Deutsche Männer-Staffel:Glückliche Verlierer im norwegischen Jubelrausch

Die Norweger um Rekordmann Björndalen sind zu stark. Lesser, Doll, Peiffer und Schempp werden Zweiter - und sind damit "super happy".

Von Volker Kreisl

Auch dieser Zieleinlauf war eine Parade. Wie schon beim WM-Sieg von Norwegens Frauen-Staffel am Freitag waren die Plätze eins bis drei auch bei den Biathleten auf den letzten Kilometern sauber verteilt. Getrennt mit jeweils zehn Sekunden Vorsprung auf den Nächsten zogen die Schlussläufer der drei führenden Männerteams am Samstag ihre Bahn auf der letzten Runde. Wieder also war es kein packendes Finish, doch die Zuschauer an der Strecke und auf den drei großen Tribünen im Stadion johlten und schrien dennoch. Es waren ja die Norweger, die hier gewannen.

Und es war ein weiterer Tag für die Ole-Einar-Björndalen-Statistiker: Der Rekordmann holte seine 20. WM-Goldmedaille, seine 43.WM-Medaille. Für den Fall, dass der 42-Jährige am Sonntag seine Karriere tatsächlich beendet, ist eine besondere Zeremonie geplant, Gerüchten zufolge ein bewegender Abgang in der Rentierkutsche. Aber wahrscheinlich hängt Björndalen doch wieder eine Saison dran. Und noch eine. Für die Staffel, das hat er am Samstag als Startläufer wieder bewiesen, ist er weiterhin Gold wert.

Weit abgeschlagen: Österreicher, Tschechen, Russen - und Franzosen

Im Ziel hatte Schlussläufer Emil Hegle Svendsen 11,5 Sekunden Vorsprung vor dem Deutschen Simon Schempp, der wiederum 11,9 Sekunden eintraf vor - und das war die große Überraschung des Tages - Kanada. Die vier unerfahrenen Jungs aus Canmore in den Rocky Mountains, die vom deutschen Coach Matthias Ahrens trainiert werden, hatten im Zentrum des Nordic-Sports beim Höhepunkt des Jahres den Rest des Biathlon-Establishments distanziert. Weit abgeschlagen rückten irgendwann Österreicher (eine Strafrunde), Tschechen und Russen (eine Strafrunde) an. Von der hoch gehandelten Staffel Frankreichs war lange keine Spur. Nach zehn Nachladern war auch der viermalige Gold-Gewinner bei dieser WM, Martin Fourcade, chancenlos. Am Ende wurde Frankreich Neunter, Fourcade sparte zumindest Kräfte für den Massenstart, dem WM-Finale (Sonntag, 16 Uhr, ZDF und Eurosport).

Am Schluss war es eine anstrengende Runde für Schempp, das Team hatte zwar den Titel nicht verteidigt, aber Schempp sagte: "Wir sind glücklich über Silber." Startläufer Erik Lesser sagte gar, er sei "super happy" mit dem zweiten Platz. Für Bundestrainer Mark Kirchner war die Silbermedaille ein wichtiges Zeichen: "Wir haben wieder unter Beweis gestellt, dass wir zu den Besten gehören."

Lesser übergibt als Führender

Doch die Besten, das sind eben die Norweger. Der entscheidende Schlussläufer Emil Hegle Svendsen sagte: "Ich war vor dem letzten Schießen wirklich nervös. Aber es lief dann schon okay." An der Spitze war früh schon der Zweikampf zwischen Norwegern und Deutschen im Gange. Anfangs geschah dies noch versteckt im Pulk, denn die wenig furchteinflößenden Slowaken, Kasachen, Amerikaner und eben Kanadier hielten ja auch noch eine Weile mit. Neben Frankreich verabschiedete sich dann auch Russland früh durch die Strafrunde von Jewgeni Garanitschew vom Medaillenrennen.

Bei den Deutschen hatte zunächst Lesser dank zweier sauberer und zügiger Serien als Führender übergeben. Benedikt Doll ließ sich wieder zurückfallen und klemmte sich an die Ski-Enden von Tarjei Bö, dem zweiten Norweger. Beide schossen jeweils zwei Fehler, beendeten ihren Einsatz auf gleicher Höhe, erst Arnd Peiffer büßte gegen Bös Bruder Johannes eine halbe Minute ein. Alles spitzte sich auf den Zweikampf zwischen Schempp und Svendsen zu.

Svendsen nutzt eine einmalige Chance

Der 27-jährige Deutsche hatte sich Einiges zu beweisen, er war nach überragendem Saisonbeginn zur WM in ein Formloch geraten. Und der Norweger, 30, einst sogar besser als Fourcade, wollte sich noch mehr beweisen. Svendsen hatte ja in Führung liegend bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi Gold verloren. Norwegen landete damals sogar jenseits der Medaillenränge. Svendsen, der einmal sagte "Mir geht's nicht um Biathlon, mir geht's um's Siegen", stürzte danach in eine sportliche Sinnkrise. Richtig in Form kam er seitdem nicht mehr. Die einmalige Chance, sich und den anderen wieder die alte Nerven- und Laufstärke zu beweisen, war nun bei der WM im eigenen Land.

Kurz nur geriet er ins Trudeln, zweimal musste er nachladen, aber den Zehn-Sekunden-Vorsprung gegen Schempp konnte er verbissen halten. Die Chance von Oslo hat Svendsen genutzt.

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