Deutsche Athleten bei der Leichtathletik-EM:Geballt hinter dem Podium

Leichtathletik-EM 2014

Betty Heidler: Zwischendurch in Führung, am Ende knapp auf Rang vier

(Foto: dpa)

Die deutschen Leichtathleten präsentieren sich bei der EM in Zürich auch in den Freitagsfinals hungrig und zuverlässig. Dennoch vergeben sie manche Medaille, die favorisierten Hammerwerferinnen gar im letzten Moment. Der Erfolg lässt sich in anderen Kategorien messen.

Von Johannes Knuth, Zürich

Betty Heidler hatte ein Versprechen abgegeben. "Bei mir wird es nie langweilig", sagte die Hammerwerferin, nachdem sie in der Qualifikation der Leichtathletik-EM in Zürich nach einem Messfehler hatte nachsitzen müssen. Tatsächlich ist Heidler im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) so etwas wie die Beauftragte für dramatische Episoden.

Im vergangenen Jahr war sie bei der WM in der Qualifikation ausgeschieden. Bei den Olympischen Spielen in London war dem Kampfgericht nach Heidlers bestem Wurf die Weite abhanden gekommen, ehe sie der Deutschen nach diversen Protesten und Gegenprotesten Bronze zusprachen. Und jetzt?

Die Überraschung lag diesmal darin, dass Heidler Fünfte mit 72,39 Metern wurde, ganz unspektakulär. Und dass Kathrin Klaas, 30, von der LG Eintracht Frankfurt, die in vergangenen Jahren stets so etwas wie eine Begleitrolle neben Heidler ausgefüllt hatte, beim Sieg der Polin Anita Wlodarczyk (78,76) dank 72,89 Metern Rang vier belegte - die beste Platzierung am Freitagabend für die Deutschen neben dem überraschenden vierten Platz der 22 Jahre alten Siebenkämpferin Carolin Schäfer (6395 Zähler).

Heidler war enttäuscht: "Ich habe mir wirklich ein Bein ausgerissen, aber es kam keine Weite zustande."

Es ist eine merkwürdige EM für den DLV. Die Favoriten werden ihren Rollen gerecht, trotz der ein oder anderen Panne, wie am Freitagabend, als Europameister Sebastian Bayer in der Weitsprung-Qualifikation hängen blieb. Aber sonst? Die Athleten präsentieren sich hungrig, zuverlässig. Trotzdem läuft alles ein wenig gedrosselt.

Im Wettkampfbetrieb werden die Medaillen nicht so selbstverständlich angeliefert wie 2012 in Helsinki, als 16 Plaketten heraussprangen.

Nach vier von sechs Wettkampftagen haben die DLV-Athleten erst zwei Mal Gold (Robert Harting, David Storl), sowie zwei Mal Bronze (Linda Stahl, Cindy Roleder) errungen, mehr noch: Die emotionalen, die überraschenden Momente, die eine Mannschaft durch eine EM-Woche tragen - diese Momente hat der DLV in Zürich bislang noch nicht erlebt.

Die zuverlässigen Kräfte haben zu sehr mit sich selbst zu tun (Storl) oder konnten dank diffiziler Bedingungen ihre Kunst nur eingeschränkt vorführen (Harting). Die Jungen sind derweil noch nicht gefestigt genug in ihrer Ausbildung, um in die Medaillenränge vorzustoßen. Manchmal hatten sie einfach Pech mit dem Wetter.

Leistungsnachweis auch ohne Medaillen

Es wäre allerdings ungerecht, die Auswahl nur per Medaillenzähler zu bewerten. Man kann in der Leichtathletik nicht einfach Talente pflanzen, pflegen und am großen Wettkampftag Medaillen einsammeln - zu azyklisch verlaufen die Entwicklungen. Sie haben im DLV zuletzt bewiesen, dass an ihren großen wie kleinen Standorten verlässlich europäische und internationale Klasse gedeiht. Was die Athleten, die am Freitag im Letzigrund auftraten, auch ohne Medaillen bewiesen.

Da war Platz fünf für den 21 Jahre alten 400-Meter-Hürdenläufer Felix Franz, großgeworden in der LG Neckar-Elz. Franz stand mit seinem Lauf stellvertretend für die junge Fraktion des DLV. Vor zwei Wochen war er in Ulm in 49,34 Sekunden deutscher Meister geworden, in Zürich stürmte er mutig ins Finale, eine Medaille war nicht Pflicht, aber auch nicht undenkbar. Es wurde dann nichts mit dem Podium, Franz verlor auf Bahn zwei zu früh den Anschluss ans Feld. 49,83 Sekunden im Nieselregen waren trotzdem nahe am Optimum.

Da war die Bronzemedaille, die Speerwerferin Linda Stahl bereits am Donnerstag errungen hatte. Stahl hatte vor der EM Hochleistungssport betrieben und nebenbei das Hochleistungsstudium Medizin abgeschlossen. Ende Juni bestand sie das Examen, ab Oktober wird Stahl als Ärztin arbeiten. Die EM zwischendurch, "ich habe mir vorher gesagt, da mache ich jetzt halt mal mit". Stahl gewann dann halt mal Bronze (63,91 Meter).

Und da war noch der fünfte Platz im Siebenkampf von Lilli Schwarzkopf (6332 Punkte), ein Rang hinter Carolin Schäfer. Schwarzkopf hatte die vergangene Saison wegen eines Achillessehnenrisses verpasst. Die Sporthilfe des Landessportbundes Rheinland-Pfalz strich die Förderung, zudem verlor Vater und Trainer Reinhold Schwarzkopf seine Stelle beim Leichtathletik-Verband Rheinland - ohne Begründung.

Schwarzkopf geht gerne ihren eigenen Weg, damit macht man sich nicht nur beliebt. Die Stelle ihres Vaters wurde Jörg Roos zugesprochen, dem Trainer des EM-Fünften Kai Kazmirek. Der hört gerne auf den Verband. Schwarzkopf bewies nun, dass sie ebenfalls Fünfte werden kann - abseits der vorgegebenen Pfade.

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