Der Fußball und seine Fans:Ende der Fahnenstange

1. FC Köln - FC Ingolstadt 04

Demonstration und Anfeuerung in der Arena. Eine Szene aus der laufenden Saison vom Bundesligaspiel des 1. FC Köln gegen den FC Ingolstadt.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Ein Dialog, der niemals so richtig in Gang kam, ist gescheitert: Die Fangruppen-Vertreter fühlen sich vom Deutschen Fußball-Bund nicht ernst genommen und verlassen die gemeinsame Gesprächsrunde.

Von Jonas Beckenkamp

Es hätte ein gemütlicher Nachmittag werden können in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt. Eine Gruppe Fanvertreter war am Mittwoch in die Otto-Fleck-Schneise 6 gekommen, um mit Verantwortlichen des Verbandes über ihre Anliegen zu diskutieren. Kaffee und Kuchen, Tagesordnungspunkte, Protokolle - beim mitgliederstärksten Sportverband der Welt gelten solche Gesprächsrunden als Routine. Aber bei diesem Treffen ging einiges schief.

Nach nur 40 Minuten endete die für den ganzen Tag angesetzte Veranstaltung abrupt. Die Fanvertreter verließen frustriert den Sitzungssaal. Die Herren vom DFB blieben verdutzt zurück, so hatten sie sich den Termin der "AG Fanbelange/Fanarbeit" auch nicht vorgestellt. Das Gremium, dem neben Funktionären und Fanbeauftragten auch Mitarbeiter aus Fanprojekten angehören, tagt normalerweise alle zwei Monate - ob es so bald wieder zusammenkommt, ist fraglich. Geht es nach einigen bedeutenden Fanorganisationen, ist der Dialog fürs Erste gescheitert.

Die unabhängigen Vereinigungen (ProFans, UnsereKurve, Queer Football Fanclubs, etc.) beeendeten kurz nach dem Treffen in der DFB-Zentrale per Mitteilung die bestehende Kooperation innerhalb der Kommission Sicherheit, Prävention und Fußballkultur beim DFB. Nach Darstellung der Fans war eine ergebnisorientierte Gesprächsbereitschaft und Wertschätzung über Jahre hinweg nicht möglich. "Gemeinschaftlich haben die Fanorganisationen keinen dauerhaften und ernsthaften Willen des DFB erkennen können, mit Fußballfans einen transparenten und zielführenden Dialog etablieren zu wollen", heißt es in der Erklärung. "Die Arbeit der AG Fanbelange/Fanarbeit, dem einzigen Gremium für einen institutionalisierten, regelmäßigen Dialog mit Fans, wurde konsequent aus der Öffentlichkeit herausgehalten." Der Verband als schwerfälliger Apparat, der sich von der Basis entfernt - dieser Vorwurf wirkt belastend. Neu ist er nicht.

"Dem DFB fehlt das Gespür, auch kleine Schritte einfach mal in die Wege zu leiten."

Seit Jahren versuchen engagierte Anhänger beim DFB ihre Anliegen vorzubringen. Mit bescheidenem Erfolg. Dabei besteht im weiten Feld der "Fußballkultur" Gesprächsbedarf: Es geht um verbindliche Regelungen zu erlaubten Fahnengrößen im Stadion, um Pyrotechnik, um Fragen der Sicherheit oder ganz allgemein um Mitspracherechte der Anhänger. Dirk Middeldorf, Sprecher des Netzwerks Queer Football Fanclubs, sagt: "Wir haben schon lange den Eindruck, dass der Verband uns nicht ernst nimmt. Das zermürbt uns. Dem DFB fehlt das Gespür, auch kleine Schritte einfach mal in die Wege zu leiten."

Exemplarisch für das ständige Versickern von Entscheidungen sei der Umgang mit Fan-Utensilien. Ein konkretes Debattenthema: Wie lange darf eine Fahnenstange im Stadion sein? Nach einer Besprechung in der AG schien darüber Einigkeit zu herrschen - doch dann verging ein halbes Jahr ohne Entwicklung. Und plötzlich wollte man beim DFB nichts mehr davon wissen, so Middeldorf: "Dabei haben wir damals im Gremium Empfehlungen ausgesprochen, die auch abgenickt wurden", erklärt der Fangruppensprecher. Die DFB-Vertreter nahmen den Beschluss zwar zur Kenntnis, schriftlich fixiert oder als Faktum kommuniziert wurde nichts.

Wie lang das sprichwörtliche Ende der Fahnenstange sein darf, entscheiden derzeit immer noch die Vereine, auch beim Streitthema Pyrotechnik herrscht kein Konsens. "Konstruktive Ideen, erarbeitet von Menschen an der Basis mit dem nötigen Sachverstand, ersticken in den Strukturen eines bürokratischen Verbandes", findet Middeldorf. Sein Mitstreiter Tobias Westerfellhaus von der Fanorganisation UnsereKurve unterstellt dem DFB sogar, Beschlüsse absichtlich auszubremsen: "Entscheidern wird diese Expertise nur gefiltert zugänglich gemacht, nicht selten hat man den Eindruck, dies sei so gewollt."

Er kritisiert, dass Arbeitswege im Frankfurter Verbandshaus nicht durchgängig sind - und dass der AG Fanbelange die Beschlussfähigkeit fehle: Was unten vereinbart wird, kommt demnach nie oben an. Was nicht offiziell wird, bleibt für immer halbgar. "Jedes Protokoll aus unseren Sitzungen sollte eigentlich von allen Vorgesetzen beim DFB abgesegnet werden. Aber das ist nicht der Fall", sagt Westerfellhaus: "So wissen die Oberen überhaupt nicht, was in unserer AG diskutiert wird."

All diese Versäumnisse hatten die Fanvertreter vor Monaten an den Verband adressiert - sie erstellten einen Katalog mit Forderungen, über die sie am Mittwoch mit dem DFB sprechen wollten. Explizit gewünscht war auch, dass DFB-Präsident Wolfgang Niersbach endlich persönlich an einer Gesprächsrunde teilnimmt. Als sich herausstellte, dass Niersbach Wichtigeres zu tun hatte (Stichwort: Fifa/Uefa) und die Mission der Fanvertreter erneut kein Gehör fand, beendeten Middeldorf und Westerfellhaus mit ihren Leuten die Dialogveranstaltung. "Für uns steht fest, dass wir in dieser AG nicht weiter aktiv sein werden, das gilt für alle Organisationen", sagt Westerfellhaus.

Interessanterweise scheinen sie beim DFB das Aus nicht so ganz verstanden zu haben. Kurz nach dem Eklat teilte der Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert mit: "Die Vertreter der Fanorganisationen haben in der heutigen Sitzung der AG ihre Entscheidung mitgeteilt. Gleichzeitig haben sie aber ihre weiterhin vorhandene Dialogbereitschaft signalisiert. Wir setzen deshalb darauf, dass wir den guten und produktiven Dialog der vergangenen Jahre bald wieder aufnehmen können." Aus Verbandskreisen ist zu hören, dass es sich bei der Sache nur "um leichte kommunikative Dissonanzen" handele - mit ein paar Anpassungen sei "das alles kein Problem".

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