Der Boxer Joe Frazier ist tot:"Die Welt hat einen großen Champion verloren"

Joe Frazier lieferte sich einst packende und brutale Duelle mit Muhammad Ali - sowohl im Ring als auch abseits davon. Frazier war beim "Kampf des Jahrhunderts" der Erste, der Ali auf die Bretter schicken konnte. Im Alter von 67 Jahren erlag "Smokin' Joe" einem Krebsleiden.

Jürgen Schmieder

Es war einer der emotionalsten Augenblicke in der Geschichte des Sports: 14 Runden lang hatten sich Muhammad Ali und Joe Frazier in Manila gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Als der Gong ertönte, torkelte Ali in seine Ecke, Frazier musste gar vom Ringrichter geführt werden. Ali forderte seinen Assistenten Angelo Dundee auf, ihm die Handschuhe abzuschneiden - er könne nicht weiterkämpfen.

Joe Frazier Portrait Session

Joe Frazier zählte zu den ganz Großen im Boxsport. Im Alter von 67 Jahren erlag er einem Krebsleiden.

(Foto: AFP)

Gleichzeitig redete Fraziers Trainer Eddie Futch auf seinen Kämpfer ein, er solle aufgeben, weil der nächste harte Treffer Alis durchaus tödliche Folgen für Frazier haben könne. "No, boss", stammelte der in den letzten Runden mit zugeschwollenen Augen nahezu blind kämpfende Frazier immer wieder, während das Blut aus seinem Mund tropfte, "no, no, no!" Doch Futch beendete den Thrilla in Manila.

Als Ali aufstehen wollte, um sich vom Publikum feiern zu lassen, brach er ohmächtig zusammen. "Ich war dem Tod noch nie so nahe", sollte Ali später über diesen dritten Kampf gegen Frazier sagen, "neben mir ist Frazier der größte Boxer aller Zeiten."

Dieser formidable Boxer wurde 1944 in Laurel Bay geboren, einem Kaff in South Carolina, in dem die Hautfarbe eines Menschen wichtiger war als seine Fähigkeiten. Frazier arbeitete auf der Farm seiner Eltern und beobachtete nicht selten, wie Freunde von ihm von weißen Farmbesitzern mit Gürteln verprügelt wurden. Frazier war schon damals bullig und kräftig, er bekam von Mitschülern Sandwiches geschenkt, damit er sie gegen die Schulrowdys verteidigte.

Zu dieser Zeit verletzte er sich schwer an seinem linken Arm, als er auf einen Ziegelstein fiel. Weil seine Eltern kein Geld für einen Arztbesuch hatten, konnte Frazier seinen linken Arm nie mehr komplett ausstrecken. Er lernte, mit gekrümmtem Arm zu kämpfen - daraus entstand jener wuchtige linke Haken, mit dem er später Ali krachend zu Boden schicken sollte. "Mein linker Haken ist wie eine Rakete", sagte Frazier über seinen prägenden Schlag.

Im Alter von 15 Jahren ging Frazier weg aus South Carolina, er schaffte eine spektakuläre Karriere als Amateurboxer, ehe er nach dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio (Finalgegner war der Deutsche Hans Huber) zum Preisboxen wechselte.

Durch schnelle Niederschlag-Siege machte er sich ebenso einen Namen wie durch sein ungewöhnliches Training, das später im Film Rocky thematisiert werden sollte: In einer Kühlhalle prügelte er wild auf Rinderhälften ein, am Ende von Konditionsübungen lief er die Stufen des Philadelphia Museum of Art hinauf.

Im Jahr 1968 kämpfte er gegen Buster Mathis, bereits als Amateur einer seiner größten Rivalen, im Madison Square Garden um den Schwergewichtstitel des Verbandes NYSAC - und gewann durch technischen K. o. in der elften Runde. Diesen Titel verteidigte er sechs Mal und gewann dabei auch die Titel der Verbände WBC und WBA. Zwischen dem 4. März 1968 und dem 22. Januar 1973 war er Weltmeister aller Klassen.

Am 8. März 1971 trat er dann gegen den bis dahin ungeschlagenen Muhammad Ali an, das Duell wurde als "Kampf des Jahrhunderts" vermarktet - doch anders als viele andere Boxduelle, die mit diesem inflationär verwendete Prädikat versehen werden, hielt das Duell dem Hype stand.

Ali gegen Frazier: Revoluzzer gegen Patriot

Dieser Hype enstand, weil die beiden boxerisch wie menschlich kaum etwas gemein hatten. Auf der einen Seite war da der filligrane Ali, der elegant um seine Gegner herumtänzelte - auf der anderen Seite Frazier, der seine Kontrahenten nicht ausboxte, sondern sie wie ein Bulldozer durch den Ring schob und sie dann zerstörte.

Ali war der Revoluzzer, der den Kriegsdienst verweigert hatte ("Ich habe nichts gegen den Vietcong, kein Vietcong hat mich je Nigger genannt.") und dem deshalb 1967 der Weltmeister-Titel aberkannt worden war. Frazier hatte zwar beim damaligen US-Präsidenten Richard Nixon gefordert, Ali die Boxlizenz zurückzugeben und auch die Teilnahme am Turnier verweigert, das einen Nachfolger für den gesperrten Weltmeister Ali suchen sollte.

Dennoch galt Frazier als Kriegsbefürworter, er gab sich als Patriot und erklärte später in seiner Autobiographie, dass er in Vietnam gekämpft hätte, wenn er rekrutiert worden wäre. Ali bezeichnete Frazier verächtlich als "Onkel Tom", als einen, der immer nickt und nicht gegen die Weißen aufmuckt. Frazier revanchierte sich, indem er Ali stets bei seinem früheren Namen "Cassius Clay" nannte.

Beide erhielten jeweils 2,5 Millionen Dollar Gage, das war die bis dahin höchste Börse beim Preisboxen. Der spektakuläre und teils grausame Kampf dauerte über die komplette Distanz von 15 Runden, Frazier gewann am Ende einstimmig nach Punkten.

Zwei Jahre später verlor Frazier seine Titel an George Foreman, wobei er innerhalb der ersten beiden Runden sechs Mal niedergeschlagen wurde. Frazier setzte seine Karriere fort und gewann gegen Joe Bugner. 1974 kam es dann zum Rückkampf gegen Ali, erneut im Madison Square Garden. Frazier verlor ein eher unspektakuläres und von Halten und Klammern geprägtes Duell nach Punkten.

Danach gewann Frazier zwei Kämpfe spektakulär, während Ali beim Rumble in the Jungle in Zaire George Foreman in der achten Runde niederschlug. Es sollte zu einem dritten Kampf zwischen Frazier und Ali kommen - am 1. Oktober 1975 in der philippinischen Hauptstadt Manila. Während der Vorbereitung auf den Kampf veralberte Ali seinen Konkurrenten immer wieder und bezeichnete ihn als Affen. Der wohl berühmteste Ausspruch von Ali war: "It will be a killa, and a chilla, and a thrilla, when I get the gorilla in Manila."

Ali dominierte die erste Runden des Kampfes, doch Frazier überraschte durch seine Nehmerfähigkeiten und Kondition. Zu Beginn der siebten Runde soll Ali seinem Gegner ins Ohr geflüstert haben: "Joe, die haben mir gesagt, dass du erledigt bist." Fraziers Antwort: "Die haben dich angelogen, Schönling!" Nach der 14. Runde kam es zu jenem emotionalen Moment, als Ali aufgeben wollte - und ihm Frazier zuvorkam. Beide Boxer lagen nach dem Kampf wochenlang im Krankenhaus.

Nach einer weiteren Niederlage gegen George Foreman beendete "Smokin' Joe" - Volldampf-Joe, so wurde er aufgrund seiner Wucht genannt - seine Karriere mit einer Bilanz von 32 Siegen und vier Niederlagen, bei einem kurzen Comeback im Jahr 1981 gab es ein Unentschieden gegen Floyd Cummings.

Nach seiner Karriere betrieb Frazier lange Zeit eine Boxhalle in Philadelphia, er trat bei zahlreichen Wrestling-Events als Assistent auf und war einer der wenigen Prominenten, die zwei Mal in der Fernsehserie Die Simpsons porträtiert wurden. Hin und wieder trat er als Experte bei bedeutenden Boxkämpfen auf - und trug dabei stets einen überdimensionalen Cowboyhut. Von den Millionen, die er beim Preisboxen verdient hatte, soll am Ende nicht viel übrig geblieben sein. Frazier gab in mehreren Interviews an, sich selbst nicht gut genug vermarktet zu haben und teils falsch beraten worden zu sein.

Am 8. Juni 2001 gab es dann einen Boxkampf, der als "Ali/Frazier IV" angekündigt wurde - allerdings boxten nicht Ali und Frazier gegeneinander, sondern deren Töchter Laila Ali und Jackie Frazier-Lyde. Es war der erste Kampf zwischen zwei Frauen, der im amerikanischen Per-per-View als Hauptkampf ausgestrahlt wurde. Ali gewann das Duell einstimmig nach Punkten, Joe Frazier saß im Gegensatz zu Muhammad Ali am Ring.

Am 5. November 2011 wurde bekannt, dass Joe Frazier an Leberkrebs im fortgeschrittenen Stadium litt und in einem Krankenhaus in Philadelphia behandelt wurde. "Wir müssen nun auf ein Wunder hoffen", sagte sein Freund Leslie Wolff. Dieses Wunder blieb aus. "Smokin' Joe" starb in der Nacht zum 8. November im Alter von 67 Jahren. "Die Welt hat einen großen Champion verloren", sagte Muhammad Ali. "Wenn Gott mich je zu einem Heiligen Krieg ruft, dann will ich, dass Joe Frazier neben mir kämpft."

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