Süddeutsche Zeitung

Deutsche Boxweltmeister:Sträflinge, Alkoholiker und ein Gentleman

Die Liste der deutschen Boxweltmeister könnte heterogener kaum sein: ein ehemaliger Sträfling, ein Spätstarter, ein Alkoholkranker, ein schlampertes Genie und ein echter Gentleman. Im Schwergewicht gab es allerdings nach Max Schmeling keinen zweiten deutschen Weltmeister - das konnte auch Marco Huck nicht ändern.

Michael Neißendorfer

Deutsche Boxweltmeister

Max Schmeling

Die Liste der deutschen Boxweltmeister könnte heterogener kaum sein: ein ehemaliger Sträfling, ein Spätstarter, ein Alkoholkranker, ein schlampertes Genie und ein echter Gentleman. Im Schwergewicht gab es allerdings nach Max Schmeling keinen zweiten deutschen Weltmeister - das möchte Marco Huck nun ändern. Von Michael Neißendorfer Max Schmeling 70 Kämpfe: 56 Siege, 40 K.-o.-Siege, 10 Niederlagen, 4 Unentschieden Weltmeister: 1930-1932 im Schwergewicht 1930 kämpfte Max Schmeling gegen Jack Sharkey um den vakanten Weltmeistertitel im Schwergewicht. Dies war erst das zweite große Sportereignis, das im Hörfunk direkt übertragen wurde. Nach einem  Tiefschlag Sharkeys in der vierten Runde konnte Schmeling nicht weiterkämpfen, wurde jedoch durch dessen Disqualifikation zum Sieger erklärt. Bis heute ist Schmeling der einzige Weltmeister, der seinen Titel durch eine Disqualifikation seines Gegners erhielt. Schmeling war vom 1930 bis 1932 der bis heute einzige deutsche Weltmeister im Schwergewicht. Es folgen alle deutschen Boxweltmeister in anderen Gewichtsklassen.

Deutsche Boxweltmeister

Eckhard Dagge

Eckhard Dagge 32 Kämpfe: 26 Siege, 16 K.-o.-Siege, 5 Niederlagen, 1 Unentschieden Weltmeister: 1976 - 1977 WBC-WM-Titel im Super-Weltergewicht. Nach Schmelings Disqualifikationssieg gegen Jack Sharkey dauerte es 46 Jahre, bis Deutschland wieder einen Profi-Weltmeister feiern durfte. Dagge holte sich seinen Titel 1976 im Kampf gegen Elisha Obed (Bahamas) durch technischen K.o. in der zehnten Runde. Er verteidigte seinen Titel zweimal, fiel aber während seiner sportlichen Karriere vor allem wegen seiner Alkoholexzesse auf. Dagge kommentierte seine Alkoholprobleme mit dem Spruch: "Viele Weltmeister sind Alkoholiker geworden, aber ich bin der erste Alkoholiker, der Weltmeister wurde."

Deutsche Boxweltmeister

Graciano Rocchigiani

Graciano Rocchigiani 48 Kämpfe: 41 Siege, 19 K.-o.-Siege, 6 Niederlagen, 1 Unentschieden Weltmeister: 1988 - 1989 IBF-WM-Titel im Supermittelgewicht. 1998 - 2000 WBC-WM-Titel im Halbschwergewicht. Beim zweiten Mal war's schon nicht mehr so schön: Graciano Rocchigiani jubelte nach seinem Sieg gegen den US-amerikaner Michael Nunn im WBC-Halbschwergewichts-WM-Kampf, mit dem er sich nach neun Jahren wieder auf den Weltmeisterschafts-Thron boxte (siehe Bild). Das Highlight seiner Karriere war für den gebürtigen Duisburger jedoch ein anderer Kampf: Der Titelgewinn gegen Vincent Boulware unweit seiner Heimatstadt - in Düsseldorf: "Mein schönster Moment, das war 1988 als ich meinen ersten Weltmeistertitel gewonnen habe. So einen Moment gibt es nur einmal im Leben für einen Sportler. Das ist etwas, was nur ganz wenige Menschen erleben dürfen. Der zweite Titel war auch toll, aber es war der zweite, und das Gefühl war anders," so Rocchigiani.

Deutsche Boxweltmeister

Markus Bott

Markus Bott 33 Kämpfe: 28 Siege, 20 K.-o.-Siege, 5 Niederlagen Weltmeister: 1993 WBO-WM-Titel im Cruisergewicht Er gehört zu den tragischen Figuren des deutschen Boxsports. Den Titelgewinn 1993 konnte nur eine Handvoll Fernsehzuschauer verfolgen, da der Kampf lediglich verschlüsselt im Bezahl-Fernsehen übertragen wurde. Bott war der vierte deutsche Boxweltmeister nach Max Schmeling, Eckhard Dagge und Graciano Rocchigiani. Er verlor jedoch die nächsten beiden Kämpfe ebenso wie seinen Titel - und trat kurze Zeit später wegen einer Netzhautablösung ganz vom Boxsport zurück.

Deutsche Boxweltmeister

Henry Maske

Henry Maske 32 Kämpfe: 31 Siege, 11 K.-o.-Siege, 1 Niederlagen Weltmeister: 1993 - 1996 IBF-WM-Titel im Halbschwergewicht Wegen seines kultivierten Auftretens in der Öffentlichkeit sowie seines Boxstils bekam er den Spitznamen "Gentleman" verpasst und gelangte deutschlandweit zu großer Popularität. Maske verteidigte seinen Titel zehnmal, bevor er ihn 1996 in einem äußerst engen Kampf an Virgil Hill verlor. Das war auch sein letzter Fight, bis er 2007 zum großen "Comeback" in die Münchner Olympiahalle lud. Dort rehabilitierte er sich für die Niederlage elf Jahre zuvor, dominierte Hill (wenn auch in einem ausgesprochen langweiligen Kampf) und gewann einstimmig nach Punkten.

Deutsche Boxweltmeister

Ralf Rocchigiani

Ralf Rocchigiani 58 Kämpfe: 42 Siege, 17 K.-o.-Siege, 9 Niederlagen, 7 Unentschieden Weltmeister: 1995 - 1997 WBO-WM-Titel im Cruisergewicht Die Karriere des gebürtigen Duisburgers (2. v.l.) schien sich bereits dem Ende zuzuneigen, als er 1995 das Angebot bekam, gegen den Briten Carl Thompson in Manchester um den vakanten WBO-Titel im Cruisergewicht zu kämpfen. In seinem ersten Profikampf außerhalb Deutschlands leistete Rocchigiani, der ältere Bruder von Graciano, dem großen Favoriten erbittert Gegenwehr und gewann nach einem unglaublichen Kampf in der elften Runde durch Aufgabe seines Gegners. Nach Max Schmeling war Ralf Rocchigiani mit seinem ersten internationalen Titelgewinn erst der zweite deutsche Boxer, der einen Weltmeistertitel im Ausland gewinnen konnte.

Deutsche Boxweltmeister

Sven Ottke

Sven Ottke 34 Kämpfe: 34 Siege, 6 K.-o.-Siege, 0 Niederlagen Weltmeister: 1998 - 2004 IBF-WM-Titel und 2003 - 2004 WBA-WM-Titel im Supermittelgewicht. Ottke bestritt insgesamt 34 Profikämpfe, die er allesamt gewann. 1998 konnte er mit einem Punktsieg gegen den US-Amerikaner Charles Brewer den Weltmeistertitel nach IBF-Version erringen und verteidigte diesen 21 Mal. 2003 krönte er seine Karriere mit dem zusätzlichen Gewinn der Weltmeisterschaft nach Version der WBA. Der sympathische Berliner trat 2004 mit einem Sieg und nach 23 erfolgreichen Titelverteidigungen als ungeschlagener Weltmeister ab.

Deutsche Boxweltmeister

Markus Beyer

Markus Beyer 39 Kämpfe: 35 Siege, 13 K.-o.-Siege, 3 Niederlagen, 1 Unentschieden Weltmeister: 1999 - 2000, 2003 - 2004 und 2004 - 2006 WBC-WM-Titel im Supermittelgewicht 40°C Fieber hatte Markus Beyer im Jahre 1998, als er als nächster Henry Maske gefeiert wurde. Das Pfeiffersche Drüsenfieber zerstörte die Boxkarriere fast, bevor sie begonnen hatte. Doch bereits 14 Monate später wurde Markus Beyer erstmals Weltmeister - er gewann mit einem Punktsieg gegen den Briten Richie Woodhall den WBC-Titel im Supermittelgewicht.

Deutsche Boxweltmeister

Bert Schenk

Bert Schenk 38 Kämpfe: 36 Siege, 23 K.-o.-Siege, 2 Niederlagen Weltmeister: 1999 WBO-WM-Titel im Mittelgewicht. Bert Schenk gewann am 30. Januar 1999 gegen Freeman Barr den Mittelgewichtsweltmeistertitel der WBO. Nach nur einer Titelverteidigung wurde ihm der Titel jedoch aberkannt, da er aufgrund eines Achillessehnenrisses für längere Zeit keine Kämpfe bestreiten konnte. Er galt zu seiner Zeit wegen seines eher lockeren Lebenswandels als "schlampertes Genie," und konnte sich nie als Box-Größe etablieren.

Deutsche Boxweltmeister

Felix Sturm

Felix Sturm 40 Kämpfe: 36 Siege, 15 K.-o.-Siege, 2 Niederlagen, 2 Unentschieden Weltmeister: 2003 WBO-WM-Titel im Mittelgewicht. 2006 und seit 2007 WBA-WM-Titel im Mittelgewicht. Auch der gebürtige Bosnier Adnan Ćatić legte sich ab 2000 einen Künstlernamen zu, um von einem breiten Publikum als Deutscher wahrgenommen zu werden. 2003 gewann er in seinem erst 19. Kampf den Weltmeistertitel der WBO gegen den Argentinier Héctor Velazco. Sturm ist einer der erfolgreichsten deutschen Boxer der letzten Jahre, ehemaliger WBO- und zweifacher WBA-Weltmeister im Mittelgewicht, sowie aktueller WBA-Superweltmeister dieser Gewichtsklasse.

Deutsche Boxweltmeister

Arthur Abraham

Arthur Abraham 36 Kämpfe: 33 Siege, 27 K.-o.-Siege, 3 Niederlagen Weltmeister: 2005 - 2009 IBF-WM-Titel im Mittelgewicht Arthur Abraham ist der Künstlername des gebürtigen Armeniers Awetik Abrahamjan. Abraham konnte den vakanten IBF-Titel 2005 mit einem K.o.-Sieg über den beim Ring Magazine unter den besten Zehn geführten Nigerianer Kingsley Ikeke gewinnen. Markant war lange Zeit sein Einmarsch in den Ring: Abraham kam bis 2006 stets mit einer Schlumpfmütze zum Ring (wie , dabei wurde das "Lied der Schlümpfe" eingespielt. Nach einer Unterlassungserklärung der Rechteinhaber musste er sich etwas Neues einfallen lassen. Seither nennt er sich "König Arthur" - die Schlumpfmütze wich einer Krone.

Deutsche Boxweltmeister

Fırat Arslan

Fırat Arslan 37 Kämpfe: 31 Siege, 19 K.-o.-Siege, 5 Niederlagen, 1 Unentschieden Weltmeister: 2007 - 2008 WBA-WM-Titel im Cruisergewicht. Der Spätstarter: Firat Arslan begann seine Boxkarriere 1997 mit bereits 18 Jahren und gewann sogleich seine ersten 13 Kämpfe. 2007 holte er sich den WBA-Titel vom in die Jahre gekommenen Virgil Hill. Jener Hill, der Henry Maske zehn Jahre zuvor dessen einzige Niederlage zugefügt hatte.

Deutsche Boxweltmeister

Jürgen Brähmer

Jürgen Brähmer 39 Kämpfe: 37 Siege, 30 K.-o.-Siege, 2 Niederlagen Weltmeister: 2009 - 2011 WBO-WM-Titel im Halbschwergewicht Er ist der "Bad Boy" der deutschen Boxer: Brähmer schlägt auch außerhalb des Rings gerne mal zu, saß deswegen schon im Gefängnis. Dabei hat er zweifelsohne das Talent, im Ring ein großer Boxer zu werden. Brähmer wurde kampflos Weltmeister, weil sein Vorgänger, der langjährige WBO-Weltmeister Zsolt Erdei, den Titel niederlegte. Brähmer verteidigte den Titel zweimal, bis auch er passen musste: Da er drei Titelverteidigungskämpfe absagte, wurde ihm der Weltmeistertitel 2011 kampflos entzogen.

Deutsche Boxweltmeister

Robert Stieglitz

Robert Stieglitz 42 Kämpfe: 40 Siege, 23 K.-o.-Siege, 2 Niederlagen Weltmeister: Seit 2009 WBO-WM-Titel im Supermittelgewicht. Für alle Experten und die Boxwelt war es eine Riesenüberraschung, als Robert Stieglitz den bis dato ungeschlagenen Karoly Balzsay 2009 durch technischen K.o. in der 11. Runde besiegte, und somit dessen WM-Titel übernahm, den er bislang fünfmal verteidigte. Sein nächster Kampf findet am 14. April 2012 im Parken-Stadion in Kopenhagen statt. Gegen den Dänen Mikkel Kessler werden dort 20.000 Zuschauer erwartet. Sicher mit am Ring: Freundin Tatjana Genrich. Die Blondine ist nicht nur Miss Sachsen-Anhalt, sondern auch dreimalige Box-Landesmeisterin.

Deutsche Boxweltmeister

Sebastian Sylvester

Sebastian Sylvester 40 Kämpfe: 34 Siege, 16 K.-o.-Siege, 5 Niederlagen, 1 Unentschieden Weltmeister: 2009 - 2011 IBF-WM-Titel im Mittelgewicht Deutliche Spuren hinterließ Sylvesters WBA-Weltmeisterschaftskampf 2008 gegen Felix Sturm. Da er sichtlich gehörig Prügel bezog, vermutet man nicht zu unrecht, dass er den Kampf verloren hat. Doch Sylvester berappelte sich wieder - und wurde etwas später Weltmeister: im Mittelgewicht der IBF gegen die Nummer eins der IBF-Rangliste, Giovanni Lorenzo aus der Dominikanischen Republik.

Deutsche Boxweltmeister

Sebastian Zbik

Sebastian Zbik 31 Kämpfe: 30 Siege, 10 K.-o.-Siege, 1 Niederlage Weltmeister: 2011 WBC-WM-Titel im Mittelgewicht. Obwohl sich der Boxer vom Hamburger Universum-Boxstall (hier links im Bild) seit 2009 Interims-Weltmeister nennen durfte, bekam er den WM-Gürtel erst im Januar 2011 offiziell zugesprochen, da sich der Weltmeister Sergio Gabriel Martinez aus Argentinien um einen Kampf mit Zbik gedrückt hatte. Allerdings verlor Zbik den Titel schon nach vier Monaten bei der ersten Titelverteidigung.

Marco Huck 36 Kämpfe: 34 Siege, 25 K.-o.-Siege, 2 Niederlagen Weltmeister: Seit 2009 WBO-WM-Titel im Cruisergewicht Marco Huck wollte eigentlich der zweite deutsche Schwergewichtsweltmeister nach Max Schmeling werden. Er musste sich aber dem Russen Alexander Powetkin geschlagen geben. Trotz couragiertem Auftritt und zahlreichen Treffern entschieden die Punktrichter letztlich gegen Hauck. Für den Kampf musste er sogar erst ein paar Kilos zulegen, da er bisher im leichteren Cruisergewicht boxte. "Ich bin stolz auf meine Leistung", sagte der 27-jährige nach dem Kampf, "man darf nicht vergessen: Ich habe keinen Aufbaukampf in der neuen Gewichtsklasse absolviert, sondern bin gleich gegen Powetkin angetreten. Der war Olympiasieger und Amateur-Weltmeister, nun hat er den Titel bei den Profis."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1289014
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/mike
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.