Deutsche Männer erreichen Finale:Endlich richtig Hockey gespielt

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Nach einer schwachen Vorrunde kommen die deutschen Hockeyspieler zur rechten Zeit in Schwung: Im Halbfinale setzen sie sich in einem aufregenden Spiel gegen Weltmeister Australien 4:2 durch - und träumen nun von Gold. Kurzen Ärger gibt es nur, als der Schiedsrichter das schönste Tor des Tages aberkennt.

Volker Kreisl, London

Anscheinend ist das so, sagte Christopher Zeller, anscheinend haben das die deutschen Hockeyspieler bei großen Turnieren "immer gebraucht". Zu wichtigen Anlässen hatte das Team seine Stärken nie sofort gezeigt, es musste immer erst eine Vorrunde mit Niederlagen und Zweifeln überstanden werden, bis der Schwung die Mannschaft erfasste und zu Medaillen führte.

Alle auf den Torwart: Die deutschen Hockeyspieler feiern den Erfolg gegen Australien.  (Foto: Getty Images)

Bei den Spielen in Athen 2004 und in Peking 2008 war es ihnen so ergangen, und London hat sich dieses Leitmotiv nun wiederholt. 4:2 (1:1) gewann das Team gegen Australien im Halbfinale und steht am Samstag wieder im Endspiel.

Die Leistung vom Donnerstag gibt dabei durchaus Anlass zu Optimismus. Australien hat in den letzten zwei Jahren kein Turnier mehr verloren, und die Deutschen sind nicht gerade ihr Angstgegner. In den letzten Minuten dieses olympischen Halbfinales aber konnten die Spieler von Coach Richard Charlesworth nur noch schwer laufen.

Sein Gegenüber Markus Weise hatte das fittere Team auf den Platz geschickt und ihm die überlegenere Taktik verordnet. Weise, ein Perfektionist, fand danach womöglich das höchste Lob: "Es war das erste Mal in diesem Turnier, dass die Mannschaft richtig Hockey gespielt hat."

Es war ein unterhaltsames Halbfinale von zwei Mannschaften, die Angriffshockey bevorzugen, mit ansehnlichen Toren, strittigen Szenen und Video-Entscheidungen. Die Australier hatten begonnen wie immer. Sie stürzten sich mit drei, vier Spielern dorthin, wo der Gegner gerade den Ball hatte und das Spiel eröffnen wollte und stellten sämtliche Anspielmöglichkeiten zu. "Wir wussten das ja", sagte Angreifer Christopher Zeller, "die Australier geben in den ersten Minuten extrem Gas."

Das Gegenmittel hatten sie auch im Kopf, nur, bis taktische Anweisungen in einem Guss umgesetzt werden, dauert es eben. In diesem Fall rund 20 Minuten, dann hatte Weises Mittelfeld seine Zuspiel- und Stoppfehler abgestellt und die richtigen Gassen durch die Barrieren gefunden. Aber in jener Minute, als sie das Spiel erstmals dominierten, kassierten sie das 0:1.

Es war eine Szene, wie sie im modernen Hockey üblich ist. Erst gab der Schiedsrichter Siebenmeter, dann wurde Video geschaut, dann der Penalty aufgehoben, weil Christopher Zeller knapp außerhalb des Strafraums gefoult worden war. Der folgende Freistoß brachte nichts ein, eine weitere Strafecke wurde gehalten und dann wehrte Torwart Max Weinhold einen Weitschuss ab und Kieran Govers holte mächtig aus und setzte den Ball im Nachschuss ins deutsche Tor.

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Nachher sprachen sie alle als erstes vom Teamgeist, der diese Mannschaft auszeichne. "Wir haben 16 Spieler auf dem Platz, mit den beiden Ersatzleuten 18", sagte Fürste, "alle wissen, dass sie dem anderen bedingungslos vertrauen können." Auch die Besten würden im fliegenden Wechsel ausgetauscht, "weil sie sich ja auch erholen müssen". Der letzte Auslöser dafür, damit der Geist dann auch das Team ergriff, war wohl dieses Gegentor. Danach wirkte die Mannschaft nicht nur gewillt, sondern auch ehrgeizig.

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Der Ausgleich gelang per Strafecke, aber, sagte Zeller, auch wenn sein Team noch einmal in Rückstand geriet, weil die Verteidiger wieder einen Weitschuss nicht ordentlich abgewehrt bekamen und Glenn Turner den Ball in Nachschüssen erst flach vergeben und dann hoch verwandeln durfte: "Der Trotz blieb." Er blieb auch, als dem Team abermals ein Videobeweis zum Verhängnis wurde, diesmal war der Ausgleich sogar bereits gefallen.

Oskar Deecke hatte einen langen Ball in der Luft angenommen, mit der Kelle volley weiter geleitet und über die Schulter des Keepers nicht ohne Eleganz dem Tor zugeführt. Weil aber seit einiger Zeit prinzipiell Schüsse über Schulterhöhe wegen Gefährlichkeit verboten sind, galt auch dieser zarte Lupfer nicht.

Inzwischen hatten die Australier einen Teil ihrer Dynamik eingebüßt, und irgendwann zahlte sich die spielerische Überlegenheit von Weises Team aus. Die Wende gelang schließlich mit einer Trefferserie innerhalb von zehn Minuten. Das 2:2 erzielte Matthias Witthaus per Abstauber, das 3:2 gelang Timo Wess nach Strafecke - die sich die Deutschen per Videobeweis erklagt hatten -, das 4:2 war Folge eines Konters. Florian Fuchs musste den Ball nach Christopher Zellers Querpass nur noch im leeren Tor unterbringen.

Sieben Minuten waren es noch, da kann noch viel passieren. Aber Weise hatte diesmal nicht nur ein taktisch funktionierendes Team mit viel Teamgeist, sondern auch einen sicheren Torwart. Max Weinhold zeigte in mehreren Situationen Reaktionsvermögen. Gleich nach dem 4:2 brachte er sich nochmals in Erinnerung und wehrte aus kürzester Distanz ab. Die restlichen Minuten bis zum Einzug ins olympische Finale brachten die Deutschen weitgehend gefahrlos hinter sich.

© SZ vom 10.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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