Basketball:Plötzlich im Favoritenkreis

Basketball: Stark in der Defense und in der Offense: Franz Wagner.

Stark in der Defense und in der Offense: Franz Wagner.

(Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Deutschland zeigt beim 90:71-Sieg im WM-Qualifikationsspiel gegen Europameister Slowenien eine hervorragende Leistung und kann mit einem guten Gefühl zur Heim-EM nach Köln reisen.

Von Ralf Tögel, München

Der Abend war schon weit fortgeschritten, als eine dunkle Gestalt mit Kapuze über dem Kopf durch die Hotellobby schritt. Der Basketball-Nationalspieler Nick Weiler-Babb fiel aber gar nicht weiter auf, denn es herrschte noch Trubel auf jener Sommergala des FC Bayern, zu der die Münchner Basketballer vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Slowenien in ihrer Halle geladen hatten. Auch die Nationalspieler hatten sich kurz sehen lassen, waren aber längst in ihren Betten. Nur Weiler-Babb, der dank einer Express-Einbürgerung für die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) spielen darf, drehte noch eine Runde. Vielleicht konnte er ja nicht schlafen, Grund dafür hätte er gehabt. Denn Bundestrainer Gordon Herbert hatte den 26-Jährigen mit der Aufgabe betraut, Luka Doncic am Körbewerfen zu hindern.

Das ist einer der derzeit unangenehmsten Aufträge im gehobenen Profi-Segment, wie auch Weiler-Babb am Sonntag rasch bemerkte. Doncic war einmal mehr bester Akteur auf dem Feld und mit 23 Punkten Topscorer der Partie. An der 71:90-Niederlage des Favoriten änderte das aber nichts. Denn Weiler-Babb und seine Teamkollegen erledigten ihre Aufgaben derart gut, dass sie einen so überraschenden wie hoch verdienten Erfolg vor 6135 begeisterten Zuschauern landeten. Damit bleibt die DBB-Auswahl in ihrer WM-Qualifikationsgruppe vorne, fast wichtiger war dieser Erfolg aber, vier Tage vor dem Beginn der Heim-EM, für das Selbstvertrauen der Spieler.

Die deutsche Auswahl fährt nun mit dem guten Gefühl nach Köln, sogar den Titelverteidiger schlagen zu können - und hat sich damit plötzlich in den Favoritenkreis katapultiert. Herbert wirkte fast überrascht, als er hernach von dem "herausragenden Aufwand und einem enormen Willen" der Spieler sprach. Zwar sei man schwer in die Partie gekommen, so Herbert, was der 17:20-Rückstand nach dem ersten Viertel zeigte, aber "unsere Abwehr war der Faktor, dass in der zweiten Halbzeit auch die Offense besser wurde".

Doncic, der Topakteur der Slowenen, die im selben Hotel wie die Deutschen untergebracht waren, hatte den Abend vor dem Spiel übrigens auch recht entspannt verbracht. Er saß abseits des Trubels beim Kartenspielen, trank Cola und qualmte ein Zigarettchen. Im Spiel aber verging dem 23-Jährigen, der im Team der Dallas Mavericks einer der bestimmenden Spieler der National Basketball League (NBA) ist, bald die Freude. Denn neben Weiler-Babb, der sich schon in der Euroleague als Defensivspezialist einen Namen gemacht hat, setzte ihm auch Franz Wagner immer wieder zu.

Die herausragende Defensivarbeit ist der Grundstein für den hoch verdienten Sieg gegen den Europameister

Vor allem in der Abwehr wusste sich das deutsche Team im Vergleich zum wenig funkelnden 67:50-Sieg gegen Schweden vor drei Tagen gehörig zu steigern. Unter den Körben fischten die Center Johannes Voigtmann und Johannes Thiemann immer wieder Bälle von den Brettern und erarbeiteten ihrem Team zweite und dritte Wurfchancen (56:27 Rebounds).

"Wir hatten zu wenig Energie gegen diesen physischen Gegner", erklärte der frustrierte Gäste-Coach Alekander Sekulic. Auch in der Offensive spielte das deutsche Team klar verbessert, allen voran Franz Wagner, der in der NBA für Orlando spielt und neben seiner Abwehrleistung mit 16 Punkten auffiel. Zudem erwies sich Andreas Obst (13 Punkte) als treffsicherer Distanzschütze, auch Voigtmann punktete zweistellig (11). Dennis Schröder, der zweite deutsche NBA-Akteur auf dem Parkett (derzeit ohne Arbeitgeber), zeigte zwar in der ersten Hälfte noch Schwächen beim Distanzwurf, gefiel aber in der Rolle des Spielmachers. Und er steigerte sich nach der Pause, kam immer öfter mit seinen pfeilschnellen Dribblings zum Korb durch und war mit 17 Punkten Topscorer im DBB-Team.

Für Daniel Theis (Indiana Pacers), den dritten verbliebenen NBA-Akteur im Kader, kam die Partie noch zu früh. Der Flügelspieler absolvierte zwar ein Aufwärmprogramm, verzichtete aber auf einen Einsatz. Später berichtete er von einem "guten Gefühl", sein malades Knie bis zur EM-Spiel hinzubekommen. Dann müsste der Bundestrainer noch drei Spieler streichen, dieses Mal kamen David Krämer und Leon Kratzer nicht um Einsatz. Unklar ist allerdings der Zustand von Gavin Schilling, der zur Halbzeit verletzt in der Kabine blieb.

Die Chancen für eine Teilnahme an der WM 2023 in Japan, Indonesien und auf den Philippinen sind nun jedenfalls exzellent, Deutschland führt die Gruppe mit 7:1 Siegen an, vor Finnland und Slowenien. Das nächste Zeitfenster für die WM-Qualifikation ist im November, dann geht es gegen besagte Finnen und zum Auswärtsspiel nach Slowenien. Die Chance auf eine Revanche aber bekommen Doncic und Kollegen schon früher: Sie sind Gruppengegner der Deutschen bei der Europameisterschaft.

Bundestrainer Herbert warnte nach dem Erfolg am Sonntag dann auch: "Das war ein Spiel und wir sind in der Todesgruppe."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: