Deutsche Basketball-Nationalmannschaft:Sie sind mehr

Germany v Israel - FIBA Basketball World Cup 2019 Qualifiers

Co-Kapitän Bastian Doreth (im Archivfoto Zweiter von rechts, untere Reihe) hatte die Idee zu der Aktion, mit der das Basketball-Nationalteam ein Zeichen gegen Rassismus setzte.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft trifft weniger als eine halbe Sekunde vor Spielende zum Ausgleich gegen Israel. Nach der Verlängerung feiert sie einen 112:98-Erfolg und die Qualifikation für die WM 2019.
  • Auch außerhalb des Platzes zeigt das Team Charakterstärke: Mit dem Statement #Wirsindmehr sprechen die Basketballer sich geschlossen gegen Rassismus aus.
  • Gerade Basketball gilt als Sport, in dem die Vielfalt stark verwurzelt ist.

Von Joachim Mölter

Die deutsche Basketball-Auswahl der Männer hat am Sonntag in Leipzig Bemerkenswertes vollbracht. Zum einen natürlich die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2019 in China, die sie mit einem Sieg über Israel bereits vier Spieltage vor Schluss perfekt gemacht hat, so früh wie nur noch Tschechien und Griechenland, Ende November übrigens der nächste Gruppengegner und nach den acht bisher ausgetragenen Partien ebenfalls noch unbesiegt.

Kapitän Robin Benzing fand den jüngsten Erfolg zwar "absolut unverdient für uns, es war einfach nur Glück". Aber selbst das war bemerkenswert: Nach einer schwachen ersten Hälfte und einem zwischenzeitlichen 23-Punkte-Rückstand (35:58/21. Minute) erzwang die deutsche Mannschaft noch eine Verlängerung - mittels eines spektakulären Einwurfs von Regisseur Dennis Schröder, nach dem der Flügelspieler Maxi Kleber den Ball direkt aus der Luft nahm und 0,4 Sekunden vor Ablauf der üblichen 40 Spielminuten zum 92:92 in den Korb stopfte - und setzte sich dort schließlich mit 112:98 Punkten durch.

"Es ist eine ganz, ganz, ganz besondere Leistung", fand Bundestrainer Henrik Rödl, 49, angesichts der nicht mehr für möglich gehaltenen Wende: "Ich kann gar nicht sagen, wie stolz ich auf den Charakter des Teams bin."

Wenn man diese Aussage nicht nur auf die sportliche Unbeugsamkeit und Widerstandsfähigkeit der Spieler auf dem Parkett beschränkt, gelangt man zu einer weiteren ganz, ganz, ganz besonderen und bemerkenswerten Leistung der zwölf deutschen Auswahl-Basketballer: Vor der Partie setzten sie mit einer Videobotschaft ein von Profisportlern in dieser Einmütigkeit selten zu sehendes Zeichen gegen Rassismus. "Wir stehen auf für Menschlichkeit und plädieren für Dialog statt Hetze und Gewalt", lautete ihre zentrale Aussage: "Wir stehen an der Seite all jener, die sich mutig für den Erhalt unserer offenen und toleranten Gesellschaft einsetzen." Dazu trug jeder ein T-Shirt mit dem Aufdruck #Wirsindmehr . Unter diesem Hashtag und diesem Slogan hat sich nach den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz vor zwei Wochen eine Gegenbewegung zu rechtsradikalen Strömungen formiert.

Die Aktion hat der Co-Kapitän Bastian Doreth initiiert, den die Vorfälle von Chemnitz "geschockt" haben, wie er vor der Partie gegen Israel in einem Interview mit dem Internetportal Zeit Online erklärte. "Grundsätzlich kam die Aktion gut an, vor allem fühlt sie sich gut an", resümierte der 29-Jährige nun am Montag. Vom Deutschen Basketball Bund (DBB) sei das Vorhaben "absolut unkompliziert von der Sekunde null an unterstützt" worden, ergänzte er. DBB-Präsident Ingo Weiss fand es "unglaublich toll, dass die Mannschaft das von sich aus gemacht hat". Es war nicht das erste Mal, dass die Basketballer zu politischen Entwicklungen im Land Stellung bezogen: Vor der EM 2015 in Berlin, als die Flüchtlingswelle gerade ihren Höhepunkt erreichte, sammelte und spendete die DBB-Auswahl um die NBA-Profis Dirk Nowitzki und Dennis Schröder zugunsten der gemeinnützigen Organisation "Pro Asyl".

"Man wächst damit auf", sagt Doreth über Weltoffenheit im Basketball

Für Bastian Doreth ist die Weltoffenheit in seiner Sportart nicht ungewöhnlich, "man wächst damit auf", sagt er: Wenn sich junge Basketballer ihre ersten Idole suchen, finden sie die meistens in der nordamerikanischen Profiliga NBA, der besten Liga der Welt; er selbst hatte sich in seiner Jugend in Nürnberg einen rumänischen Aufbauspieler seines Klubs zum Vorbild genommen. In jedem Fall, so fasst der inzwischen in Bayreuth spielende Doreth zusammen, "ist man beim Basketball gleich mit Ausländern in Verbindung". Auch in der aktuellen DBB-Auswahl stehen Akteure, deren Wurzeln über die Grenzen des Landes hinausreichen. Dennis Schröders Mutter etwa stammt aus Gambia, Ismet Akpinars Vorfahren kommen aus der Türkei.

Im Gegensatz zu manch anderen seiner Funktionärskollegen aus anderen Verbänden steht DBB-Chef Weiss dem politischen Engagement seiner Sportler positiv gegenüber: "Man muss auch mal Farbe bekennen", sagt er. Gerade jetzt sei ihm das leicht gefallen, in Chemnitz hat der DBB erst im Juli die U20-EM ausgerichtet, "da haben wir die Stadt als bunt erlebt", erinnert er sich und versichert: "Es gab keine Anfeindungen." Und die wenigen, die nun wegen der Aktion der Nationalspieler beim DBB eingegangen seien, "muss man aushalten".

Gegen Israel fehlte sogar noch mehr als ein halbes Dutzend potenzieller Nationalspieler

Für die zwölf Auswahlspieler vom Sonntag hat der Slogan Wirsindmehr im Übrigen auch eine rein sportliche Bedeutung. "Wir sind noch viel mehr", sagt Bastian Doreth in Bezug auf die Anzahl von potenziellen Nationalspielern. Gegen Israel fehlte aus diversen Gründen mehr als ein halbes Dutzend von Talenten, Präsident Weiss rechnet sogar mit einem Kader "von ungefähr 30 Spielern im Umfeld der Nationalmannschaft". Von denen darf Bundestrainer Rödl nächstes Jahr aber höchstens zwölf mit zur WM nach China nehmen.

Es ist eine undankbare Situation. Wegen eines Konflikts der verschiedenen Organisationen kollidieren die nächsten Termine des Nationalteams mit der NBA und der Euroleague; deren Profis werden in den restlichen Qualifikationsspielen also wohl nicht mitmachen. Die übrigen Spieler wissen, dass einige von ihnen nur "als Lückenfüller einspringen müssen", wie Doreth es formuliert. Sie nehmen es billigend in Kauf, es geht schließlich um eine größere Sache.

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