Der Flügelflitzer:Olivenöl und Pulli-Voodoo

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Dass Fußball, Zauberei und Aberglaube zusammengehören, dafür gibt es viele Beispiele. Doch zuweilen schlägt der Glaube an die Kraft des Zaubers auch ins Tragische um.

Thomas Becker

Fußball ist keine Zauberei. Sagt Philipp Lahm. Aber der zählt ja auch zu den Vernünftigsten der Vernünftig-Fraktion. Dabei weiß jedes Kind, dass es beim fröhlichen Ballspiel nicht immer mit rechten Dingen zugeht. Und da müssen wir erst gar nicht beim FC Schalke der frühen siebziger Jahre anfangen, nicht bei den Hoyzers dieser Welt und den anderen Ergebniszauberern der internationalen Wettmafia. Nein, nein, Fußballzauber sind nicht nur die Tricks von Ronaldinho und Ribéry, da ist höhere Gewalt im Spiel. Warum sagen Stürmer mit Ladehemmung stets es sei gerade "alles wie verhext"? Warum fangen Bälle mitten im Flug plötzlich an zu flattern oder fliegen gar um die Ecke? Warum spricht man wohl von "Budenzauber", na? Warum wohl werden Kicker manchmal "Magier" genannt? Und wer glaubt, dass die Physiotherapeuten genannten Medizinmänner nur Eisspray und keine geheimen Mittelchen und Pülverchen in der Erste-Hilfe-Tasche mit sich führen, der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Komm schon, Herr Lahm!

"Den ziehe ich erst wieder aus, wenn der FC mal ein Spiel verliert": Udo Lattek und sein blauer Strickpulli. (Foto: Foto: imago)

Es gibt ja handfeste Beweise. Udo Lattek zum Beispiel. Eine Institution, was das Verbreiten von Fußball-Wahr- und Weisheiten betrifft. In der Saison 1987/88 trug er beim 1:1 seines 1. FC Köln beim KSC einen dicken blauen Strickpulli - mitten im Sommer. Er sagte: "Den ziehe ich erst wieder aus, wenn der FC mal ein Spiel verliert." 14 Spieltage lang hielt sein Pulli-Voodoo - wohlgemerkt: beim 1. FC Köln, nicht bei Bayern München. Ein anderer Großmeister des faulen Zaubers war Nobby Stiles, englischer Nationalspieler in den sechziger Jahren. Vor jedem Spiel rieb er sich Brust, Hände und Gesicht mit Olivenöl ein. Und wer wurde 1966 Weltmeister? Eben. Dennoch konnte Stiles ordentlich zugreifen. Ein Foto zeigt ihn bei der Siegerehrung: in der einen Hand den Weltmeisterpokal, in der anderen seine falschen Zähne.

Die Ahnenreihe der Zaubererfußballer

Ein anderer Engländer wollte sich auch nicht nur auf sein Können verlassen, sondern half mit etwas Magie nach. Gary Lineker erzählt: "Beim Warmmachen habe ich niemals aufs Tor geschossen, denn ich wollte keinen Treffer vergeuden. Ich wollte mir die Tore fürs Spiel aufsparen. In der Halbzeitpause habe ich immer mein Trikot gewechselt, wenn ich kein Tor erzielt hatte. War ich dagegen erfolgreich, behielt ich das Trikot an. Wenn ich mal längere Zeit nicht erfolgreich war, bin ich auch immer zum Friseur gegangen." Noch Fragen?

Die Ahnenreihe der Zaubererfußballer ist beinahe endlos: Keeper Norbert Nigbur trug ein Papst-Bild mit sich - und wurde in einer Zeit, als immer nur Bayern oder Gladbach gewannen immerhin Pokalsieger mit Schalke 04. Frankreichs National-Libero Laurent Blanc küsste jahrelang die mäßig erotische Glatze seines Torwarts Fabien Barthez - Blanc und Barthez wurden Welt- und Europameister. Landsmann Raymond Domenech, Trainer der Nationalmannschaft, berücksichtigt bei der Aufstellung seiner Teams auch die Sternzeichen seiner Spieler: "Skorpione bringen sich am Ende alle gegenseitig um, Löwen neigen dazu, Dummheiten zu begehen." Argentiniens Trainer Carlos Bilardo trug bei den WM-Turnieren 1986 und 1990 immer die gleiche Krawatte - was bis zum Finale gegen Deutschland auch half. Vor Argentiniens erster Partie in Mexiko lieh er sich von einem seiner Spieler Zahnpasta - und tat das auch weiterhin bis zum Finale. Argentinien gewann.

Doch zuweilen bringt der Glaube an die Kraft des Zaubers auch Unglück. Bei einem Freundschaftsspiel in Butembo, einer Stadt im Osten des Kongos, hatte ein Spieler versucht, mit Zaubersprüchen eine Wende der Partie zu bewirken. Die Kicker begannen eine Rauferei, ein Polizist wollte schlichten, die Zuschauer bewarfen ihn mit Steinen, was noch mehr Polizisten samt Tränengas auf den Plan rief und eine Massenpanik auslöste. 13 Menschen starben. Fußballzauber, ganz weit weg von Olivenöl und blauen Pullis.

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