DEL-Playoffs:Krimi mit Kniffen

Adler Mannheim - Straubing Tigers

Am Ende den Tick weiter vorne: Markus Eisenschmid (l.) mit Mannheim gegen Benedikt Schoppers Straubing Tigers.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der große Favorit Adler Mannheim ist im entscheidenden Viertelfinalspiel gegen die Straubing Tigers lange dem Ausscheiden nahe. Doch dann zückt dessen Trainer Pavel Gross einen letzten, entscheidenden Joker.

Von Christian Bernhard

Was Pavel Gross vom diesjährigen, coronabedingt verkürzten Playoff-Modus in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) hält, hat er schon lange vor dem Start der Playoffs unmissverständlich kundgetan. "Das ist ein Foul am Eishockey, ein Rückfall in die 80er Jahre, eine Lachnummer in ganz Europa und fast Betrug an den Fans", schimpfte der Trainer der Adler Mannheim im Februar, als die Playoffs noch Wochen entfernt waren.

Am Samstagabend sorgte Gross dafür, dass seinem Team das ungeliebte Best-of-three-Format nicht schon im Viertelfinale zum Verhängnis wurde. Als der DEL-Hauptrunden-Dominator im alles entscheidenden dritten Viertelfinalspiel gegen die Straubing Tigers zehn Minuten vor Schluss mit 0:3 zurücklag, nahm Gross bei zwei Überzahlspielen seinen Torhüter Dennis Endras zugunsten eines sechsten Feldspielers vom Eis - und beide Male führte das Sechs gegen Vier zu einem Tor. Danach fiel auch noch das 3:3 und in der Verlängerung bescherte Nico Krämmer den Adlern den Halbfinaleinzug - am Ende waren die Mannheimer in einer unglaublich engen Partie die Glücklicheren.

"Das kann man gar nicht beschreiben", sagte Krämmer nach dem Krimi bei Magentasport. Gross wollte sich für seine mutigen Entscheidungen nicht feiern lassen. "Nicht der Trainer ist das Genie, die Mannschaft ist das Genie" sagte er. "Wir hatten nichts zu verlieren", betonte er, "wir mussten Momentum kreieren." Das gelang.

"Ich bin unheimlich stolz", sagt Tigers-Trainer Tom Pokel

Im Halbfinale treffen die Mannheimer ab Montag auf die Grizzlys Wolfsburg, die sich ebenfalls in der Verlängerung von Spiel drei gegen die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven durchsetzten (3:2). Das zweite Halbfinale bestreiten die Eisbären Berlin, die ihr drittes Viertelfinalspiel gegen die Iserlohn Roosters trotz eines 0:2-Rückstandes mit 5:3 gewannen, und der ERC Ingolstadt, der Mitfavorit EHC Red Bull München bereits am Donnerstag eliminiert hatte.

Das Straubinger Saisonende hätte kaum bitterer sein können. 50 Minuten lang boten die Tigers eine herausragende Leistung, sowohl defensiv als auch taktisch und körperlich. "Ich bin unheimlich stolz", sagte Tigers-Trainer Tom Pokel, "Herz und Leidenschaft" seines Teams seien großartig gewesen. "Wir waren sehr kurz davor, wir müssen uns nicht verstecken."

Seine Mannschaft bestimmte die Partie von Beginn an, war nicht nur in Sachen Körpereinsatz und Aggressivität überlegen, sondern auch entschlossener im Offensivspiel. T.J. Mulock fälschte die Scheibe passend dazu zum 1:0 ab (5.), Corey Tropp legte nach schöner Vorarbeit von Verteidiger Brandon Gormley das 2:0 nach (10.). Ohne eine überragende Fanghandparade von Adler-Torhüter Dennis Endras gegen Jeremy Williams wäre es in der 15. Minute sogar schon 3:0 für die Tigers gestanden. Die Mannheimer fanden überhaupt nicht ins Spiel, weil die Niederbayern auch defensiv konzentriert und aggressiv zu Werke gingen. Erst in der 16. Minute gelang den Dominatoren der Hauptrunde der erste Schuss aufs Tor von Tigers-Torhüter Sebastian Vogl. Straubing sei defensiv "sehr, sehr gut aufgestellt", sagte Adler-Angreifer Markus Eisenschmid nach dem Startdrittel, "wir müssen einen Weg finden, irgendwie durchzukommen."

Dank Gross' Entscheidungen befreien sich die Adler

Bei diesem Vorhaben hätte wohl David Wolf helfen können, doch der Nationalstürmer und Aggressive-Leader der Adler saß mit Sonnenbrille in den Haaren auf der Tribüne, da er sich im ersten Spiel eine schwere Armverletzung zugezogen hatte. Von dort sah er, wie sich seine Teamkollegen auch im Mitteldrittel brutal schwer gegen die hochkonzentrierten Tigers taten. Hoffnung kam in der 31. Minute auf, als sich den Adlern ein Überzahlspiel bot. Doch statt 1:2 hieß es daraufhin 0:3, weil Mark Katic die Scheibe im eigenen Drittel verlor und Antoine Laganière Endras überwand (31.). "Bis jetzt machen wir alles richtig", sagte Straubings Kapitän Sandro Schönberger nach dem Mitteldrittel. "Wir haben sie genau da, wo wir sie haben wollen: am Krawattl (Kragen). Jetzt dürfen wir sie nicht mehr loslassen."

Doch die Mannheimer befreiten sich dank Gross' mutigen Entscheidungen, die zu den Überzahltoren von Sinan Akdag (50.) und Brendan Shinnimin (52.) führten. Mannheim war fortan im Mannheim-Modus, Thomas Larkin sorgte fünfeinhalb Minuten vor Schluss für das 3:3. "Wir haben immer an uns geglaubt", betonte Larkin vor der Verlängerung, in der Krämmer einen Rückhandschuss von Kapitän Ben Smith leicht aber entscheidend abfälschte (71.). "Wir wollten noch nicht, dass es vorbei ist", erklärte Krämmer, "jetzt geht es in zwei Tagen weiter." Und zwar mit der Gewissheit, dass der Trainer auch ganz besondere Kniffe auf Lager hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: