Dennis Schröder in der NBA:Verzwickte Jahre eines Weltmeisters
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Sieben Vereinswechsel in sechs Spielzeiten, keine Aussicht auf den Titel: Dennis Schröder ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens als Basketballer - aber seine Karriere in den USA wirkt immer mehr wie eine gut bezahlte Reise ohne Ziel.
Von Jonas Beckenkamp
Als Dennis Schröder neulich in München beim Pokal-Finalturnier vorbeischaute, erzählte er von einem interessanten Plan. Er hoffe, nach seiner Karriere im US-Basketball "mit Braunschweig einen deutschen Meistertitel zu holen". Ein ambitioniertes Ziel insofern, als der Klub seit Jahren im Mittelfeld der Bundesliga hängen bleibt. Aber für Schröder ist Braunschweig eine Herzenssache, schließlich reicht die Verwurzelung des 30-Jährigen in seiner Heimat so tief, dass er seit 2020 auch Besitzer der Löwen ist. Schröder und Braunschweig, eine Liaison auf Lebenszeit - und der NBA-Profi meint es ernst mit seinen Plänen, eines Tages noch einmal für seinen Jugendklub aufzulaufen. Ein Weltmeister kommt heim, das wäre ja auch eine hübsche Geschichte.
Doch vorher schraubt Schröder noch an seiner Geschichte in der US-Profiliga, wo er in seiner elften Saison kürzlich von den Toronto Raptors zu den Brooklyn Nets umgezogen ist. Das Verzwickte daran: Das mit den Vereinswechseln ist bei ihm zu einer eigenen Geschichte geworden, der vom Wandersmann. Sieben Neustarts in den vergangenen sechs Jahren sind selbst in der "Hire&Fire"-Kultur der NBA außergewöhnlich, zumal der Deutsche nur selten in die Nähe eines Titelgewinns geriet. Und so stellt sich in der Spätphase seiner USA-Tour die Frage, ob Schröder seine besten Jahre nicht ein wenig vergeudet, indem er ziellos durch die Liga tingelt.
Dass die NBA bei allen Millioneneinnahmen ihrer Beteiligten knallharte Rahmenbedingungen für die Profis bietet, dürfte bekannt sein. Spieler werden feilgeboten, verschifft und getauscht, ohne darauf Einfluss zu haben. So erging es auch Schröder, der zuletzt in Toronto Opfer eines totalen Umbruchs wurde - mitten in der Saison purzelte er plötzlich aus der Startaufstellung, dann entschied sich der Klub, beinahe alle tauglichen Spieler abzugeben, um sich neu aufzustellen. "Ich weiß, dass das ein Business ist hier in den NBA", sagte Schröder kürzlich lapidar zur Deutschen Presse-Agentur. Was soll's, kann man eh nicht ändern.
Er findet: Bei einem Wechsel ändere sich "mein Gehalt nicht, ich bin vielleicht in einer anderen Stadt, aber ich kann meine Familie zu mir holen, die bezahlen für die ganzen Reisen - das ist ein Luxusproblem". Nun also New York, wo kürzlich der Trainer gehen musste und ebenfalls vieles nach Übergangsjahr aussieht. Ein Jahressalär von mehr als zwölf Millionen Dollar bei einem der aktuell schlechtesten Teams in der Haupttugend des Basketballs: dem Körbewerfen.
Auch bei Schröders neuem Klub, den Nets, sieht es wieder nach einem Übergangsjahr aus
Als die Nets Mittwochnacht in Orlando antraten, freute sich Schröder kurz, seine WM-Kumpels Moritz und Franz Wagner von den Magic wiederzusehen. Er selbst hatte wie die Berliner Brüder (16 und 21 Punkte) durchaus starke Szenen (15 Zähler und drei versenkte Dreier), aber Brooklyn spielte insgesamt grauenhaft. 81:108 hieß es am Ende, ein weiteres Mal vermöbelt, die Playoffs ein ganzes Stück entfernt - das ist nun Schröders Realität. Eine ähnliche Sackgasse erlebte er schon in der Saison 2021/2022, als er nach seinem Aus bei den LA Lakers (samt gescheiterten Vertragsverhandlungen) erst in Boston auf der Bank und dann bei den notorischen Verlierern der Houston Rockets landete.
Am Ende der aktuellen Spielzeit wird er um die 90 Millionen Dollar verdient haben, da lässt sich manche Ohnmacht, manche Niederlagenserie verschmerzen. Doch das ist nur der finanzielle Aspekt. Sportlich betrachtet kann so ein Karriereweg einen gestandenen NBA-Profi wie ihn nicht zufriedenstellen. Schröder ist immer noch ein exzellenter Instinktspieler, sein ICE-Antritt, sein Gespür im Gestrüpp der Zone sowie seine Willenskraft, es allen zu zeigen, haben ihn dahin gebracht, wo er heute ist: Er ist der Spielgestalter des Weltmeisters. Weil er im deutschen Nationalteam genau jene Freiheiten genießt, die sein Spiel braucht. Unter Bundestrainer Gordon Herbert durfte er bei der WM den Bestimmer geben, mit dem Resultat, dass er zum Turnierbesten gewählt wurde.
Diese Rolle blieb ihm in den USA meist verwehrt, dort war Schröder, wenn er in ambitionierten Teams spielte, ein Adjutant für die Eliten (wie etwa für LeBron James in seiner Lakers-Zeit) - aber keiner, der ein ganzes Team ins Titelrennen treibt. "Wenn die Würfe fallen, wird alles leichter für mich", sagte er diese Woche nach einem seltenen Erfolg gegen Memphis, bei dem er seine aufsteigende Form mit 18 Punkten unterstrich - und fügte indirekt an, was aus seiner Sicht das Problem ist: "Wenn die Kollegen ebenso treffen, öffnet sich auch mein Spiel." Dass die Mitspieler allzu oft danebenwerfen, damit muss Schröder leben in Brooklyn, im Niemandsland der Liga.
"Wir brauchen seine Dreier, aber auch seine Aggressivität Richtung Korb", findet sein neuer Coach Kevin Ollie, der interimsmäßig übernommen hat, "er weiß, wie man eine Offensive organisiert, deshalb soll er mit allen Freiheiten spielen und kommunikativ sein." Ob mit diesen Freiheiten auch mehr Siege herausspringen, wird sich nach einigen Umbauten wohl erst kommende Saison zeigen. Die Frage ist, ob Schröder dann nicht schon weitergezogen ist.