Süddeutsche Zeitung

Deutsche Formel-1-Fahrer:Pannenserie wie 2010

Michael Schumacher nur Siebter, Sebastian Vettel von der Rennkommission bestraft: Für die deutschen Formel-1-Fahrer war das Heimrennen in Hockenheim höchst deprimierend. Weltmeister Vettel bleibt für die Hoffnung auf eine bessere zweite Saisonhälfte vor allem eines: der Blick in die Vergangenheit.

Michael Neudecker, Hockenheim

Das mit dem Nacktmodel ist natürlich eine lustige Sache, so lustig, dass der Sportinformationsdienst das am Montag extra meldete. Micaela Schäfer, das Nacktmodel, das jedem RTL-Zuschauer selbstverständlich bekannt ist, werde am Freitag in Berlin die Wachsfigur von Sebastian Vettel enthüllen, meldete also der sid, die Nachbildung sei für das Londoner Wachsfigurenkabinett "Madame Tussauds" bestimmt. Dass Frau Schäfer die Figur enthülle und ausnahmsweise mal nicht, wie sie sagt, sich selbst, das passe, findet die Pressesprecherin der Londoner Menschenkopierer: "Wo Rennfahrer sind, da sind auch sexy Frauen."

Kann sein, dass die ganze lustige Micaela-Schäfer-Sache ein bisschen an Sebastian Vettel vorbeigeht, am Freitag ist er ja schon in Ungarn, er muss da am Wochenende ein Rennen fahren. Und wo Vettel ist, da ist zurzeit kein Lachen.

Gewiss, vor ein paar Tagen noch, am Donnerstag, da scherzte Vettel mit Michael Schumacher und den anderen deutschen Fahrern in Hockenheim vor der Presse herum, Schumacher musste vor lauter herumscherzen sogar so sehr lachen, dass daraus ein Husten wurde. Aber dann kam das Wochenende, das Heimwochenende, Hockenheim ist ja keine 50 Kilometer von Vettels Geburtsort entfernt. Das Heimwochenende wurde ein Wochenende zum Abhaken, für Vettel, aber auch für Schumacher und für die anderen Deutschen, also auch für Jörg Lindner.

Lindner ist, gemeinsam mit Kai Richter, Betreiber der Rennstrecke am Nürburgring, die Nürburgring GmbH meldete am Freitag Insolvenz an, so ging das Wochenende los. Und dann kam Lindner mit Richter nach Hockenheim, um mit Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone über die Zukunft des Nürburgrings zu sprechen, sie hatten einen Termin am Samstag um zwölf Uhr.

Aus dem mobilen Büro von Ecclestone aber trat nur seine Sekretärin heraus, eine Frau mit schwarzem Haar, Mister Ecclestone rufe an, sobald er Zeit habe, sagte die Sekretärin. Lindner hielt sein Handy in der rechten Hand, stundenlang, zwischendurch hatte sein Gerät keinen Empfang, weil Handys in Hockenheim öfter mal keinen Empfang haben, da wurde er leicht panisch. Ecclestone aber rief nicht an: Er war gar nicht in Hockenheim.

Wie Jörg Lindner und seine Kollegen vor Ecclestones Büro standen und warteten, wie Kinder an Weihnachten warten, bis sie in das Zimmer mit dem Christbaum dürfen, das war ein schönes Bild, es erzählte viel über dieses Wochenende der Deutschen in Hockenheim.

"Es war ganz sicher kein Rennen, an das ich noch lange zurückdenken werde", sagte zum Beispiel Timo Glock. Glocks Auto vom russischen Motorenhersteller Marussia ist chancenlos gegen die meisten anderen, aber zumindest war Glock in dieser Saison fast immer vor seinem Teamkollegen Charles Pic. In Hockenheim belegte Pic Rang 20, das ist nicht besonders gut, aber Glock wurde Vorletzter.

Nico Rosberg Zehnter, Nico Hülkenberg trotz guter Startposition vier Neunter, Michael Schumacher Siebter, das waren die Resultate der anderen. Nach dem Rennen in Ungarn kommende Woche geht die Formel 1 in eine vierwöchige Sommerpause, und wenn die alte Sportlerweisheit stimmt, dass Erfolg vor allem unmittelbar vor einer Pause psychologisch bedeutsam sein soll, dann wird das Rennen in Budapest schon ein besonders wichtiges für die Deutschen. Aber alte Sportlerweisheiten sind ja meistens Unsinn, für Schumacher und seine Kollegen ist jedes Rennen wichtig, gerade für Schumacher: Er und sein Team versuchen seit Monaten zu verstehen, wieso sein eigenartiges Auto mal schnell ist und mal langsam.

"Wir müssen uns steigern", sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug nur, er saß am Sonntagabend im Glaskubus von Mercedes im Fahrerlager, er war schlecht gelaunt. Gleich nebenan, bei Red Bull, saß kurz darauf Sebastian Vettel, er wollte gerade etwas essen, als ihm sein Physiotherapeut die Nachricht überbrachte, dass er wegen eines Regelverstoßes vom zweiten auf den fünften Rang zurückgestuft wurde. Vettel sagte nichts, er holte sich einen Teller Nudeln und verschwand, er war nicht schlecht gelaunt, sondern stinksauer.

Das ganze Rennen hatte er zusehen müssen, wie vorne Fernando Alonso seine Runden drehte, und dann, als er wenigstens Jenson Button mit einem diskussionswürdigen Manöver überholt hatte und auf Platz zwei fuhr, bestraften ihn die Rennkommissare. In der WM-Wertung ist Vettel weiterhin Dritter, auf den Führenden Alonso hat er schon 44 Punkte Rückstand. Er hat erst ein Rennen in dieser Saison gewonnen, dafür aber aus verschiedenen Gründen immer wieder Punkte verloren.

Ein wenig ist es wie 2010, damals passierte Vettel dauernd irgendetwas, das ihn Punkte kostete: ein Zündkerzen-Defekt in Bahrain, ein Vorderrad-Schaden in Australien, eine Kollision in der Türkei, eine Durchfahrtstrafe wegen eines Regelverstoßes in Ungarn, und so weiter. Die Parallele zu 2010 aber muss nicht unbedingt schlecht sein für Sebastian Vettel. Damals war er zwei Rennen vor Schluss Vierter, Fernando Alonso war Erster. Zwei Wochen später war Vettel Weltmeister.

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SZ vom 24.07.2012/ska
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