Deutsche Eishockey Liga:Hier Hoffnung, dort Halligalli

09.03.2021 - Eishockey - Saison 2020 2021 - DEL - Nürnberg Ice Tigers Icetigers - Augsburger Panther - / ThHa - Simon S

Im Gleichschritt der Konkurrenz hinterher: Simon Sezemsky (links) und die Augsburger Panther sind den Erwartungen bislang genauso wenig gerecht geworden wie Brett Pollock (rechts) und die Nürnberg Ice Tigers.

(Foto: Thomas Hahn/Sportfoto Zink/Imago)

Nach den Süd-Duellen beginnen für die bayerischen Erstligisten am Wochenende die Vergleiche mit den Klubs aus dem Norden: München und Ingolstadt gehen mit Titelchancen ins letzte Drittel der Hauptrunde, Straubing und Augsburg mit Sorgen - während Nürnberg nur noch mit sich hadert.

Von Christian Bernhard, Johannes Kirchmeier und Johannes Schnitzler

Ein Gutes hatte die Corona-bedingte Aufteilung der Deutschen Eishockey Liga (DEL) in eine Nord- und Süd-Gruppe auf jeden Fall für die fünf bayerischen Vereine: die unbeliebten, unendlichen Auswärtsfahrten nach Bremerhaven fielen bislang weg. Nun ist es mit diesem Privileg aber vorbei. Von Samstag an treffen die sieben Süd-Teams nach jeweils vier Partien gegeneinander auf die sieben Klubs aus dem Norden; 14 Spiele zwischen Nord und Süd warten auf jede Mannschaft, ehe Mitte April die Playoffs starten. Was hat bisher funktioniert, wo ist Luft nach oben? So gehen die fünf bayerischen DEL-Klubs in das letzte Drittel der Hauptrunde.

EHC Red Bull München

Die bisherige Saison des EHC weist einige Anomalien auf. Da wäre zum einen die phasenweise ziemlich löchrige Defensive, die in 24 Spielen 69 und damit satte 21 Gegentore mehr als die Adler Mannheim zugelassen hat. Und da sind die ungewohnten Schwächen in den Spitzenspielen: Sieben ihrer acht Partien gegen Mannheim und Ingolstadt verloren die Münchner. Seine schwächste Phase scheint der EHC allerdings hinter sich zu haben. Zuletzt stabilisierte er sich defensiv, verpflichtete die erfahrenen Ethan Prow, Mathew Maione und Andrew Ebbett nach und kann nun auch wieder auf die langzeitverletzten Konrad Abeltshauser und Derek Roy zurückgreifen. Der Kader ist nun nahezu komplett, die Mannschaft von DEL-Rekordtrainer Don Jackson wirkte jüngst spritziger und stärker. Offensiv läuft es ohnehin rund, 90 Tore (knapp vier pro Partie) sind im Süden unerreicht. Stürmer Justin Schütz, 21, hat den nächsten Schritt gemacht, Routiniers wie Mark Voakes, Trevor Parkes, Frank Mauer oder Philip Gogulla liefern verlässlich. Da das Überzahlspiel mit einer Erfolgsquote von nur 15 Prozent ligaweit das viertschlechteste ist, ist sogar noch Luft nach oben. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt Abeltshauser.

ERC Ingolstadt

Daniel Pietta wird auch in der kommenden Saison für Ingolstadt spielen, das teilte der Klub am Mittwoch mit. Diese sehr gute Nachricht aus Ingolstädter Sicht passt zur Saison des ERC bis hierhin. Das Team von Trainer Doug Shedden ist als Dritter in Reichweite der Münchner, die sie dreimal geschlagen haben, und hielt gegen Mannheim in allen vier Partien mit. Die meisten der zahlreichen Zugänge erfüllten die Erwartungen, allen voran Torhüter Michael Garteig und Mathew Bodie, der Verteidiger mit den meisten Torvorlagen aller DEL-Abwehrspieler (17). Der große Offensiv-Schwung vom Januar, den nicht nur die abgeschlagenen Nürnberger (8:0, 7:0), sondern auch die Münchner (6:4) zu spüren bekamen, ist allerdings dahin. Fünf der vergangenen acht Partien verloren die Oberbayern, weil sie offensiv deutlich nachgelassen haben. Stellvertretend dafür steht der finnische Angreifer Petrus Palmu, der seit Januar nicht mehr getroffen hat. "Er hat Chancen, aber es passiert nichts", sagt Shedden. Das Umschaltspiel, vielleicht das beste der Liga, macht die Ingolstädter dennoch zu einem gefürchteten Gegner. Für Niklas Sundblad, Trainer der Schwenninger Wild Wings, können die Ingolstädter neben Mannheim und München "um die Meisterschaft spielen".

DEL - Eishockey - Saison 2020/21 - ERC Ingolstadt - EHC Red Bull München - Jubel - Michael Garteig Torwart ( 34 ERCI) -

Ein Zugang, der die Erwartungen erfüllt hat: Torhüter Michael Garteig ist einer der Gründe für Ingolstadts gute Saison.

(Foto: Stefan Bösl/Imago)

Straubing Tigers

Es war eine Gelegenheit, die sie nutzen wollten: "Gerade für unsere jungen Spieler ist Eiszeit sehr wichtig", sagte der Sportliche Leiter Jason Dunham direkt nach dem letzten Straubinger Duell am vergangenen Freitag. Und so heißt es für Tim Brunnhuber, 22, Marco Baßler, 21, und Adrian Klein, 17, in der neuntägigen Auszeit: spielen statt Füße hochlegen! Während sich der Rest der Straubing Tigers im Training am Pulverturm auf den Start der Nordduelle gegen Bremerhaven (Sonntag) vorbereitet, holen sich die drei Selbstvertrauen im Trikot des zweiten niederbayerischen Profiklubs. Am Dienstag erzielten die Förderlizenzspieler Brunnhuber (3) und Baßler vier Tore für den Zweitligisten EV Landshut beim 6:4 gegen Heilbronn. Und Selbstvertrauen können die Straubinger gebrauchen, nachdem Teil eins der Saison holprig verlief. Das Team steht auf Rang fünf, vier Punkte hinter dem ersehnten Playoff-Rang vier, was vor allem an vermeidbaren Fehlern liegt: Zweimal verloren die Tigers beim Letzten Nürnberg, auswärts gelang nur ein Sieg, das ist die schlechteste Bilanz der Liga. Hoffnung geben dagegen zwei unerwartete Erfolge gegen Mannheim. Keine Mannschaft zeigte sich wehrhafter gegen den souveränen Süd-Spitzenreiter, der nur vier Partien verlor. Diese Komponente könnte noch wichtig werden: Denn sollte den Tigers der Sprung auf Rang vier noch gelingen, wäre der Gegner im Playoff-Viertelfinale der Erste aus dem Süden: Mannheim.

Augsburger Panther

Lothar Sigl hat alles gesehen. Seit fast dreieinhalb Jahrzehnten führt der ehemalige Gastwirt die Geschäfte bei den Augsburger Panthern. Öffentlich darüber sprechen mag er nicht so gerne. Das liegt auch daran, dass ihm dann schon mal Sätze vorgehalten werden wie dieser: "Wenn wir es schaffen, die individuellen Fehler zu reduzieren und auch im Powerplay effizienter zu werden, sind wir ein heißer Kandidat für das Viertelfinale." Das, meinte Sigl, "wäre eine wirklich tolle Leistung" und spräche "für unsere Weiterentwicklung der letzten knapp zehn Jahre". Seit Sigl das sagte, sind gerade einmal zwei Wochen vergangen. Seitdem haben die Panther vier von fünf Spielen verloren, sogar sechs der letzten sieben. Lediglich zwei Punkte holten sie in dieser Phase, beim 3:2 nach Verlängerung in Nürnberg - beim Tabellenletzten, der den Schwaben acht seiner gerade einmal 17 Punkte verdankt. Das Überzahlspiel der Panther, in den vergangenen Jahren oft eine scharfe Waffe, blieb stumpf: Mit einer 10,2-prozentigen Erfolgsquote ist das sogenannte Powerplay der Augsburger das mit Abstand schwächste der Liga. Aus dem Umfeld wird die Kritik an Tray Tuomie, 52, im zweiten Jahr Cheftrainer der Panther, immer lauter. Für die vielen Verletzungen, etwa von Stammkeeper Olivier Roy oder zuletzt von Kapitän Brady Lamb, kann der Amerikaner zwar wenig; die vielen Nachverpflichtungen tragen ebenso wenig zur Stabilisierung bei wie die wechselhaften Leistungen der kommissarischen Nummer eins, Markus Keller. Aber vielen gilt Tuomie als zu nett, zu nachsichtig. Noch immer hat er es nicht geschafft, sich aus dem Schatten von Mike Stewart zu lösen, unter dem die Panther ins DEL-Halbfinale und in die Champions League stürmten. Manche Spieler scheinen gedanklich in dieser Zeit zu verharren. Anders ist es kaum zu erklären, dass Augsburg gegen Tabellenführer Mannheim mithalten und gegen München und Ingolstadt ausgeglichene Bilanzen vorweisen kann - und zugleich gegen direkte Konkurrenten wie Schwenningen teils derbe (0:4, 0:5) untergeht. Panther-Boss Sigl hat seinem leitenden Angestellten trotzdem das Vertrauen ausgesprochen - jedenfalls bis zum Ende der Saison. Am Sonntag kann Tuomie die Lage im Kreis der Familie erörtern. Das erste Spiel der Verzahnungsrunde führt Augsburg nach Berlin, wo sein Sohn Parker spielt. Die Eisbären, übrigens, sind Erster der Gruppe Nord.

Nürnberg Ice Tigers

Vier Siege in 24 Spielen, die schlechteste Abwehr, die schwächste Offensive im Süden, schon jetzt nur noch theoretische Chancen auf das Erreichen der Playoffs: Es gibt in dieser Saison wenig Positives aus Nürnberg zu berichten. "Wir hatten viele, viele Spiele, in denen wir einfach zu dumm waren, zu gewinnen", sagt Geschäftsführer Wolfgang Gastner. Mit Dummheit alleine lässt sich die bisherige Saison allerdings nicht erklären. Bis auf den erfahrenen Luke Adam (18 Spiele, 20 Scorerpunkte) blieben die Importspieler teils weit hinter den Erwartungen zurück, weshalb Sportdirektor André Dietzsch vergangene Woche von seinem Posten entbunden und durch Stefan Ustorf ersetzt wurde. Das Mitglied der deutschen "Hall of Fame" hat viel Arbeit vor sich, denn viele Fehler wurden nicht etwa von den jungen Nürnberger Spielern begangen, sondern von den erfahrenen. Die Folge: regelmäßige Frust-Attacken. "Diese Fehler passieren und passieren", sagte Nationalspieler Oliver Mebus nach dem 2:5 gegen Ingolstadt, die DEL sei "ja keine Halligalli-Liga." Er wolle sich vor den 14 Spielen gegen die Nord-Teams "auf gar keinen Fall jetzt schon geschlagen geben". Vor allem aber will Mebus: "Wieder ein bisschen Spaß am Eishockey haben."

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