DEL:Im Zeichen des Schlitzohrs

15 09 2017 Eishockey Saison 2017 2018 DEL 03 Spieltag Thomas Sabo Ice Tigers Icetigers Nür; Eishockey

„Nürnberg ist meine zweite Heimat geworden“: Yasin Ehliz, 24, geboren in Bad Tölz, führt mit den Ice Tigers nach vier Spielen die DEL-Tabelle an.

(Foto: imago)

Nationalspieler Yasin Ehliz entwickelt sich bei den Nürnberg Ice Tigers zur Leitfigur.

Von Johannes Schnitzler

Wenn an diesem Freitag die Nürnberg Ice Tigers bei den Augsburger Panthern antreten, empfängt der Dritte der Deutschen Eishockey Liga den ungeschlagenen Tabellenführer. Vier Spiele, vier Siege: Die Bilanz der Nürnberger hat nicht unwesentlich mit Yasin Ehliz zu tun. Gemeinsam mit dem Kanadier Dane Fox führt der Außenstürmer die Nürnberger Scorerstatistik mit sechs Punkten an. Augsburg wiederum hat die meisten Treffer erzielt - das Spitzenspiel (Beginn 19.30 Uhr) verspricht einigen Unterhaltungswert. "Es macht immer Spaß, in Augsburg zu spielen", sagt Ehliz. Dabei ist Augsburg für ihn mit einer seiner schmerzhaftesten Erinnerungen verbunden. Manche nannten es "Horror".

Rückblende. 21. März, Playoff-Viertelfinale. Nürnberg empfängt Augsburg zum entscheidenden siebten Spiel. Es steht 1:1 im ersten Drittel, Ehliz hat die Augsburger Führung ausgeglichen, als Nürnbergs Kapitän Patrick Reimer im Powerplay zum Schlagschuss ausholt. Sekundenbruchteile später liegt Ehliz blutüberströmt auf dem Eis. Reimers Puck hat ihn am Kopf getroffen, sein linkes Ohr ist zerfetzt und muss im Krankenhaus mit 20 Stichen genäht werden. Trotzdem kehrt Ehliz ins Stadion zurück. Erst als er sieht, dass seine Ice Tigers führen, geht er in die Kabine. Und duscht erst mal. Nürnberg gewinnt 5:3. Im Halbfinale gegen Wolfsburg spielt Ehliz mit einem speziellen Ohrschutz - und erzielt das 1:0. Die Bild erklärt das "Schlitzohr" zum "härtesten Profi" Deutschlands.

Heute sagt er: "Die Serie gegen Augsburg war extrem hart. Aber geil."

"Yasin gehört zu den Ice Tigers wie die Burg zu Nürnberg."

Um den Eishockeyprofi Yasin Ehliz zu beschreiben, kommen immer häufiger Superlative zum Einsatz. Gerade in dieser Woche erklärte ihn sein Arbeitgeber zum "begehrtesten Stürmer" der DEL. Köln, Mannheim, Berlin, München: Die ersten Adressen der Liga waren an dem 24-jährigen Nationalspieler interessiert. Vom deutschen Meister München lag ihm ein ausverhandeltes Angebot vor. "Ich habe echt lange nicht gewusst, was ich tun soll", gesteht Ehliz. Unter anderem hielt er mit Marco Sturm Rücksprache, dem Bundestrainer. Schließlich entschied er sich dafür, in Nürnberg zu bleiben. Am Dienstag verlängerte Ehliz seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag vorzeitig bis 2021. Für Eishockey-Verhältnisse eine ungewöhnlich lange Frist. Ehliz ist nun einer der Besserverdiener in der DEL und, wie er sagt, "absolut" zufrieden: "Ich fühle mich hier einfach super wohl. Ich genieße die Unterstützung der Trainer und bekomme viel Eiszeit." Beides wäre im Münchner Luxuskader nicht zwingend gegeben gewesen.

Mit Mittelstürmer Steven Reinprecht und Kapitän Reimer bildet Ehliz in Nürnberg die torgefährlichste Reihe der DEL: "Wir spielen seit fünf Jahren zusammen, jeder weiß, wo der andere steht", sagt Ehliz. Seit 2010 hat er in 332 Ligaspielen 80 Tore geschossen und 148 vorbereitet, längst ist er zum Publikumsliebling avanciert. "Wie die Burg zu Nürnberg gehört Yasin Ehliz zu den Ice Tigers", verfügte deren Hauptsponsor Thomas Sabo. In Nordamerika nennen sie einen wie Ehliz einen Franchise Player, das Gesicht eines Vereins.

"Wenn der Yasin auf dem Eis ist, dann rumpelt's."

In Bad Tölz, wo Ehliz geboren ist und beim ECT die Grundlagen des Spiels gelernt hat, haben sie ihm ein paar einfache Grundregeln mit auf den Weg gegeben: Schläger aufs Eis. Kopf hoch. Schuss vor Pass. Und: In den Ecken werden Spiele gewonnen. So gesehen war Ehliz schon immer ein Siegertyp. Der Außenstürmer ist einer, der in den Ecken arbeitet wie kein Zweiter. Zwar ist Ehliz nur 1,77 Meter groß. Trotzdem geht er keinem Zweikampf aus dem Weg: "Ich war im Nachwuchs immer der Kleinste, da lernt man sich durchzusetzen", sagt er. Sein Mentor, Ex-Rekordnationalspieler Lorenz Funk, schwärmte damals: "Wenn der Yasin auf dem Eis ist, rührt sich was. Dann rumpelt's." Heute schwärmen sie in Nürnberg von dem "Ausnahmespieler" (Sabo) und "Vorzeigeprofi" (Reimer), zu dem sich der Tölzer entwickelt habe.

Reimer, vergangene Saison Topscorer der DEL, lebt im Klub und im Nationalteam von Ehliz' Vorlagen. Er sagt: "Am Anfang hat Yasin von uns profitiert. Jetzt profitieren wir von ihm. Er rast nicht mehr nur in die Ecken, er ist auch spielerisch auf Augenhöhe. Das passt perfekt. Und er fängt unser Alter auf." Denn auch die Zeit des Top-Trios ist endlich. Reinprechts Vertrag läuft am Ende der Saison aus, dass er ihn noch einmal verlängert, ist unwahrscheinlich - der Kanadier ist 41. Reimers Kontrakt reicht bis 2020, er ist dann fast 38. Zuletzt scheiterten die Ice Tigers zweimal im Halbfinale an Wolfsburg. Wenn sie den großen Wurf noch landen wollen, müssen sie es bald tun. "Ach", beschwichtigt Ehliz: "Der Reimi wird sicher wieder einen Haufen Tore schießen und der Reino seine Zauberkünste zeigen." Womöglich ist Ehliz auch der uneitelste Profi der DEL.

Reimer findet es "überragend", dass der Kollege bleibt. "Es ist ein extrem wichtiges Zeichen, dass der Klub Spieler wie ihn in Nürnberg halten kann - trotz Angeboten von Top-Vereinen. Yasin ist einer der besten deutschen Spieler, und er hat eine grandiose Perspektive." Seine ganze Konzentration, beteuert Ehliz, gelte vorerst aber den Ice Tigers: "Nürnberg ist meine zweite Heimat geworden." Als Wahrzeichen der Stadt und des Vereins hat man schließlich eine Verantwortung.

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