Süddeutsche Zeitung

Deutsche Eishockey-Liga:Nach dem Triumph die Qual

Zahlreiche Verletzte, mehrere Weggänge und zwei unerfahrene Torhüter: Die Eisbären Berlin, zuletzt zweimal Meister, sind ins Mittelmaß abgerutscht.

Von Christian Bernhard

Tobias Ancicka wusste, dass wenig Anlass zu Euphorie bestand. Dementsprechend sachlich ordnete der Torhüter der Eisbären Berlin den 3:2-Sieg nach Penaltyschießen gegen die Düsseldorfer EG am vergangenen Sonntag ein und erklärte zum Schluss: "Langsam geht es nach oben." Dass es beim Meister der vergangenen zwei Spielzeiten in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) nur langsam vorwärts geht, liegt daran, dass er von weit unten starten muss. "Wir quälen uns ordentlich ab, wie man an der Tabelle sieht", sagte Stürmer Matt White. Die Eisbären sind nur Tabellenzwölfter, die Abstiegsränge immer noch sehr nah, die Playoff-Plätze weit entfernt.

Von zwölf möglichen Punkten holten die Berliner lediglich fünf

Das Abquälen zieht sich schon durch die ganze Saison. Die Eisbären waren schlecht gestartet und haben sich davon noch nicht richtig berappelt: Nach 22 absolvierten Spielen tauchten sie erst ein Mal unter den besten Zehn der Tabelle auf. Den aktuellen Spitzenreiter aus München hatten die Berliner im Mai noch im Playoff-Endspiel bezwungen, nun hat er mehr als doppelt so viele Punkte gesammelt. Auch der in der Pause des Deutschland Cup ausgerufene Neustart glückte nicht: Von zwölf möglichen Punkten in den vier Spielen seitdem holten die Berliner nur fünf. Auch das: Mittelmaß.

"Viel schönreden kann ich leider nicht", sagte Nationalspieler Marcel Noebels der Deutschen Presse-Agentur. Und machte deutlich, wie groß der Druck ist. "Wenn man die Playoffs nicht erreicht, wissen Sie, was hier los ist? Ich habe da keine Lust drauf." Cheftrainer Serge Aubin sprach von einem "Strudel", in den die Mannschaft aufgrund von Verletzungen geraten sei. Zudem sei es für die Spieler schwierig, mit der Erfolgslosigkeit umzugehen, da sie das zum ersten Mal in Berlin erlebten. Je länger solch eine enttäuschende Phase andauere, desto mehr Gedanken kommen auf - "was nicht besonders gut ist für das Spiel."

Eine Trainerdiskussion kam bislang noch nicht auf, obwohl die Eisbären in der Champions Hockey League auch schon in der Vorrunde ausschieden. Der Kanadier genießt aufgrund der zwei gewonnenen Meistertitel viel Kredit, er ist auch eng mit Sportdirektor Stéphane Richer verbunden.

21 und 20 Jahre alt: Im Tor stehen zwei noch unerfahrene Keeper

Die Berliner mussten nach dem zweiten Titel zudem einen Umbruch bewältigen, nachdem Leistungsträger wie Nationaltorhüter Mathias Niederberger, Kai Wissmann, Blaine Byron und Frans Nielsen Berlin verlassen hatten. Im Tor setzen sie in dieser Saison auf das talentierte, aber noch unerfahrene Duo Ancicka, 21, und Juho Markkanen, 20, was für Noebels ein "überraschender Weg" war. Dass beide noch nicht die Souveränität von Niederberger ausstrahlen können, nehmen die Verantwortlichen in Kauf - für sie ist besonders Ancicka eine Zukunftsanlange. Der müsse jetzt eben lernen, "wie eine Nummer eins lebt", sagte Assistenztrainer Craig Streu bei einem Fantreffen. "Er muss lernen, mit Druck umzugehen. In ein, zwei Jahren werden wir genau davon profitieren."

Aubin nimmt vor allem die Feldspieler in die Pflicht: "Es ist schlicht der Job der Mannschaft, vor dem Goalie besser zu spielen." Das misslang bisher oft, die Eisbären stellen die drittschlechteste Defensive der DEL. Der erfahrene Angreifer Frank Mauer, der mehrfach in der Abwehr aushelfen musste, kritisierte inmitten der Ergebnismisere: "Wir sind immer noch zu sehr mit dem Kopf in der Offensive." Aubin fordert eine defensive Steigerung ein, "um den Torhütern Selbstvertrauen zu geben und auch der Mannschaft insgesamt".

Die Eisbären-Spieler versuchen derweil, sich stark zu reden. Nationalverteidiger Marco Nowak, der wie einige der Sommer-Zugänge bisher hinter den Erwartungen blieb, schwärmt vom Potenzial, das im Kader stecke. "Das ist eine überragende Mannschaft", sagte er am Sonntag, "wir haben einen Klasse-Spieler nach dem anderen." Von nun an, so seine Prognose, "fängt eine neue Ära an".

Niederberger, der nach zwei Meistertiteln in Serie im Sommer nach München gewechselt war, beobachtet das Geschehen aus der Ferne. Er sei schon überrascht, dass die Eisbären so weit zurückliegen, sagte der Nationaltorhüter, nachdem die Münchner mit dem sechsten Sieg in Serie ihre souveräne Tabellenführung gefestigt hatten. "Sie hatten einen schweren Start, dann ist es manchmal schwer, den Schalter umzulegen." Trotz des großen Rückstands, den die Berliner nun haben, müsse man vor ihnen "höllisch aufpassen", warnte Niederberger. Er rechnet "definitiv" damit, dass die Eisbären bald anrollen werden.

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