Basketball in der NBA:Schröder wird Bankangestellter

Chicago Bulls at Atlanta Hawks

NBA-Basketballer Dennis Schröder: Ein Umzug mit Konsequenzen.

(Foto: dpa)
  • Der deutsche Basketballer Dennis Schröder wechselt in der NBA von den Atlanta Hawks zu den Oklahoma City Thunder.
  • Nach fünf Jahren bei den Hawks will er endlich wieder bei einem Klub spielen, der Chancen auf die Meisterschaft hat.
  • Die Frage ist, wie er damit zurechtkommt, nicht mehr die Nummer eins im Kader zu sein.

Von Jonas Beckenkamp

In den vergangenen Tagen hatte Dennis Schröder gut zu tun, dabei wollte er sich eigentlich nur ein wenig den deutschen Basketball-Nachwuchs anschauen. Bei der U20-Europameisterschaft in Chemnitz saß er zumeist in einer der vorderen Reihen - und wenn er nicht dort saß, musste er Autogramme schreiben, bis in der Halle das Licht ausging. So ist das fast immer, wenn der NBA-Profi im Sommer in Deutschland verweilt: Besonders beim jungen Publikum ist Schröder, 24, eine angesagte Nummer.

Mit Oklahoma will er endlich wieder gewinnen

Angesagt war der Kopf des deutschen Nationalteams im Grunde auch bei seinem Klub Atlanta Hawks, wo er sich insbesondere in den vergangenen drei Jahren zu einem der besseren NBA-Spielmacher entwickelte. Doch das änderte sich am Freitag schlagartig. Die Hawks fädelten einen sogenannten Trade ein, ein Tauschgeschäft mit den Oklahoma City Thunder - und schickten ihren besten und teuersten Mann damit zu einem neuen Klub. Nach fünf Jahren in Georgia setzt Schröder seine Karriere nun im Mittleren Westen der USA fort, bei einem Verein, der schon jetzt ein Gewinner der spielfreien NBA-Zeit ist.

Gleichzeitig lässt eine Gesamtbetrachtung des Wechsels auch den Schluss zu, dass Schröder selbst von der Veränderung profitieren könnte - wenngleich mit Einschränkungen. Noch fehlt zwar die offizielle Bestätigung des Deals, der im Gegenzug Flügelspieler Carmelo Anthony nach Atlanta umziehen lässt, aber die Sache ist längst beschlossen. Zumindest auf Instagram, wo Dennis Schröder immer gerne Auskunft gibt, trägt er bereits das Trikot der Oklahoma City Thunder. "Ich habe fünf Jahre alles gegeben. Ich bin Atlanta sehr dankbar", schrieb er über einem Bildpost.

Schröder und Atlanta, diese Verbindung verlief in Wellen. Anfangs hatte der Braunschweiger Probleme mit der Anpassung an den physischen Basketball in der Muskelliga NBA, sein erstes Jahr verbrachte er größtenteils im Reserveteam der Hawks und auf der Auswechselbank, doch schon in seiner zweiten Saison lief es besser. Sein Coach Mike Budenholzer investierte viel Zeit und Geduld in den Jungen aus Germany und Schröder lernte, verbesserte sich und wurde heimisch in Atlanta. Im Stadtteil Buckhead erwarb er als Geschäftsführer eine Shisha Bar ("DS17 Lounge", benannt nach seinen Initialen und seiner Trikotnummer) und neben seinem Einkommen steigerte sich auch seinen Punkteschnitt.

Erst zehn Zähler pro Spiel, dann elf, dann 18 und zuletzt über 19 Zähler - seinen Aufstieg zum Anführer der Hawks honorierte der Verein 2016 mit einem 70-Millionen-Dollar-Vertrag für vier Jahre. Und genau dieser sündhaft teure Kontrakt wurde am Ende zum Problem. Atlanta musste für Schröder so viel Geld ausgeben, dass für den Rest der Mannschaft nicht mehr genügend übrig blieb, um einen playofftauglichen Kader zusammenzustellen. Schröder war Topverdiener in einem Team, das den Umbruch einleitete, in der vergangenen Saison führte das dazu, dass der Deutsche zwar reichlich Spielzeit und Körbe verbuchte, aber kaum Siege. Atlanta wurde Letzter im Osten der Liga, Schröder war gefrustet und wollte weg.

An Selbstbewusstsein fehlte es ihm nie, ein gewisser Hang zum Statussymbol (tarnfarbener Sportwagen, Glitzer-Ohrringe, eigene Modelinie) ist auf seinen Social-Media-Kanälen dokumentiert - aber Schröder ist eben auch ein Ehrgeizling, erst recht jetzt in seinen besten Jahren als Basketballer. Bei einem Pressetermin der deutschen Nationalmannschaft formulierte er schließlich Ende Juni unverblümt seinen Wechselwunsch. "Natürlich will man irgendwann einen Titel gewinnen. Da kann ich nicht Letzter in der Eastern Conference sein." Wenn es mit Atlanta nicht "in die richtige Richtung geht, müssen wir über Lösungen reden", sagte er.

Jetzt geht es also Richtung Oklahoma, ein Umzug der durchaus Erfolgschancen birgt. Das liegt zunächst einmal daran, dass die Thunder seit langem eine viel bessere Mannschaft haben, als die Hawks. In den vergangenen acht Jahren erreichte man stets die Playoffs, meistens sogar mit überzeugender Siegquote in der regulären Saison. Oklahoma gilt als aufstrebende Organisation und Spektakelfabrik - und das, obwohl sich mit James Harden und Kevin Durant die beiden prägenden Figuren des Aufstiegs längst verabschiedet haben. Siege wird es auch in der kommenden Saison geben, erst recht mit der Verstärkung durch Schröder.

Er sieht sich nicht als Aushilfskraft - er will Chef sein

Die Frage ist nur, wieviel Anteil der Zugang aus dem NBA-Osten daran haben wird. Auf seiner Position regiert mit Russell Westbrook immer noch der spektakulärste Energiebolzen des weltweiten Basketballs. Westbrook, ein erklärtes Vorbild Schröders, ist neben Allstar Paul George der Mann, der alles bestimmt. Er spielt fast jede Minute, er nimmt die meisten Würfe, alles dreht sich um ihn. Schröder dürfte es angesichts dieser Konkurrenz kaum in die Startformation schaffen, ihm bleibt wohl die Rolle als "sechster Mann" - des wichtigsten Einwechselspielers.

Obwohl er in dieser Position auch in Atlanta (vor allem 2015) schon groß aufspielte, ist die Rolle des ersten Bankangestellten eine Umstellung für den 1,88-Meter-Flitzer. Er ist es gewohnt, Tempo und Rhythmus in der Offensive zu bestimmen, seine Schnelligkeit auch über die volle Spielzeit auszunutzen. Und er sieht sich selbst nicht als Aufhilfskraft, sondern als potentiellen "Franchise-Player", wie die Amerikaner das Chefpersonal bei NBA-Klubs nennen. Letztlich wird vieles davon abhängen, wie das auf dem Papier äußerst dominante, schlagkräftige Duo Westbrook/Schröder harmoniert.

Einerseits könnte der Deutsche seinen Kollegen entlasten, ihm Pausen verschaffen, was bei Westbrooks zuletzt 36,4 Einsatzminuten pro Spiel dringend nötig ist. Anderseits könnte ihr Trainer Billy Donovan beide sogar gemeinsam aufbieten. Doch zwei Spielmacher, die ununterbrochen den Ball umherdribbeln wollen, das ist in der NBA schon öfter schief gegangen. Und dass Schröder sich ausgerechnet an der Seite eines der größten Egozockers der Liga weiterentwickelt, gilt als ungewiss.

So oder so beginnt für ihn eine neue Phase seiner Karriere. Nur eines blieb auch zuletzt beim Alten: Als Zuschauer bei der U20-EM in Chemnitz fummelte Schörder in jeder freien Sekunde auf seinem Handy herum. Zum Telefonieren benutzte er es nur einmal: Als ihn am Donnerstagabend der Anruf mit der Nachricht seines Trades erreichte, verschwand er samt seiner Entourage kurz von den Rängen - und kehrte dann gut gelaunt zurück.

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