Deutsche Nationalelf:Joachim Löw ist heiß, richtig heiß

Nach dem souveränen Sieg gegen Israel ist Bundestrainer Joachim Löw anzumerken, wie sehr er dem Bayern-Block vertraut und wie sehr er die Europameisterschaft herbeisehnt. Seine Botschaft war: Liebe Leute, macht euch keine Sorgen! Jetzt beginnt die EM. Und wir werden da sein.

Carsten Eberts, Leipzig

Irgendwo auf dem Weg zur Pressekonferenz hatte Joachim Löw den DFB-Pressesprecher Harald Stenger verloren. "Der Harald ist bestimmt beim Buffet hängen geblieben", sagte Löw und grinste, was natürlich ein wenig gemein war, schließlich hat Stenger einige Kilo mehr auf den Rippen als sein hagerer Bundestrainer. Als Stenger kurze Zeit später immer noch nicht auftauchte, setzte sich Löw eben alleine ans Mikrofon. "Wir warten jetzt nicht", beschloss er, "Sie interessiert ja sicherlich, was ich zum Spiel zu sagen habe."

Germany's team coach Joachim Loew reacts during their friendly soccer match against Israel in Leipzig

Spürbare Freude auf die Europameisterschaft: Bundestrainer Joachim Löw.

(Foto: REUTERS)

Löw war quietschvergnügt, man sah es ihm an. Endlich ist diese Vorbereitung vorbei, stand es ihm ins Gesicht geschrieben, endlich beginnt die Europameisterschaft. Das letzte Testspiel am Donnerstagabend war noch einmal eine zähe Angelegenheit gewesen: Die DFB-Elf gewann 2:0 gegen Israel, durch Tore von Mario Gomez (40. Minute) und André Schürrle (82.). Ein berauschendes Spiel war es nicht gewesen, aber am Ende stimmte zumindest das Ergebnis.

Das fand auch der Bundestrainer. "Ich gehe entspannt und freudig in die nächste Woche", sagte Löw. Seine Botschaft war vor allem: Liebe Leute, macht euch keine Sorgen! Wird schon alles! Jetzt beginnt die EM! Und wir werden da sein!

Die Woche nach dem deprimierenden, von vielen Fehlern durchsetzten 3:5 gegen die Schweiz hatte freilich einige Debatten aufgeworfen. Ist diese deutsche Abwehr überhaupt EM-tauglich? Ist die deutsche Mannschaft ohne die acht Bayern-Spieler EM-tauglich? Oder wird alles noch viel schlimmer, wenn die vom Champions-League-Finale völlig deprimierten Münchner ihre Verunsicherung aufs restliche Team übertragen?

Das Spiel an sich war diesbezüglich wenig aussagekräftig. Zu destruktiv und in der Offensive zu harmlos agierten die Israelis im Regen von Leipzig, als dass das DFB-Team zu irgendeiner Zeit richtig gefordert gewesen wäre. Die beiden Tore durch Gomez und den eingewechselten Schürrle waren folgerichtig, es hätten auch noch zwei oder drei Treffer mehr fallen können, etwa durch Thomas Müller oder Lukas Podolski, die in der zweiten Halbzeit jeweils freistehend am israelischen Keeper scheiterten.

Die Aufstellung gab dennoch Aufschluss, wie Löw in das Turnier zu gehen gedenkt. All jenen, die glaubten, Löw werde nach den drei vergebenen Titelchancen des FC Bayern lieber den ein oder anderen Spieler von Meister Borussia Dortmund ins Team integrieren, erteilte er eine klare Absage. Einfach Spieler austauschen, die ihm in den vergangenen Jahren so viel Freunde bereitet haben. Nein, so tickt der Bundestrainer nicht.

Gelassen und mit Bayern-Block

Aus dem Stand vertraute Löw deshalb seinen gerade erst ins Training eingestiegenen Bayern-Profis: Torwart Manuel Neuer rückte wieder ins Team, dazu Kapitän Philipp Lahm, Holger Badstuber, Jérôme Boateng, Toni Kroos, Thomas Müller und Mario Gomez. Sieben Spieler des Rekordmeisters standen also auf dem Platz, nur Bastian Schweinsteiger fehlte, den noch seine verletzte Wade plagt.

Und die Spieler von Meister Dortmund? Mussten wieder raus. Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Mario Götze - sie hatten gegen die Schweiz nicht überzeugt und mussten weichen, obwohl der BVB den Bayern zuletzt alle wichtigen nationalen Titel abgeluchst hatte. "Die Bayern-Spieler sind wieder im Rhythmus", sagte Löw lapidar, "für uns ist das sicherlich gut." Auch Kapitän Philipp Lahm erklärte: "Wir Bayern haben erst drei Tage mit der Mannschaft trainiert. Dass heute nicht alles funktioniert, ist doch ganz normal. Wichtig ist, dass wir im ersten EM-Spiel hellwach sind."

Ansonsten ging Löw nicht auf diese unliebsame Debatte ein. Warum auch? Er hatte gesehen, was er sehen wollte: Dass seine Mannschaft mit den Bayern-Profis einen weitaus eingespielteren Eindruck macht als ohne. Und in der jetzigen Phase, nach einer zerrütteten Vorbereitung vor einem wichtigen Turnier, ist dies für Löw die wohl wichtigste Erkenntnis.

So versuchte Löw vor allem, seinem Publikum die Scheu vor dem Turnier zu nehmen. All jenen Pessimisten, die nach dem 3:5 gegen die zweitklassige Schweiz und dem schmucklosen 2:0 gegen die bestenfalls drittklassigen Israelis nun denken: Das ist die deutsche Form? Wie soll das zum EM-Auftakt gegen die starken Portugiesen nur werden?

Löw blieb gelassen. "Man ist nicht völlig zufrieden", gestand er zwar, sagte aber: "Ich bin auch nicht in Sorge. Ich bin im Gleichgewicht, kann die Dinge nun einordnen." Sein Plan, das Team für die EM auf den Punkt vorzubereiten und zu motivieren, kann immer noch aufgehen.

Einige Fragezeichen hat das letzte Testspiel indes beseitigt. Die Mannschaft, die Löw aufbot, dürfte in etwa dieselbe sein, die auch gegen Portugal auf dem Platz stehen wird. Nicht, weil diese Spieler alle eine derzeit überragende Form haben. Sondern weil die Mannschaft so offenbar am besten funktioniert: Mit Badstuber und dem verbesserten, weil ruhiger agierenden Mertesacker in der Innenverteidigung, mit Boateng (rechts) und Lahm (links) auf den Außenverteidiger-Positionen, mit dem altbewährten offensiven Mittelfeldtrio Thomas Müller, Mesut Özil und Lukas Podolski.

Fraglich ist noch, was mit Bastian Schweinsteiger geschieht, sollte er seine Wadenverletzung rechtzeitig loswerden. Ab Montag oder Dienstag könne Schweinsteiger wieder mit der Mannschaft trainieren, stellte Löw in Aussicht, betonte jedoch auch: "Alle, die auflaufen, müssen schmerzfrei sein." Das gilt ebenso für Chefstürmer Miroslav Klose, der wohl den Vorzug gegenüber Gomez erhalten dürfte, sobald er seine Knöchelprobleme auskuriert hat.

Am Freitag wird noch einmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert, am Wochenende bekommen die Spieler frei, sie sollen sich mit individuellen Übungen fit halten. Am Montag startet dann der Flieger in Richtung Danzig. Dem Bundestrainer diesbezüglich Hummeln im Hintern zu unterstellen, ist gewiss untertrieben. "Wir haben in diesem Jahr nur Testspiele gemacht", sagte Löw kurz bevor er den Raum wieder verließ: "Das ist nichts für einen Trainer. Ich will Wettkämpfe." Nein, Löw ist heiß! Richtig heiß!

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