Der Flügelflitzer:Das Orakel von Baerum

Jetzt ist es klar: Meister 2008/09 kann nur die TSG Hoffenheim werden. Wer daran bisher noch zweifelte, kann die Beweise nun finden - in Norwegen, Russland und Litauen.

Johannes Aumüller

Es hat in einigen Ländern Tradition, dass die Fußball-Saison nicht wie in Deutschland jahresübergreifend abläuft, sondern nach dem Kalenderjahr. Oftmals liegt das an den klimatischen Bedingungen, die in vielen nordischen Ländern Fußballspielen von Dezember bis März deutlich einschränken. Vielleicht liegt es manchmal auch daran, dass sich die örtlichen Funktionäre bei Fifa-Boss Sepp Blatter einschleimen wollen, der schon seit Jahren für eine Reformierung des Spielplans plädiert, nach der alle Verbände nach dem Kalenderjahr spielen sollen. Oder es liegt daran, dass es schon immer so war, und man im Fußball generell nichts einfach so ändert, was schon immer so war.

Der Flügelflitzer: Wer wird deutscher Meister? Wer nach Litauen, Norwegen und Russland schaut, der weiß es schon jetzt.

Wer wird deutscher Meister? Wer nach Litauen, Norwegen und Russland schaut, der weiß es schon jetzt.

(Foto: Montage: sueddeutsche.de)

In diesem Jahr nun aber kristallisiert sich ein weiterer Zweck dieser Ganzjahresmeisterschaften heraus. Sie sollen als Orakel dienen für die Meisterschaftsentscheidungen des kommenden Sommers, wenn die großen Ligen des Kontinents ihre Besten küren. Und die Tendenz der zu Ende gehenden Ganzjahreswettbewerbe lautet - Achtung, Hoffenheim, aufgepasst! - wie folgt: Keine Chance den etablierten Klubs! Die Titel gehen dieses Jahr an die Außenseiter!

Rosenborgs 137. Meisterschaft? Von wegen!

Beispiel Norwegen: Normalerweise musste der gemeine deutsche Fußball-Fan die dortige Tippeligaen gar nicht verfolgen, um am Saisonende mitsprechen zu können. Rosenborg Trondheim hat doch bestimmt seine 137. Meisterschaft gewonnen, und wenn Rosenborg Trondheim mal ein schlechtes Jahr hatte, dann waren bestimmt Brann Bergen oder Valerenga Oslo zur Stelle - mit 99,99-prozentiger Sicherheit war dies das Saison-Fazit. Doch in diesem Jahr kommt der Meister der Tippeligaen weder aus Trondheim noch aus Bergen noch aus Oslo. Stabaek IF heißt der Champion, und selbst ausgewiesene Kenner des UI-Cups müssen wohl gestehen, von diesem Außenseiter aus der Stadt Baerum, der erst seit 2006 wieder in der Tippeligaen spielt, noch nie etwas gehört zu haben.

Beispiel Russland: Zu den ungeschriebenen Gesetzen des russischen Fußballs gehört, dass der Meister aus Moskau oder St. Petersburg kommt. Seit Gründung der Premjer-Liga 2001 war das so, selbst in der Geschichte der russischen (nicht der sowjetischen!) Meisterschaft gab es nur eine Ausnahme: als sich 1995 Alanija Wladikawkas durchsetzte. Ansonsten kam der Meister immer aus Moskau oder St. Petersburg, doch in diesem Jahr gilt das Gesetz wohl nicht mehr. Wenn der tatarische Klub Rubin Kasan an den letzten vier Spieltagen nicht die Arbeit verweigert, dann sichert sich diese Elf Mitte November den Titel - ein Klub, dessen bisher größter Triumph der Vereinsgeschichte ein dritter Rang war.

Beispiel Litauen: Das Rosenborg Trondheim der litauischen A Lyga heißt FBK Kaunas. Unter anderem dank der Millionen des Fußball-begeisterten Oligarchen Wladimir Romanow (finanziert unter anderem auch den schottischen Klub Hearts of Midlothian) sicherte sich das Team aus Kaunas in sieben der vergangenen acht Jahren die Meisterschaft. Doch in dieser Saison wird es wohl nichts mehr mit dem nächsten Titelgewinn. Schon elf Zähler beträgt der Rückstand auf den FK Ekranas Panevėžys - das ist immerhin kein Außenseiter vom Format Stabaek IF oder Rubin Kasan, weil er in der Vergangenheit schon erfolgreich war und 2005 litauischer Meister wurde. Aber mit Blick auf die Millionen-Investitionen in Kaunas darf dieser Titel schon als Überraschung gelten.

Bayerns Rettung kommt aus Lettland

Freuen dürfen sich über diese Erfolge natürlich die Spieler und die Fans von Stabaek, Kasan und Ekranas - aber auch so mancher Fan in Westeuropa. Denn nach dem nun vorgegebenen Motto erhöhen sich die Chancen der italienischen Erstligisten Udinese und Neapel (derzeit Erster und Dritter in der Serie A), des Premier-League-Aufsteigers Hull City (derzeit überraschender Dritter), des Primera-Division-Neulings Malaga (immerhin Sechster) und, natürlich, der TSG Hoffenheim enorm. Das Orakel hat gesprochen, nun darf der Titel ergriffen werden.

Und was bleibt den Fans von Manchester United, Inter Mailand und dem FC Bayern übrig? Die sollten nach Lettland schauen, in die Virsliga. Dort feierte in diesem Jahr der FK Ventspils die Meisterschaft, wie auch schon in den beiden Jahren davor.

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