Deutsche Elf in der Einzelkritik:Desorientiert, aber gut frisiert

Mats Hummels wirkt erstmals konfus, Jérôme Boateng fehlen drei Dutzend Karrierejahre an Cleverness, Lukas Podolski knüpft an seine Leistung vom WM-Halbfinale 2006 an. Und Özils Elfmetertreffer? Kommt zu spät. Die deutsche Elf beim 1:2 gegen Italien in der Einzelkritik.

Christof Kneer und Philipp Selldorf

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Italy's Balotelli scores a goal against Germany's goalkeeper Neuer during their Euro 2012 semi-final soccer match at the National Stadium in Warsaw

Quelle: REUTERS

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Manuel Neuer

Mats Hummels wirkt erstmals konfus, Jérôme Boateng fehlen drei Dutzend Karrierejahre an Cleverness, Lukas Podolski knüpft an seine Leistung vom WM-Halbfinale 2006 an. Und Özils Elfmetertreffer? Kommt zu spät. Die deutsche Elf beim 1:2 gegen Italien in der Einzelkritik.

Aus Warschau von Christof Kneer und Philipp Selldorf

Manuel Neuer: Leuchtete in seinem grellroten Trikot wie nie, noch mehr als die Werbebande und Lukas Podolskis Schuhe. Die Italiener nahmen den unübersehbaren Münchner gleich ins Visier, Montolivo und Cassano probierten es mit scharfen Flachschüssen - Alltagsware für Neuer. Anders als bei Balotellis Kopfball zum 1:0, da war er machtlos. Anders auch als bei Balotellis Kracher zum 0:2, da war er ebenfalls machtlos. Klatschte dem missratenen Gesamtkunstwerk sarkastisch Beifall.

EURO 2012 - Deutschland - Italien

Quelle: dpa

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Jérôme Boateng

Jérôme Boateng: Mutige Offensiveinlagen, als das Spiel noch in der Gründungsphase steckte. Als es ernst wurde auf seiner Seite, griff er beim 0:1 nur zaghaft ein - und obendrein vergeblich. Überraschte ein paarmal mit einer neuen Begabung als Flankenläufer, aber in seinem rückwärtigen Kerngeschäft traf er oft auf Cassano, der Boateng drei Dutzend Karrierejahre an Cleverness voraushat.

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Quelle: AP

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Mats Hummels

Mats Hummels: Hervorragende Zweikämpfe in der ersten Viertelstunde gegen Balotelli, beim Einsatz gegen Balotellis Flankengeber Cassano aber das Gegenteil von hervorragend: Erstens fehl am Platz, zweitens ausgespielt wie ein Vorstopper kurz vor der Pensionierung. Erstaunlich, dass die Deutschen die Mittelfeldzentrale verdichten wollten, dabei aber irgendwie die Abwehrzentrale vergaßen. Die Entdeckung des Turniers wirkte stellenweise konfus, statt des Dortmunder Bundesliga-Verteidigers (Meister) spielte der Dortmunder Champions-League-Verteidiger (Vorrunden-Aus).

Semi Final Germany vs Italy

Quelle: dpa

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Holger Badstuber

Holger Badstuber: Auch er hatte seinen Anteil Schuldigkeit am 0:1, der letzte Mann in der komplexen deutschen Fehlerkette, ließ Balotelli gewähren. Als Wiedergutmachung stoppte er gekonnt den mitten im Strafraum alleingelassenen Montolivo (37.). Erstaunlich, dass die Deutschen die Mittelfeldzentrale verdichten wollten, dabei aber irgendwie die Abwehrzentrale vergaßen.

Germany's team captain Lahm reacts after he failed to score during their Euro 2012 semi-final soccer match against Italy at the National stadium in Warsaw

Quelle: REUTERS

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Philipp Lahm

Philipp Lahm: Am Anfang in der Offensive vorsichtiger als sonst, klar, die Italiener sind keine Griechen. Musste sein Spiel auch wegen des neuen, alten Vordermanns Podolski neu justieren. War auf einem guten Weg, wieder die gewohnte Souveränität auszustrahlen, aber dann kam der Überfall vor dem 0:2, der ihn - vorsichtig gesagt - etwas verlassen aussehen ließ. War - wie Badstuber beim ersten Gegentor - der letzte Mann in einer ansehnlichen Fehlerkette. Kam danach dennoch tapfer seiner Kapitänspflicht nach: Trieb in der zweiten Hälfte ständig an und hätte nach 48 Minuten fast schon wieder ein historisches Tor geschossen.

Germany v Italy - UEFA EURO 2012 Semi Final

Quelle: Getty Images

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Sami Khedira

Sami Khedira: Spielte zunächst einfach so weiter, als seien die Italiener auch nur bessere Griechen. Zugegeben, es ist kein schönes Wort, aber es stimmt: Er war der Führungsspieler im deutschen Zentrum. Von ihm gingen die Signale aus, er benutzte seinen Körper, er schoss scharf, er bestritt die markanten Zweikämpfe. Aber reicht ein Khedira, um im Zentrum Zugriff auf drei Italiener zu bekommen? Nein, er reicht nicht.

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Quelle: AFP

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Bastian Schweinsteiger

Bastian Schweinsteiger: Lief desorientiert durchs Mittelfeld, wirkte wie ein Junge, der hoch motiviert auf den Spielplatz kommt, wo ihn aber keiner richtig mitspielen lässt. Er rannte hin und her, aber das Spiel rauschte an ihm vorbei. Je mehr er sich mühte, um so mehr misslang ihm. Er suchte so verzweifelt nach seiner alten kreativen Wirkungsmacht, als ob er eine sehr lange schöpferische Pause bräuchte. Am Ende ins Zentrum einer Dreier-Abwehrreihe beordert. Hätte an diesem Tag zuhause bleiben sollen, aber das hätten die Eltern - die Trainer - entscheiden müssen.

Euro 2012: Deutschland - Italien

Quelle: dapd

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Toni Kroos

Toni Kroos: War diesmal Löws Überraschungsgast, und zwar einer, den kein Maulwurf vorher gesichtet hatte. Was Löw mit ihm vorhatte, war schnell erkennbar: Sollte mit dazu beitragen, dass die Deutschen den Wettstreit der feinen Zentralfüße gegen Pirlo und Montolivo für sich entscheiden. Zeigte seinen feinen Zentralfuß auch ein paarmal, aber nach dem 0:1 kehrte sich der Überraschungsfaktor plötzlich gegen die Deutschen. Nun war es viel zu voll im Mittelfeld, und Kroos wirkte manchmal wie ein Junge, der auf den Spielplatz kommt und keinen zum Spielen findet.

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Quelle: AFP

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Mesut Özil

Mesut Özil: Hatte einen erstklassigen Stehplatz, um die komplexe deutsche Fehlerkette vor dem 0:1 zu besichtigen. Hatte kurz darauf die gute Chance zum Ausgleich, aber statt eines Schusses zog er einen Schlenzer vor, er verschenkte die Chance an die (brotlose) Kunst. Auf der Jagd nach dem Anschlusstor eine ständig frequentierte Verteilerstation, aber die von Löw prophezeite Explosion blieb aus. Seine Ideen wurden bitter vermisst. Sein Elfmetertor kam zu spät.

Germany's Podolski reacts next to Italy's Balzaretti during their Euro 2012 semi-final soccer match at National Stadium in Warsaw

Quelle: REUTERS

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Lukas Podolski

Lukas Podolski: Knüpfte an die Leistung an, die er im WM-Halbfinale 2006 gegen Italien gezeigt hatte. Da war er unsichtbar und überfordert und wurde ausgewechselt.

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Quelle: AFP

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Mario Gomez

Mario Gomez: Knüpfte auch an die Leistung an, die Podolski im WM-Halbfinale 2006 gegen Italien gezeigt hatte. War unsichtbar und überfordert und wurde ausgewechselt. Gegen clevere Italiener eine gut frisierte Fehlbesetzung.

EURO 2012 - Deutschland - Italien

Quelle: dpa

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Marco Reus

Marco Reus: Kam zur Pause für Podolski, war nach zwei Minuten schon häufiger im Bild als Gomez und Podolski in den ersten 45 Minuten. Drang gleich in den Strafraum an, verkantete aber beim Schuss wie Felix Neureuther im zweiten Durchgang. Scharfer Freistoß, aber Buffon hielt noch schärfer.

Germany's Klose reacts during the Euro 2012 semi-final soccer match against Italy at National Stadium in Warsaw

Quelle: REUTERS

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Miroslav Klose

Miroslav Klose: Kam für Gomez, weil sein Spiel mutmaßlich besser durchs Nadelöhr passte. Im Strafraum streng bewacht, trotzdem eine viel größere Gefahrenquelle als Gomez.

EURO 2012 - Deutschland - Italien

Quelle: dpa

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Deutsche Elf in der Einzelkritik:Thomas Müller

Thomas Müller: Kam als in ein chaotisches, und anarchisches deutsches Spiel, um bei den Italienern Chaos zu stiften. Gelang ihm nicht.

© SZ vom 29.06./ske
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