Dennis Schröder bei den Los Angeles Lakers:Endlich die richtige Größe

Dennis Schröder Lakers

Dennis Schröder und Teamkollege Russell Westbrook - beide kennen sich aus ihrer Zeit in Oklahoma. Ob Westbrook in L.A. bleibt, ist aber fraglich.

(Foto: Maximilian Haupt/dpa)

Der Spielmacher der deutschen Basketball-Nationalmannschaft will bei seinem zweiten Engagement bei den Lakers einiges klarstellen, auf und neben dem Platz - vor dem Saisonstart überrascht er mit einer Aussage.

Von Jürgen Schmieder und Ralf Tögel, Los Angeles

Sie kann einen schon einschüchtern, diese Trainingshalle der Los Angeles Lakers; überall wird einem gezeigt, dass es sich da um einen ganz besonderen Sportverein handelt. Unterm Hallendach hängen 17 Titelbanner, nur die Boston Celtics waren ebenso oft Meister in der Basketballliga NBA. Das bedeutet: Wer sich selbst zu groß macht hier, der wirkt schnell lächerlich, zumal neben Teamkollegen wie LeBron James und Anthony Davis. Wer sich allerdings zu klein macht, der wird in dieser Halle schnell unsichtbar.

Es ist deshalb interessant, was Dennis Schröder bei seiner ersten Trainingseinheit für seinen neuen Verein getan hat - auf und abseits des Parketts. Auf dem Spielfeld hetzte er auf und ab, er verteidigte gewissenhaft und aggressiv, als würde der Titel während dieser ersten Einheit vergeben - dabei eröffnen die Lakers die Saison erst an diesem Dienstag bei Titelverteidiger Golden State Warriors. Anschließend stellte der deutsche Nationalspieler ein paar Dinge klar, und man merkte sofort, wie wichtig ihm das war.

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Schröder am Ende seiner ersten Lakers-Zeit als größter Tölpel der gesamten Liga gegolten hatte. Weil er ein Angebot über 84 Millionen Dollar für vier Jahre ausgeschlagen habe, wie es hieß. Jetzt bekommt er das Veteranen-Minimum von 2,64 Millionen für diese eine Saison, dann endet sein Vertrag. Wie kann sich einer derart verzocken, war Mitte 2021 das einhellige Urteil, zumal ihm die Vereinslegende Magic Johnson noch hinterherrief, so einer habe eben nicht das Zeug zu einem wahren Lakers-Spieler. Also: zu groß gemacht und doch zu klein für diese Trainingshalle?

Schröder behauptet nun, das 84-Millionen-Angebot der Lakers habe es nie gegeben

"Es gab nie ein Angebot, also habe ich nie was ablehnen können", sagt Schröder nun, und man merkt, wie sehr ihn das noch immer aufwühlt: "Keine Ahnung, wer das gesagt hat, aber es hilft ja nichts." Eben, es hilft nichts, die Häme war groß, zumal der gebürtige Braunschweiger trotz seiner zweifellos herausragenden sportlichen Fähigkeiten auch hierzulande polarisierte. Der Vorwurf: Er könne kein Team führen, weil er sich häufig größer mache als er wirklich sei. Schröder war es nicht gelungen, bei der Heim-EM 2015 sowie der WM 2019 in China das Team in die Hauptrunde zu führen. Und schon hieß es: Egoismus, Abwälzen von Verantwortung auf Trainer und Mitspieler, fehlende Teamfähigkeit. Der Hauptschuldige für die Misserfolge war schnell gefunden.

Umso verblüffender war es, dass der neue Bundestrainer Gordon Herbert nach nur einem Gespräch Schröder zum unumschränkten Anführer erklärte für die EM in Köln und Berlin. Die Fallhöhe war enorm, zumal für einen, der zu diesem Zeitpunkt ohne Vertrag dastand. "Ich will hier meinen Job machen, mein Berater macht seinen", erklärte Schröder, wohl wissend, dass dieses Turnier auch in den USA eine immense Aufmerksamkeit erfahren würde.

Das lag an der Qualität der Teilnehmer, denn mit Giannis Antetokounmpo (Griechenland), Luka Dončić (Slowenien) und Nikola Jokić (Serbien) waren neben zahlreichen NBA-Spielern drei der derzeit weltbesten Basketballer dabei. Zudem ist das Niveau der Euroleague, in der das Gros der teilnehmenden Akteure spielt, nicht mehr weit von dem der NBA entfernt. Es war also wenig verwunderlich, dass neben Trainern wie Jason Kidd (Dallas), Mike Brown (Sacramento Kings) oder Chauncey Billups (Portland Trail Blazers) auch viele Scouts aus der nordamerikanischen Liga anwesend waren.

Und Schröder lieferte: Er war kaum zu halten im Eins-gegen-eins, verteidigte aggressiv und selbstlos, traf die richtigen Entscheidungen in brenzligen Situationen. Nach anfänglichen Problemen fiel sein Distanzwurf, er bestimmte Rhythmus und Tempo im Spiel, setzte die Kollegen umsichtig ein. Schröder offenbarte Führungsqualitäten auch neben dem Parkett: Immer stellte er den Teamgedanken und die Ehre, sein Land zu vertreten, ins Zentrum seiner zahlreichen Interviews, gab sich Fans gegenüber aufgeschlossen - und zeigte nach dem Gewinn der Bronzemedaille, an der er als bester Spieler und Punktesammler großen Anteil hatte, eine edle Geste.

Dennis Schröder bei den Los Angeles Lakers: In Köln, bei der EM-Vorrunde, suchte Dennis Schröder noch seinen Wurf von außen, aber als es in die entscheidenden Partien ging, war er da.

In Köln, bei der EM-Vorrunde, suchte Dennis Schröder noch seinen Wurf von außen, aber als es in die entscheidenden Partien ging, war er da.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Robin Benzing war zur Partie gegen Polen in der Halle, der langjährige deutsche Teamkapitän war von Coach Herbert kurz vor EM-Beginn aus dem Kader gestrichen worden. "Wenn er keine Medaille bekommt, gebe ich ihm meine", sagte Schröder. Das klang aufrichtig. Der 29-Jährige ist mittlerweile Familienvater, er wirkte geerdet, gereift, gewachsen - groß genug also.

Da hatte einer seine Rolle gefunden, genau das wollten sie sehen bei den Lakers: einen, der das Team an erster Stelle sieht - was auch bedeuten kann, genau dann egoistisch zu sein, wenn das Team verzweifelt auf den Anführer guckt, der alle beruhigt und sagt: "Gebt mir die Kugel und geht aus dem Weg!"

Kann es also sein, dass dieser Schröder in den ersten neun Jahren seiner Profilaufbahn von vielen Leuten falsch eingeschätzt wurde? Stets sollte er der Anführer sein, der immer den Ball hat - was aber, wenn man seine weniger auffälligen Stärken sieht? Seine herausragende Defensive und die Fähigkeit, in wichtigen Momenten mit Eiswasser in den Adern zu entscheiden? Was, wenn die Lakers aus den Fehlern des ersten Engagements gelernt und nun einen anderen Schröder haben? Für - sollte das mit dem Angebot doch stimmen - jährlich 19 Millionen Dollar weniger, die sie wegen der Gehaltsobergrenze in andere Akteure investieren können?

Sie haben einen interessanten Kader in L.A.: Zu den Branchenriesen James und Davis kommt Russell Westbrook - den die Lakers aber wegen seines üppigen Vertrags (in dieser Saison 47 Millionen Dollar) und der Tatsache, dass er nicht mehr so gut ist wie vor ein paar Jahren, gerne tauschen würden. Sie haben Aufbauspieler Kendrick Nunn, der 2020 mit Miami die Finalserie erreichte, die vergangene Saison aber wegen einer Knieverletzung verpasste. Der ist ein richtig guter Verteidiger, wie auch Aufbau-Zugang Patrick Beverley - und sie haben Schröder. Wenn Manager Rob Pelinka dieser Tausch für Westbrook gelingt, könnte schon klappen, was Schröder sich für seine Rückkehr vorgenommen hat: "Ich habe hier noch etwas zu erledigen: den Titel gewinnen."

Zu Saisonbeginn wird Schröder allerdings nicht auflaufen, laut Lakers-Chefcoach Darvin Ham muss er sich einer Operation am verletzten Daumen unterziehen, und wird drei bis vier Wochen ausfallen. Es ist aber auch zu hören, dass sie das mit Gleichmut aufnehmen in L.A. - Schröder kam ohnehin spät zum Team. Und er soll am Ende der Saison fit sein, wenn es um den Titel geht. Nicht unbedingt zu Beginn.

So soll das auch in einzelnen Partien sein: Schröder dürfte nicht von Beginn an auf dem Parkett stehen, aber häufig am Ende, wenn Spiele entschieden werden, wenn die Lakers Punkte der Gegner verhindern müssen oder eine ruhige Hand im Aufbau brauchen. Das könnte seine Rolle sein - und damit die passende Größe für diese Halle. Es ist das Ziel eines jeden Profis, der in die Lakers-Arena kommt: an einem der Banner unter dem Dach beteiligt gewesen zu sein.

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