Denise Herrmann bei der Biathlon-WM:Mit Plan zur Attacke

IBU World Championships Biathlon Antholz-Anterselva - Women 10 km Pursuit Competition

Denise Herrmann freut sich über Silber.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Denise Herrmann verschafft den deutschen Biathleten bei der WM in Antholz die erste ersehnte Medaille.
  • Die 31-Jährige hat sich seit ihrem Gold-Gewinn vor einem Jahr noch besser in ihrem zweiten Sport zurechtgefunden.

Von Saskia Aleythe, Antholz

Die Leidenschaft aus ihrem früheren Leben trägt Denise Herrmann noch immer in sich. Die meisten Biathleten brechen nicht unbedingt in Euphorie aus, wenn auf der Schlussrunde noch Konkurrenz um sie herumschwirrt, die einem im dümmsten Falle auch noch die Medaille wegschnappt. Herrmann, fast zwei Jahrzehnte als Langläuferin unterwegs, tickt da ein bisschen anders. Am Sonntagnachmittag freute sich die 31-Jährige nicht nur über die Silbermedaille in der Verfolgung, sondern auch über einen Moment vor der Ziellinie: "Das habe ich mir schon lange mal wieder gewünscht: Dass es einen richtig heißen Fight gibt um die Plätze."

Den hat sich Herrmann mit Marte Olsbu Roiseland definitiv geliefert. 300 Meter vor der Ziellinie rauschte sie an der Norwegerin vorbei und beackerte den nächsten Anstieg mühelos. Es waren die Sprünge zu Silber. Welchen Stand die Deutsche in ihrem Sport mittlerweile genießt, hörte man später an den Aussagen der Norwegerin. "Als sie vorbeigegangen ist, wusste ich: Ich habe keine Chance", sagte Roeiseland und lachte trotzdem. Da saßen sie mit der Siegerin Dorothea Wierer aus Italien zu dritt auf dem Pressepodium, alle drei mit glücklichen Gesichtern. Ein untrügliches Zeichen für die Klasse des Wettkampfs.

Im Biathlon ist vieles Kopfsache, Denise Herrmann weiß das natürlich - deswegen hat sie sich in den vergangenen Tagen auch immer wieder zurück nach Östersund gedacht. In dem Ort in Mittelschweden ist sie vor einem Jahr zur Weltmeisterin in der Verfolgung aufgestiegen, es war ihre erste Einzelmedaille als Biathletin. Platz sechs damals im Sprint, dann WM-Gold - konnte ihr das auch in Antholz gelingen? "Heute war ich ziemlich aufgeregt, weil die Ausgangsposition ziemlich gut war, ähnlich wie letztes Jahr", sagte Herrmann. Und sie hatte seit den fröhlichen Tagen in Schweden ja auch einiges investiert: Nur verkürzte Weihnachtsferien gönnte sich Herrmann, ging stattdessen ins Höhentrainingslager nach Davos. Am Umgang mit der Waffe werkelte die Sächsin ebenfalls weiter, auch am Schnellfeuern, was in der Weltspitze je nach Rennen über Medaillen entscheiden kann.

Am Schießstand hatte Herrmann in den vergangenen Tagen trotzdem immer wieder gekämpft: Ihre Strafrunde warf die Mixed-Staffel zu WM-Beginn auf Rang vier zurück, im Sprint warfen sie drei Fehler auf Platz fünf zurück. "Es hat an Millimetern gefehlt, um das totale Glück zu erfahren", sagte sie nun in Antholz. Millimeter sind bei den 50 Meter entfernten Scheiben manchmal schon ein falscher Atemzug im Anschlag. Ihr Plan für den Verfolger: Am Schießstand "nicht völlig versagen", die Laufform passte ja. Es liegt in ihrer Hand, sagte Herrmann, was schon eine ziemlich komfortable Position ist.

Und dann kamen die Minuten von Herrmann

Gleich der erste Schuss ging am Sonntag jedoch daneben, in den folgenden Runden bestritten Roeiseland (drei Fehler) und Wierer (ein Fehler) fast ein einsames Duell, allerdings immer mit Herrmann im Nacken. Wäre ihr fünfter Schuss beim letzten Besuch am Schießstand auch noch ins Schwarze gegangen, hätte die Deutsche sogar noch um Gold kämpfen können. Als sie in ihre insgesamt dritte Strafrunde an diesem Tag abbog, eilte Dorothea Wierer gerade davon, spürte aber trotzdem noch die Bedrohung von hinten: "Ich wusste, dass Denise und Marte alles geben würden, um mich einzuholen."

Und dann kamen die Minuten von Herrmann, die sich einen Plan zurechtgelegt hatte für die Attacke auf Roeiseland: Nicht zu früh angreifen, schließlich ist die Norwegerin in der Loipe auch eine starke Gegnerin. "Ich konnte dann recht easy dranbleiben", sagte Herrmann später. Also nutzte sie den Windschatten in einer Abfahrt, rutschte an Roiseland vorbei und sprang den kurzen Anstieg hinauf. Mit dem letzten Schuss haderte sie im Anschluss nicht lange: "Ich bin sehr, sehr zufrieden und überglücklich."

Glücksgefühle erfüllten auch Vanessa Hinz, die mit Rang fünf ihr bestes WM-Ergebnis in einem Einzelrennen schaffte, nachdem sie in dieser Saison noch nicht über Platz acht hinaus gekommen war. "Ich habe nicht brutal etwas umgestellt, nur eben den Glauben nicht verloren", sagte die 27-Jährige; nur eine Patrone hatte nicht im Schwarzen eingeschlagen. Franziska Preuß auf Rang sieben (zwei Fehler) und Karolin Horchler (null) auf Platz 15 waren für Herrmann ein Zeichen, dass man als Team "grandios" aufgetreten war. Man bekam tatsächlich den Eindruck, dass sich diese Tage in Antholz für den Deutschen Skiverband noch in eine positivere Richtung entwickeln könnten. "Wir sind zum richtigen Zeitpunkt fit geworden", sagte Frauen-Trainer Kristian Mehringer. Beim zweiten Weltcup der Saison in Hochfilzen hatten die Frauen mit Plätzen zwischen 41 und 64 im Sprint noch ein Debakel erlebt.

Jubelmomente im Herrmannschen Ausmaß haben die deutschen Männer hingegen in Antholz noch nicht erfahren. Beim Verfolgungs-Sieg von Frankreichs Emilien Jacquelin (null Fehler) vor Johannes Thingnes Boe aus Norwegen (zwei/0,4 Sekunden zurück) und Alexander Loginow (1/23,9) aus Russland landete Arnd Peiffer auf Rang fünf (ein Fehler). Philipp Horn wurde 18. (sechs), Johannes Kühn (fünf) musste sich mit Rang 28 zufrieden geben; Benedikt Doll erwischte mit Rang 29 einen Tag zum Vergessen. Sieben Fehler am Schießstand - die Lücke hätte nicht mal Denise Herrmann zulaufen können.

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