Süddeutsche Zeitung

Deutsche Handballerinnen:Der Impulsgeber soll bleiben

Lesezeit: 3 min

Verzweifelt bemühen sich die deutschen Handballerinnen um den Anschluss an die Weltspitze - Bundestrainer Henk Groener spielt in den Planungen des DHB eine umso wichtigere Rolle.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Handballerinnen auf Zeitschriften-Covern, Handballerinnen in Fernseh-Talkshows, Handballerinnen, die im Café Autogramme geben. Ungefähr so könnte man sich das vorstellen, wenn Axel Kromer von einem gewissen Promi-Faktor deutscher Handballerinnen träumt. Sollte das jemals wahr werden, dann hätte sich die Frauenhandball-Reform unter der Führung des Sportvorstands im Deutschen Handball-Bund (DHB) dereinst als Erfolg erwiesen. Am kommenden Sonntag aber muss sich zunächst einmal entscheiden, ob diese Reform überhaupt durchgeführt wird.

Der Erfolg des darbenden deutschen Frauenhandballs ist ein langfristiges Projekt, für das kurzfristige Entscheidungen notwendig sind. Seit einem Jahr hat eine "Arbeitsgruppe Frauenhandball" eine Strukturreform vorbereitet, die die Arbeit in den Vereinen professionalisieren, die Nachwuchsförderung zentralisieren, die Bundesliga verkleinern und die Struktur der Ligen straffen will. So soll zum Beispiel die dritte Liga abgeschafft werden, was vielen Drittligisten natürlich überhaupt nicht gefällt.

Dienen sollen die Veränderungen dem Wohle jener Frauen-Nationalmannschaft, die mit mehr Erfolg dann auch mehr Ruhm für die Vereine abwerfen könnte. "Unsere Grundidee war, eine Struktur für einen erfolgreichen und damit lukrativen Frauenhandball zu entwickeln", sagt Kromer als Vorsitzender der Arbeitsgruppe. "Wir wollen Spielerinnen entwickeln, die nicht nur regional bekannt sind, sondern ähnlich wie bei den Männern überregional zu prominenten Persönlichkeiten werden."

"Wir müssen als zahlenmäßig größte Handballnation der Welt unbedingt etwas tun"

Die auf 42 Seiten zusammengefassten Reformvorschläge wühlen die Branche bereits hier und da auf, bevor sie am kommenden Sonntag vom DHB-Bundestag in Düsseldorf verabschiedet werden sollen. Kromer hält diesen Weg aber für alternativlos. "Wir hinken der Weltspitze im Frauenbereich seit Jahren hinterher und müssen da als zahlenmäßig größte Handballnation der Welt unbedingt etwas tun", sagt er. Der Bundestag am Sonntag und die Weltmeisterschaft im Dezember in Spanien markieren relevante Prüfungen für den deutschen Frauenhandball, denn sollte die Reform abgelehnt und die WM mal wieder eine Enttäuschung werden, dann droht auf Jahre hinaus graues Mittelmaß.

"Wir haben den Anschluss an die Weltspitze definitiv verloren", sagt die ehemalige National- und Bundesligaspielerin Anna Loerper. Sie war 2007 dabei, als deutsche Handballerinnen mit WM-Bronze letztmals eine Medaille gewonnen haben, und 2008, als ein deutsches Frauenhandballteam letztmals bei Olympia war. Auch Loerper gehört zur Arbeitsgruppe und sagt: "Wir brauchen diese Reform." Zwei Punkte erscheinen ihr besonders wichtig: "Die tägliche Arbeit in den Vereinen muss intensiviert werden." Und: "Ich wünsche mir mehr Kommunikation zwischen dem DHB, der Frauen-Bundesliga und den Landesverbänden."

Ein relevanter Baustein in den Planungen des DHB ist offenbar weiterhin der Niederländer Henk Groener als Bundestrainer. Nach Platz zehn bei der EM 2018, Platz acht bei der WM 2019 und Platz sieben bei der EM 2020 schien seine Weiterbeschäftigung je nach Ausgang der bevorstehenden WM auf der Kippe zu stehen. Eigentlich würde sein aktueller Vertrag am Ende des Jahres auslaufen. Doch dieser Vertrag wurde inzwischen offenbar abgeändert. Details will Kromer nicht nennen. Nur so viel: "Wir haben mit Henk Groener eine Lösung gefunden, dass wir ohne zeitliche Brisanz im Nachgang der WM die Zukunft mit ihm besprechen können." Man hat geahnt, dass vor der am 1. Dezember beginnenden WM allerhand Fragen nach Groeners Zukunft kommen würden, will sich davon aber nicht unter Druck setzen lassen.

"Wir werden nach der WM in aller Ruhe mit ihm diskutieren, welche die nächsten Schritte sein müssen", sagt Kromer. Mit Olympia 2024 und der Heim-WM 2025 habe man große Ziele vor Augen. Wenn man Kromer fragt, ob er also davon ausgehe, dass Groener über die WM und das Jahr hinaus Bundestrainer bleibe, dann sagt er: "Ja, davon gehe ich aus, weil wir gemeinsam an der Entwicklung der Nationalmannschaft arbeiten und bei der WM in Spanien hoffentlich gute Leistungen und ein erfreuliches Ergebnis sehen; wir wollen uns dann in den ersten Monaten des nächsten Jahres zusammensetzen und die weiteren Schritte überlegen."

Groener ist ein relevanter Impulsgeber für die geplante Reform. Sein Credo, erfolgreiche Nationalspielerinnen müssen Vollprofis sein und können nicht täglich einer beruflichen Nebentätigkeit nachgehen, gehört gewissermaßen zu den Prämissen des Projekts. So sollen laut den Reformplänen etwa die besten Nachwuchsspielerinnen montags bis freitags in einem nationalen Nachwuchsleistungszentrum zusammenkommen und nur am Wochenende daheim für ihren Verein spielen.

Die Sache mit den Covern, den Talkshows und den Autogrammen ist natürlich nicht das eigentliche Ziel der Reform. "Was wir wollen, ist, wieder ein stabiler Kandidat für Medaillen zu werden", sagt Kromer. 1993 waren deutsche Handballerinnen letztmals Weltmeister. So einen Triumph 2025 in heimischen Hallen wiederholen zu können, ist zwar eine hehre Vision, verliehe dem Frauenhandball aber unschätzbaren Rückenwind.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5424295
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.