Deutsche Elf vor dem Spiel gegen Belgien:Thomas Müller spielt immer

Auch gegen Belgien will Bundestrainer Joachim Löw keine Mitglieder aus seinem Bayern-Block schonen. Warum auch? Die Bayern-Profis können von der ähnlichen Spielweise der DFB-Elf profitieren. Für Thomas Müller ist jedes Länderpiel ohnehin eine schöne Pflicht - ihn stört nur, dass Torwart Manuel Neuer beim Schafkopfen mittlerweile fast "auf Augenhöhe ist".

Philipp Selldorf, Düsseldorf

Als sich im vorigen Winter die Leute von Schalke 04 noch den Kopf darüber zerbrachen, wie sie Manuel Neuer zum Bleiben in Gelsenkirchen überreden könnten, haben die Nationalspieler des FC Bayern den Transfer längst vorweggenommen und mit der Eingliederung des Torwarts begonnen.

Sie haben Neuer in ihre Mitte genommen und mit einem stilbildenden bayrischen Brauchtum bekannt gemacht, dem Schafkopfen. Den Schilderungen von Thomas Müller zufolge war die Einführung in das nationale Kartenspiel sozusagen der Anfang einer systematischen Umerziehung. "Wir haben ihn angelernt, dann haben wir ihn ein bisschen gewinnen lassen, dann musste er Lehrgeld bezahlen, und jetzt ist er fast auf Augenhöhe", erzählte Müller am Montag in Düsseldorf, als es wieder mal darum ging, wie weit das Leben beim FC Bayern in das Leben der deutschen Nationalelf hineinwirkt.

In Dortmund mag man es daher mit einer gewissen Sorge hören, dass der Schafkopfrunde beim DFB-Team außer Neuer, Müller und Philipp Lahm auch der Dortmunder Mats Hummels angehört - auch wenn der Verteidiger eine in die Kindheit reichende bayrische Vergangenheit hat.

Während die Nationalmannschaft dem EM-Qualifikationsspiel gegen Belgien entgegensieht, blicken die Bayern schon auf ihr Punktspiel am Samstag bei Hertha BSC, erstaunlicherweise hat aber noch kein Verantwortlicher aus der Säbener Straße beim Bundestrainer angerufen und die Demobilisierung der Münchner Nationalspieler verlangt. Nicht mal wegen einer partiellen Einsatzverschonung für Lahm, Schweinsteiger und andere ihrer viel beanspruchten Profis sind sie beim Bundestrainer vorstellig geworden. Joachim Löw hätte, so sagt er jedenfalls, auch keine Zugeständnisse gemacht. Wäre es bloß ein Testspiel, dann wäre er mit Rücksicht auf die Vereine bereit, dem einen oder anderen Spieler die Einsatzzeit zu kürzen, "aber dies ist ein Pflichtspiel, in dem ich nur dreimal wechseln darf. Da kann es keine Absprachen mit den Vereinen geben".

Schweinsteiger und Boateng angeschlagen

Fraglich ist die Berufung von Boateng und Schweinsteiger, beide sind seit der Partie in Istanbul angeschlagen. Anstelle von Mario Götze, der tatsächlich erholungshalber heimgeschickt wurde, soll Mesut Özil spielen, weitere Umbauten hat Löw nicht vorgesehen. Für einen passionierten Fußballer wie Thomas Müller käme es aber ohnehin nicht in Frage, um die Heimreise zu bitten. "Man spielt bei jedem Länderspiel gern mit", sagte er in Düsseldorf und machte einen Spaß daraus: "Vor allem, wenn man schon mal hier ist."

Moralische Verpflichtung für die Deutschen

Vielleicht hat man in München ein Einsehen in die Notwendigkeiten - nicht zuletzt bedingt die Wettbewerbssituation in Gruppe A eine gewisse moralische Verpflichtung für die Deutschen -, vielleicht sieht man aber auch den Nutzen, den das Hoch bei der Nationalelf für die Bayern bringen kann. "Es ist immer ein gegenseitiges Profitieren", meint Löw und verweist darauf, dass sich die Strategieentwürfe von Jupp Heynckes und dessen Vorgänger Louis van Gaal relativ problemlos mit dem Leitmotiv des DFB-Teams harmonisieren ließen. Die Muster des Offensivspiels seien "vergleichbar", so Löw, auch wenn sie "in Nuancen" differenzierten. Zwar betont Löw, dass die Nationalelf einen vom Personal unabhängigen Spielstil entwickelt habe, und er deshalb keine besondere Notwendigkeit zur sogenannten Blockbildung sehe, faktisch ergibt sich aber die formelle Annäherung von selbst - nicht nur das Übergewicht der Bayern-Spieler im Kader.

Germany's Mueller fights for the ball with Turkey's Korkmaz during their Euro 2012 qualifying Group A soccer match at Turk Telekom Arena in Istanbul

Passionierter Nationalspieler: Thomas Müller freut sich über jeden Einsatz in der DFB-Elf.

(Foto: REUTERS)

Angleichung der Betriebssysteme

Noch gebe es Unterschiede, meint Mario Gomez, der Mittelstürmer, und gibt zu verstehen, dass aus den Zeiten des Ballbesitzfetischisten van Gaal eine gewisse Trägheit im Münchner Spiel herrscht, "aber Jupp Heynckes will das ändern: Er will nicht mehr in einem Trott spielen, er will Tempowechsel, und er will, dass nach dem Umschalten in die Offensive die Post abgeht". Gomez beobachtet deshalb eine "Angleichung" der Betriebssysteme. Den unvermeidlichen Einfluss des starken Münchner Flügels auf das Leben der Nationalmannschaft dürfe man aber nicht falsch deuten, sagt Thomas Müller: "Natürlich sprechen die Spieler des FC Bayern ein gewichtiges Wort", meint er, aber im Zeitalter der flachen Hierarchien seien die klassischen Fraktionen und teaminneren Bündnisse nicht mehr gefragt: "Da kann man nicht mehr von Hausmacht sprechen."

Gegen Belgien eint die Münchner und die versprengten Abgesandten aus Dortmund, Köln, Schalke, Stuttgart an diesem Dienstag dasselbe Ziel. Es geht um den Rekord einer makellosen Qualifikationskampagne und um das Urteil, das eines Tages darüber gesprochen wird. "Es ist zwar kein weltbewegendes Spiel, das uns die nächsten sechs Monate beschäftigen wird", sagt Thomas Müller, ein Mann, dem falsche Feierlichkeit fremd ist: "Aber ich will ein gutes Länderspiel machen, damit ich gute Berichte in der Zeitung lesen kann."

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