Deutsche Basketballer bei der EM:Ausruhen, aufrichten, aufdrehen

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Den deutschen Basketballern drohen in der Zwischenrunde Gegner, für die volksnahe Fachbegriffe wie Hammer- oder Todesgruppe noch verharmlosend sind. Gegen Serbien steht die Mannschaft deshalb schon unter Druck: Bei einer Niederlage dürfte es mit der angestrebten Qualifikation für Olympia 2012 nichts werden.

Andreas Burkert, Silauiai

Basketball ist ein rasantes Spiel, in wenigen Sekunden kann sich alles verändern: der Name des Siegers, die Stimmung und die Ambitionen eines Teams. Auch die Europameisterschaft in Litauen gönnt ihren Hauptdarstellern wenig Zeit, ein sicheres Gefühl für den Verlauf des Turniers zu entwickeln. Fünf Spiele in sechs Tagen werden ihnen abverlangt, physisch und mental ist das "ein brutales Programm", stellt Bundestrainer Dirk Bauermann auch diesmal fest.

Trainer Dirk Bauermann (Mitte) muss vor dem Spiel gegen Serbien Aufbauarbeit leisten. (Foto: dapd)

Und so hat es ihn wohl kaum überrascht, dass am Tag nach der ersten Niederlage seines Teams mittags nur eine Handvoll zum freiwilligen Wurftraining in der Arena ihres Vorrundenortes Siauliai erschien. Die zweite Fünf um Lucca Staiger und Sven Schultze ließ sich in der Halle blicken; Dirk Nowitzki und die anderen blieben dagegen im Hotel, das ziemlich idyllisch an der Kreuzung einer Hauptverkehrsstraße gelegen ist. Später ging es gemeinsam ins Zentrum der Industriestadt, um nach der Enttäuschung des verdienten 65:76 gegen Frankreich mal auf andere Gedanken zu kommen. "Wir machen einen Ruhetag mit der Betonung auf Ruhe", sagte Bauermann.

Eine Art Neustart wird nötig sein für die unerfahrene Truppe hinter Nowitzki und Clippers-Center Chris Kaman. Denn sonst drohen die Deutschen nun doch Opfer der Auslosung zu werden, die sie im oberen Tableau mit fast allen großen EM-Favoriten zusammenführt. Platz drei in ihrem Vorrunden-Pool A ist ihnen zwar nach der Niederlage Italiens gegen Frankreich sicher sein. Aber im Grunde spielt die DBB-Auswahl gegen die bislang dreimal siegreichen Serben an diesem Sonntag (20 Uhr) bereits um ihre Chance auf den angestrebten Viertelfinal-Einzug in der Zwischenrunde und damit auf das eigentliche Fernziel Olympia 2012, für das mindestens EM-Rang sechs notwendig ist.

Da in die nächste Sechsergruppe nur Siege gegen die beiden anderen qualifizierten Vorrunden-Gegner übertragen werden, müssten in der Zwischenrunde schon Coups gegen Titelverteidiger Spanien oder Gastgeber Litauen (bisher jeweils drei Siege in drei Spielen) her - ein weiterer Kraftakt gegen den am ehesten bezwingbaren WM-Zweiten Türkei fast schon vorausgesetzt. Volksnahe Fachbegriffe wie Hammer- oder Todesgruppe würden die Größe der Aufgabe, die da zu bewältigen ist, noch verharmlosen.

Coach Bauermann, 53, kennt die Konstellation, sie sorgt bei ihm schon seit Monaten für Magengrummeln. Aber nach der Niederlage gegen die Franzosen, deren Überlegenheit das eher schmeichelhafte Resultat nicht wirklich ausdrückte, gibt er sich kämpferisch. "Die Niederlage ist kein Beinbruch und wird uns nicht weh tun. Ich bin mit der gezeigten Moral meiner Mannschaft sehr zufrieden", sagt Bauermann. "Selbst wenn wir am Sonntagabend gegen Serbien verlieren, heißt das doch nicht, dass wir nicht auch in der Zwischenrunde Spiele gewinnen können", findet Bauermann. Da hat er natürlich recht.

Am bald scheidenden Trainer, der bislang nahezu fehlerfrei und mit Übersicht coacht, werden sich die deutschen Talente aufrichten müssen. Und natürlich an Nowitzki. Doch am 33-jährigen NBA-Champion aus Würzburg gehen die enormen Belastungen auch nicht spurlos vorüber. Gegen die Franzosen, die in der zweiten Halbzeit sogar ihm mit ihrer Physis ein wenig den Schneid abkauften, hat er erstmals gespürt, wie kurz der Urlaub für ihn gewesen ist nach dem sommerlichen Triumphzug mit den Dallas Mavericks. "Man hat auch bei Dirk und Chris Kamann den Substanzverlust nach dem schweren Italien-Spiel gemerkt", räumt Bauermann ein.

Gegenüber dirigierte NBA-Kollege Tony Parker das Spiel Frankreichs, das wider Erwarten auch aus der Distanz eine überzeugende Leistung (sechs von 14 Dreiern) ablieferte und nun endgültig zu den Medaillenfavoriten zählt. Parker, mit im Schnitt 28 Zählern der bisher bester EM-Werfer, hat sich den Sommer über lange ausruhen können: Seine San Antonio Spurs gingen schon in der ersten Runde der NBA-Playoffs k.o. "Tony hat überragend gespielt", sagte Nowitzki anerkennend, der dem Kollegen nach der Sirene mit einer Umarmung zu seiner Leistung gratuliert hatte. "Wir konnten nicht verhindern, dass er permanent in die Zone zieht."

Die Aufgabe gegen die Serben wird nicht leichter, sie glänzten bislang mit ihrem Teambasketball jugoslawischer Prägung und imponierender Physis am Brett - Center Nenad Krstic von den Boston Celtics ist mit durchschnittlich 16 Punkten ihr bester EM-Werfer. Die Mannschaft um die lebende Trainerlegende Dusan Ivkovic, 68, tat sich nur zuletzt gegen Außenseiter Israel schwer (89:80), zudem ist angeblich nicht sicher, ob ihr Kopf einsatzfähig ist: Point Guard Milos Teodosic knickte gegen Israel um. Der Spielmacher von ZSKA Moskau legte in Silauiai bisher sieben Assists pro Partie auf. Sein Ausfall würde die gute Stimmung bei den Serben urplötzlich eintrüben.

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