özil oder Lukas Podolski ist daher in Dänemark nicht zu rechnen. Auch Sami Khedira wird wohl fehlen, er kommt mit seinem neuen Klub Real Madrid erst am Sonntag von einer USA-Tour zurück.

August 2011 gegen Brasilien

Das Publikum, das sich am nächsten Mittwoch im Kopenhagener Parken-Stadion einfindet (zu Eintrittspreisen zwischen 20 und 50 Euro) wird also bloß ein Schattenbild der deutschen A-Nationalmannschaft zur Ansicht erhalten. Den Kader wird Löw am Freitag bekanntgeben, bis dahin wird er Mann für Mann an seinem Aufgebot arbeiten. Man kann damit rechnen, dass die durch Verletzungen verhinderten WM-Kandidaten Heiko Westermann und Christian Träsch dem Kader angehören werden, dass Andreas Beck, der als einziges Mitglied des ursprünglichen Aufgebots keine Zulassung zur Reise nach Südafrika erhalten hatte, durch einen Einsatz entschädigt wird, und dass für das Tor die erste Besetzung bereitsteht: Manuel Neuer hat schon erklärt, dass er sich über das Spiel freuen würde, René Adler hat nach ausgeheiltem Rippenbruch wieder das volle Programm aufgenommen.

In Thomas Hitzlsperger, inzwischen bei West Ham in London unter Vertrag, steht wohl auch einer der erfahrenen Nationalspieler zur Auswahl. Der Leverkusener Patrick Helmes darf auf seine Rückkehr hoffen, der Mönchengladbacher Marco Reus auf sein nachgeholtes Debüt, nachdem er beim Test in Aachen gegen Malta vor drei Monaten hatte absagen müssen.

Diese Spieler empfinden das Jubiläumsspiel - es ist das 25. Treffen zwischen Dänemark und Deutschland - sicher nicht als ein Ereignis, das "an Überflüssigkeit nicht zu überbieten" ist, wie sich Karl-Heinz Rummenigge ausdrückte. Und im nächsten Jahr dürfen dann alle die Diskussion von vorn beginnen. Dann steht rund um den Bundesligastart wieder ein Länderspiel an: am 10. August in Stuttgart gegen Brasilien, "ein Klassiker und eine echte Standortbestimmung", wie Löw sicherheitshalber schon mal schwärmte. Andere Stimmen zum Spiel werden aber garantiert noch folgen, wenn es soweit ist.

© SZ vom 06.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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