Der Kampf der Ausrüster:Die Kehrseite der vielen Medaillen

Nur wer mit Millionen Sieger und erfolgreiche Mannschaften unter Vertrag nehmen kann, hat die Nase vorn bei jungen, auf Idole fixierten Käufern.

Uwe Ritzer

Kaum hatte Oliver Kahn seinen Platz im Tor der deutschen Fußballnationalmannschaft verloren, hechtete er auch schon als Pappkamerad über die Autobahn. Wer unmittelbar vor oder während der Weltmeisterschaft 2006 mit dem Auto zum Münchner Flughafen fuhr, musste unter dem gigantischen Kahn durchfahren, der eine Parade über sämtliche Fahrstreifen machte. Seit wenigen Tagen hängt ein anderer Star überdimensional groß in München herum: Mitten in der Stadt posiert Franck Ribéry, der neue französische Dribbelkönig des FC Bayern, im Hermelinmantel wie weiland Märchenkönig Ludwig. Das riesige Transparent am Odeonsplatz ziert zudem ein Häkchen, das die Flügel der griechischen Siegesgöttin stilisieren soll und Markenzeichen jenes Sportartikelherstellers ist, der ihren Namen trägt: Nike. Das Ribéry- Poster ist eine späte Replik auf Kahn, respektive auf das Unternehmen, als dessen Werbeträger sich der Torhüter weiland über die Autobahn warf: Adidas.

Der amerikanische Konzern, Nummer eins der Sportartikelindustrie, und das fränkische Unternehmen, die Nummer zwei, belassen es bei ihrem Duell schon lange nicht mehr bei Plakaten. Im Spiel um die Vorherrschaft auf einem Milliardenmarkt wird getrickst, gegrätscht und gefoult, was das Zeug hält. Mit auf dem Markenfeld stehen noch Reebok, Nummer drei der Sportartikelwelt, (und seit Anfang 2006 Teil des Adidas-Konzerns), sowie auf Rang vier Puma. Daneben mischen am Rande noch kleinere Hersteller mit, wie Kappa oder Umbro.

Die gesamte Branche funktioniert extrem marketinggetrieben. Erfolg hat nur, wer von der Öffentlichkeit als trendige Marke wahrgenommen wird. Man muss in populären Sportarten präsent sein und damit in den Massenmedien. Deshalb liefern sich Nike, Adidas und Co. einen ebenso teuren wie erbitterten Wettkampf um einzelne Stars und Teams, damit diese mit dem Häkchen, drei Streifen oder eben dem Raubtier-Logo auf Trikots, Hosen und Schuhen in den Arenen auflaufen.

Dabei geht es natürlich um Marktanteile. Vor allem junge Sportfans orientieren sich beim Einkauf daran, was ihre Idole tragen. So konnte Adidas dank der Omnipräsenz bei der letztjährigen WM als Ausrüster von sechs Mannschaften sowie als offizieller Hauptsponsor, Lizenznehmer, Balllieferant und Ausrüster seinen Umsatz allein mit Fußballprodukten von 900 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro steigern.

Überlaufendes Fass

Wer globale Sportereignisse nicht als Plattform für sich nutzen kann, hat ein Problem. So war Nike 2006 ein Verlierer der WM. Die Amerikaner hatten ihre PR-Kampagne fast ausschließlich auf Titelverteidiger Brasilien konzentriert, der bekanntermaßen nach müder Kickerei bereits im Viertelfinale rausflog.

Das allein hätte Nike vermutlich weggesteckt. Dass Adidas jedoch wenige Monate zuvor den US-Konkurrenten Reebok für 3,2 Milliarden Euro gekauft hatte, konnte die Manager in Beaverton/Oregon nicht kalt lassen. Denn damit trieb der Adidas-Konzern seinen Umsatz auf zehn Milliarden Euro und verringerte so den bis dahin deutlichen Rückstand auf Nike auf etwa zwei Milliarden Euro.

Der NBA-Deal schließlich brachte das Fass zum Überlaufen. Adidas rüstet neuerdings die amerikanische Basketballliga NBA aus. Sie ist nicht nur die meistbeachtete nationale Sportliga der Welt, sondern vor allem ein Heiligtum des amerikanischen Sports. Nikes Rache folgte prompt: das Ausrüster-Angebot an den DFB, das vor allem Dominanz demonstrieren sollte. Denn wirtschaftlich liegt die Offerte weit über dem, was Ausrüster üblicherweise für Nationalteams bezahlen. Gute Mannschaften sind Branchenkennern zufolge für 10 bis 20 Millionen Euro pro Jahr zu haben, zwischen 15 und 25 Millionen Euro muss zahlen, wer eine europäische Spitzen-Vereinsmannschaft unter Vertrag nimmt. Wobei nicht nur Geld fließt und Ausrüstung geliefert wird; oft werden auch Marketing- und Lizenzrechte verteilt. Mitunter geht der Einfluss wohl noch weiter. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Brasiliens Stürmerstar Ronaldo habe beim WM-Finale 1998 auf Druck von Nike spielen müssen, obwohl Schüttelfrost ihn plagte.

Jahrzehntelang dominierte Adidas das Ausrüstergeschäft nach Belieben. Allein in der Bundesliga kickten zeitweise 14 der 18 Mannschaften dreigestreift. Glaubt man Puma, begann das große Geschäft in den fünfziger Jahren, als Bundestrainer Sepp Herberger bei Puma-Chef Rudolf Dassler rausflog, weil der Herberger nicht nebenher etwas dazuverdienen lassen wollte. Herberger sei daraufhin zu Adi Dassler gegangen, der ihn sofort auf die Lohnliste gesetzt habe. Adis Sohn Horst baute später die Geschäfte mit Sportlern und Funktionären systematisch aus, bisweilen über die Grenzen zur Korruption hinaus. Als in den neunziger Jahren Adidas und Puma in Existenznöte gerieten, zog Nike an ihnen vorbei. Vor allem weil Firmengründer Phil Knight den US-Basketballhelden Michael ,,Air'' Jordan gewinnbringend verpflichtet hatte.

Und heute? Vor allem Nike und Puma kämpfen gegen die drei Adidas-Streifen als unerlaubte Werbung bei den Olympischen Spielen. In Europas Fußballligen lauten Spitzenduelle nicht selten Nike gegen Adidas. So rüstet Nike in Spanien den FC Barcelona aus, während Real Madrid Adidas trägt. In Italien lautet das Duell Inter Mailand gegen AC Mailand, in England Machester United und Arsenal London gegen FC Chelsea und FC Liverpool. In Deutschland ist Adidas sogar mit zehn Prozent am FC Bayern München beteiligt ist. Damit blockte Adidas damals übrigens eine Nike-Offerte ab.

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