Brasiliens Stürmer Neymar:Wunderkind mit Irokesenfrisur

In Brasilien wollen sie Neymar ein Denkmal bauen, die europäischen Klubs möchten ihn gerne sofort unter Vertrag nehmen - dabei ist der brasilianische Dribbler erst 19 Jahre alt. Junge, hochbegabte Fußballer wie er sollen die "Seleção" in drei Jahren zum sechsten WM-Titel führen.

Peter Burghardt

Sein schönstes Zauberkunststück stand noch bevor, da bekam der beste Fußballspieler Brasiliens im Juli einen flehenden Anruf. Am Telefon war José Mourinho, Trainer von Real Madrid. "Junge, komm zu uns", soll er Neymar da Silva Santos Júnior gebeten haben. Mourinho wusste längst, was der Stürmer kann.

Neymar ist Brasiliens neuer Exportschlager

Irokesen-Haarschnitt, klobige Ohrringe und stets ein freches Grinsen im Gesicht: Neymar da Silva Santos Junior soll Brasilien in drei Jahren zum WM-Titel führen.

(Foto: dapd)

Mit der brasilianischen Nationalmannschaft war Neymar zwar gerade im Viertelfinale aus der Copa América ausgeschieden, aber dem FC Santos hatte er kurz zuvor die Copa de Libertadores erobert, Lateinamerikas Champions League. Er gehört mit seinen 19 Jahren zu den auffälligsten Talenten der Welt und trug bis vor kurzem einen Irokesenschnitt, der ihn ein paar Zentimeter über seine 1,74 Meter Körpergröße hinauswachsen ließ.

Neymar bedankte sich dem Vernehmen nach freundlich für das Angebot und berichtete, er wolle vorher mit Santos noch die Klubweltmeisterschaft im Dezember gewinnen. Und dann, wenige Tage später, machte er seinem Publikum eine Zirkusnummer vor.

Beim Ligaspiel gegen Flamengo aus Rio de Janeiro nahm der Angreifer mit der Nummer 11 links außen an der Mittellinie den Ball entgegen, stieg mit der Hacke darauf und passte ihn sich mit dem linken Fuß selbst in den Lauf. Er umkurvte dabei zwei Rivalen und ließ den nächsten im Rahmen eines flinken Doppelpasses mit dem Kollegen Borges stehen.

Am Strafraum trat er mit dem rechten Fuß auf die Kugel, schob sie rasend schnell auf den linken und vorbei an einem Abwehrmann, gab sich dabei eine weitere Selbstvorlage, auch die letzten Abwehrmänner liefen ins Leere. Lässig überwand der Solist den Torwart Felipe, 13 Sekunden dauerte der Alleingang. Es war das 3:0. Später gelang Flamengos Ronaldinho im Rahmen seiner Renaissance ein Hattrick, Endstand 4:5.

Doch alle sprachen von diesem Treffer, inzwischen tausendmal auf YouTube bewundert und fast so grandios wie Diego Maradonas Jahrhundertsolo 1986 gegen die Engländer. Mitten in Santos, der Heimat Pelés.

Die einstigen Volkshelden verneigten sich. "Es ist unglaublich, so was im Hause Pelés zu sehen", schwärmte der unterdessen pensionierte und beleibte Ronaldo, der zu Neymars Beratern gehört. Neymar trage zwar nicht die 10 auf dem Rücken, "aber es war das Tor einer 10", schwärmte Careca: "Das ist Pelés würdig. Das Tor eines Genies, wie im Videospiel."

Großes Gehalt auch in Brasilien

Das sei nur ein Beispiel für seine großartigen Fähigkeiten, erläuterte Falcao, "Neymar ist so was gewohnt". Santos' Präsident Luis Álvaro de Oliveira kam sich vor "wie bei einem Spektakel in Las Vegas, bei dem zwei Zauberer einen Elefanten verschwinden lassen". Oliveira will jetzt erst recht aufpassen, dass die spanischen Finanzjongleure ihren wunderbaren Künstler nicht einfangen, ehe mal wieder die wertvollste Vereinstrophäe in der Vitrine steht.

Einerseits wissen alle, dass die höchsten Gehälter und die größten Triumphe nach wie vor auf der anderen Seite des Atlantiks locken. "Neymar muss nach Europa gehen, um der Beste des Planeten zu werden", glaubt Wanderley Luxemburgo, ehemals Trainer der Auswahl und von Real Madrid. Der Hauptstadtverein mag hemmungslos verschuldet sein, doch die 45 Millionen Euro für das Juwel aus Santos wird der Baulöwe Florentino Pérez lässig überweisen, sobald der Deal ausgehandelt ist.

Andererseits verdient Neymar bei seinem aktuellen Arbeitgeber laut der Zeitung O Estado do São Paulo 1,3 Millionen Reais im Monat, das sind 565.000 Euro, also fast 6,8 Millionen Euro im Jahr. Noch boomt Brasiliens Wirtschaft, und die Landeswährung Real ist beängstigend stark, weshalb nicht nur Veteranen wie Ronaldinho den Herbst ihrer Karriere gerne fürstlich entlohnt daheim verbringen.

Brasilien veranstaltet nacheinander WM 2014, Copa América 2015 und Olympia 2016, auch die brasilianische Liga ist attraktiv geworden. Als Mano Menezes vom unbeliebten Vorgänger Carlos Dunga die Seleção übernahm, setzte er auf junge Profis wie Neymar und Ganso aus der Heimat statt auf abgehalfterte Europäer.

Junge Leute wie sie sollen den Rekord-Weltmeister in drei Jahren in Rios Maracanã zum sechsten Titel führen. Und vor allem will der FC Santos bei der Vereins-WM in Japan im Dezember den FC Barcelona herausfordern und wie einst mit Pelé den Pokal abräumen - mit Antreiber Elano, Mittelfeldperle Ganso und ihm, Neymar.

So sieht es nun so aus, als werde das neueste Wunderkind der Nation frühestens nach diesem Turnier Ende des Jahres zu Mourinhos Millionärstruppe wechseln. Oder doch lieber zum FC Barcelona oder nirgendwo hin, wie Madrider Blätter befürchten? Sein Agent Wagner Ribeiro gab sogar bekannt, vor 2012 gehe da gar nichts.

Neymar selbst war bei der Ankunft in Stuttgart vor dem Länderspiel am Mittwoch hauptsächlich müde und genervt. "Alle sagen, ich gehe zu Real Madrid oder zum FC Barcelona, aber ich weiß von nichts", sprach er, "ich denke nur an Santos und an die Seleção." Im Stadion des FC Santos soll er bereits eine Art Denkmal kriegen, eine Plakette für das Tor gegen Flamengo. "Für mich", sagt Pelé, "hat er für dieses Tor fünf Plaketten verdient."

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