Süddeutsche Zeitung

Deutsche Kanuten:Im Finale einmal kurz geschaukelt

Erst im Sitzen holt der Deutsche seine Siege: Acht von zehn Goldmedaillen gewannen die deutschen Olympioniken bislang auf dem Rad, dem Pferd oder im Boot. Die deutschen Kanuten bleiben am letzten Wettkampftag zwar ohne Medaille - die Bilanz ist dennoch herausragend.

Jürgen Schmieder, Eton Dorney

Man erzählt sich in London derzeit einen schönen Witz. Natürlich erzählt man sich in London dauernd schöne Witze, aber dieser ist besonders schön, weil er mit den Olympischen Spielen und seinen Teilnehmern zu tun hat. Der Witz beginnt, und das ist schon mal genial, dass der Deutsche ja nun wirklich nicht gut zu Fuß sei. Laufen, nein, Laufen sei nun wirklich nicht die Tugend des Teutonen.

Wenn man diesen Deutschen allerdings in ein Boot setzt, auf ein Pferd oder auf ein Rad, dann werde plötzlich ein Sportler aus ihm, der bei den Olympischen Spielen Medaillen gewinnen kann. Deshalb solle der Deutsche Olympische Sportbund doch statt Zielvorgaben aufzustellen lieber den Antrag beim IOC stellen, zu allen Disziplinen eines dieser Sportgeräte mitnehmen zu dürfen.

Es wäre natürlich schon interessant, ob Paul Biedermann eine Chance gehabt hätte gegen Michael Phelps, wenn er hätte paddeln dürften. Es steckt aber doch viel Wahrheit in diesem Ulk: 42 Medaillen haben deutsche Sportler bislang geholt, davon fünf auf dem Rad, vier auf dem Pferd - und elf in irgendeinem Boot.

Das Schöne für die Deutschen war an diesem Samstag: Es gab noch ein paar Disziplinen, bei denen man das Boot benutzen durfte, in dieser herrlichen Wettkampfstätte in Eton Dorney wurden die Finals der Paddler ausgetragen. In zwei davon waren deutsche Sportler vertreten - und in beiden Ronald Rauhe. Er ging im Canadier-Sprint, dort war er 2009 Weltmeister geworden, als Außenseiter an den Start, mit seinem Kollegen Jonas Ems im Zweier durchaus als aussichtsreicher Kandidat.

Nun fand das Einzel eine Stunde vor dem Doppel statt - und es war anzunehmen, dass Rauhe ein paar Kräftewürde sparen wollen für den Auftritt später. Er kam als Letzter ins Ziel, gratulierte sogleich dem Sieger Ed McKeever und sagte danach: "Ich bin nicht zufrieden, ich wäre schon gerne im Mittelfeld mitgefahren. Wir hatten zum ersten Mal Gegenwind, das Rennen wird zum ersten Mal bei Olympia gefahren - aber es war auch eine gute Vorbereitung auf den Zweier, darauf freue ich mich jetzt."

Nur eine Stunde hatte Rauhe, um sich auf das nächste Rennen vorzubereiten: "Das ist genügend Zeit, das ist kein Problem", sagte er dennoch, "bei diesem Rennen wollen wir vorne dabei sein." Über 500 Meter war Rauhe mit seinem damaligen Partner Tim Wieskötter Olympiasieger in Athen geworden, vier Jahre später unterlagen die beiden um neun Hundertstel Sekunden den Spaniern. Nun startete Rauhe mit Jonas Ems über 200 Meter, das zum ersten Mal im olympischen Programm stand.

Rauhe und Ems begannen stark, doch bei der Hälfte der Strecke schaukelte das Boot plötzlich, die beiden kamen als Achte ins Ziel. "Unser Start war hervorragend", sagte Ems danach, "doch dann hatten wir einen Wackler und das ist auf dieser kurzen Strecke natürlich fatal." Rauhe sagte zunächst nur: "Scheiße!" Dann wischte er sich eine Träne aus dem Auge und sagte: "Vielleicht wollten wir auch zu viel. Wir wussten, dass heute etwas möglich war, deshalb sind wir nun einfach nur enttäuscht."

Insgesamt natürlich können die Kanuten trotzdem zufrieden sein mit dem Abschneiden bei Olympia, sechs Medaillen haben sie geholt, davon drei goldene. "Natürlich hätten wir diese siebte Medaille heute gerne noch gehabt", sagte Jens Kahl, Sportdirektor des Deutschen Ruderverbandes. Sieben Medaillen seien im Plan gestanden. "Wir haben unserer Ziele schon realistisch formuliert", sagte Kahl, "aber natürlich haben Olympische Spiele auch eigene Gesetze, da kann mal was passieren, wie man heute auch gesehen hat."

Grundsätzlich sei der Verband aber hochzufrieden sein. In Deutschland ist nun ohnehin eine Debatte entbrannt über die teils irrsinnigen Zielvorgaben an die deutsche Mannschaft. Es gibt nun einige Disziplinen, bei denen über die Vorgabe diskutiert werden muss - nicht die Athleten über ihre Leistungsstärke, sondern jene, die allzu ehrgeizige Ziele vorgegeben haben.

Wer ganz entspannt in diese Debatte gehen kann: Die Verantwortlichen jener Disziplinen, in denen man auf einem Rad, in einem Boot oder auf einem Pferd sitzt.

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